Architektur:Die Leere ist gefüllt

Lesezeit: 3 min

Am Montag eröffnet der Westflügel der Riem Arcaden am Willy-Brandt-Platz in der Messestadt Riem. Damit ist das Zentrum des Quartiers baulich vollendet, aber die Debatte über die urbane Qualität hält an

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Das Zentrum der Messestadt Riem ist fertig: An diesem Montag, 26. März, 10 Uhr, eröffnet der neue Westflügel der Riem Arcaden mit einer Domino-Show und anderen Aktionen. Dieser Termin ist mehr als nur die Komplettierung einer Shopping-Mall. Dass im Erdgeschoss eine Aldi-Filiale aufmacht, war Herzenswunsch der Messestädter: Sie hatten vor Jahren bereits mit Unterschriftenlisten einen Discounter gefordert. Und mit dem West-Bau kam nun die "Unterlage" für den Portikus, der den Willy-Brandt-Platz begrenzt.

Lange genug gedauert hat das alles. Auch wenn 2006 die damalige Stadtbaurätin Christiane Thalgott erklärt hatte, man müsse "den Dingen Zeit geben", hätte wohl keiner gedacht, wie viel Geduld nötig sein würde. Im März 2004 hatten die Riem Arcaden eröffnet - fast fünf Jahre, nachdem die ersten Pioniere hergezogen waren. Damals sollte der künftige Anbau noch der Freizeit und dem Vergnügen gewidmet sein.

Die Stadt dachte an ein Multiplexkino mit 2700 Plätzen. Im Keller war eine gigantische Disco geplant, schließlich hatte das ehemalige Flughafenareal gerade eine wilde Party-Zwischennutzungszeit erlebt. Hinzukommen sollten Wellness- und Fitness-Einrichtungen. Gekrönt und verbunden werden sollten alle Bauten am Platz von einem ovalen Laufband, das zur Straße hin auf hohen Säulen ruht. Begehbar sollte der 450 Meter lange Portikus sein: für Jogger und Flaneure, die den wunderbaren Alpenblick genießen.

Charaktermerkmal: Der "Portikus" mit seinen 22 Meter hohen Säulen, die eine 150 Meter lange Dachkonstruktion tragen. (Foto: Claus Schunk)

"Das war natürlich ungeheuer träumerisch", sagt Ludwig Wappner vom Münchner Architekturbüro Allmann Sattler Wappner, das als Wettbewerbssieger die Bauten östlich und westlich des Platzes und den Portikus geplant hat. Er erinnert sich, wie die damals hochfliegenden Pläne von wirtschaftlichen Krisen zunichte gemacht wurden. Es sei gut, dass kein Multiplex eröffnet wurde, meint er: "Das wäre vielleicht schon in Konkurs." Er hat das Ringen des Hamburger Investors Union Investment um eine sinnvolle Lösung erlebt, musste vier Mal umplanen, ein Hotel oder ein Bürohaus waren im Gespräch. Immer wieder scheiterten die Konzepte in Krisenzeiten an der mangelnden Rentabilität. Während der Bundesgartenschau 2005 stellte die Stadt Holzquader auf die Brache, damit dieser "hohle Zahn", wie Wappner es formuliert, nicht gar so unfertig wirkte.

Der Portikus, den sich der Planer als "große Geste" gedacht hatte, wurde am Ende verkürzt von 480 Metern Rundkurs auf nun noch ungefähr 130 Meter. Wappner erzählt von Vorbehalten: Die Stadt hatte sich Gedanken gemacht, wie man verhindern könne, dass Lärm ins Wohngebiet dringt oder, schlimmer, dass sich jemand hinunterstürzt. Früher, so sagt er, sei eben vieles lockerer gewesen. Letztlich aber war der komplette Portikus einfach zu teuer. Dass der Investor aber das entscheidende Stück vorne zur Straße 18 Jahre nach dem Wettbewerb realisiert habe, sei "ein Zuckerl" - investiere er dort doch Millionen, die sich für ihn nicht rechneten. Es zeige aber auch, dass das Ursprungskonzept stark und "haltbar" war: Tatsächlich gebe der Rest-Portikus auf den 22 Meter hohen Säulen dem Platz, der größer ist als der Marienplatz, erst seine räumliche Fassung. Begehbar ist er freilich nun nicht, allerdings sind an seiner Unterseite Leuchten angebracht.

Im Westflügel des Einkaufszentrums warten neue Läden, darunter ein Aldi, auf ihre Kunden. Das Hotel in den oberen Etagen eröffnet erst im Herbst. (Foto: Claus Schunk)

Aber machen das Band unterm Himmel und der Neubau mit der gut gegliederten Fassade den Willy-Brandt-Platz, den Bürger abschätzig als "Platz der Leere" bezeichnet hatten, nun zu einem urbanen Kleinod, auf dem man gerne verweilt? Wappner ist da nicht so sicher. Sein Büro hatte damals mit den Münchner Landschaftsarchitekten Realgrün einen Partner vorgeschlagen, der auf dem Platz trotz der Tiefgarage drei große Baumgruppen platziert hätte, erzählt er. Doch den Platzwettbewerb gewann das Berliner Büro Lützow 7. Gemeinsam mit der Künstlerin Karin Sander setzte dieses auf die unmöblierte, flexibel bespielbare Leere.

"Ein Platz braucht auch Platz", habe Thalgott damals gesagt, sagt Wappner. Daher gibt es zum Beispiel keinen Brunnen, sondern nur einen ebenen Quellstein. Doch die Messestädter haben noch ihren Platz der Menschenrechte hinter den Arcaden und Gäste eilen durch. Die bunten Plastikmöbel, dem Wiener Museumsquartier nachgemacht, wirken wie eine Verlegenheitslösung, so der Architekt. Auch Olaf Metzels nachträglich hinzugefügte Plastik "Nicht mit uns" auf der Freitreppe zur U-Bahn konnte der Leere nicht viel entgegensetzen.

Die neuen Läden und die Gäste des "Motel one" mit 311 Betten, das im Herbst in den Obergeschossen des Neubaus eröffnet, werden mehr Publikum bringen. Doch Wappner meint, man müsse "behutsam nachjustieren". Er weiß, dass dem das Urheberrecht entgegensteht, merkt an, dass er nicht viel hält von starren Rechten, die die Aneignung des für den öffentlichen Raum Geplanten für die Nutzer schwierig machen. Er sei dafür, diesen "Bühnenraum" wenigstens interimsmäßig zu bespielen: "Und damit meine ich nicht Luftballons und Hüpfburgen." Er sehe den Willy-Brandt-Platz als "noch nicht abgeschlossenes Experiment". Die Stadt könne ja auch mit dem Büro Lützow 7 noch mal reden.

© SZ vom 24.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: