Altstadt:Lieber Zauberer

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Thomas Mann in den Texten seiner Kinder

Klaus Mann muss ein atemloser Schreiber gewesen sein. Auf den Seiten seiner Tagebücher geht die Handschrift auf Talfahrt, hat Schieflage. Als zerrinne ihm die Lebenszeit zwischen den Fingern. Mit ein paar wenigen Mausklicken gelangt man auf der Homepage der Monacensia in den spannenden Kosmos von Thomas Manns ältestem Sohn. Klaus, der irrsinnig Begabte, ist am Vater, so heißt es, zugrunde gegangen. Oder doch nicht? "Entsetzlicher Unsinn" sei über das Verhältnis zwischen Klaus und Thomas "verzapft" worden, hat Elisabeth, die jüngste Mann-Tochter, immer wieder beklagt, als sie nach dem Tod ihrer Geschwister endlich über die "First Family" der deutschen Literatur zu sprechen begann. Prompt hat sie sich den Vorwurf eingehandelt, sie würde sich und der Welt die Dinge um den "Herrn Papale", so nannte sie ihn, schönreden wollen.

"Lieber Zauberer" - zärtlich klingt dieser Kosename, den die älteren Mann-Geschwister für ihren Vater erfanden. So ist auch eine Lesung überschrieben, die am Mittwoch, 12. August, 19 Uhr, in der Juristischen Bibliothek im Rathaus am Marienplatz 8 (Raum 366) zu erleben ist. Veranstalter ist das Münchner Literaturarchiv Monacensia, welches die Nachlässe mehrerer Mann-Kinder hütet und diese auch zum Teil bereits digitalisiert hat. Die Juristische Bibliothek ist der Gastgeber des Leseabends.

"Thomas Mann im Spiegel seiner Kinder" lautet der Untertitel. Der Schauspieler Stefan Wilkening liest Texte von Erika, Klaus, Golo, Monika, Elisabeth und Michael. Durch den Abend führt der Familie-Mann-Experte Uwe Naumann. Anlass ist der 60. Todestag von Thomas Mann, der am 12. August 1955 in Zürich starb. Zur Sprache kommt auch sein rauf und runter zitierter Tagebuch-Eintrag von 1918: "Jemand wie ich sollte selbstverständlich keine Kinder in die Welt setzen." Da hatten er und Ehefrau Katia allerdings schon fünf, und das Sechste war unterwegs. "Das hätte er sich früher überlegen sollen", hat Tochter Monika diese Feststellung des Vaters einmal lakonisch kommentiert.

Karten zum Preis von fünf Euro gibt es von 18.30 Uhr an in der Bibliothek an der Abendkasse. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich unter stb.monacensiaveranst.kult@muenchen.de.

© SZ vom 08.08.2015 / czg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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