Altstadt:Eine Frage der Beteiligung

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Das Projekt, die Sendlinger Straße komplett als Fußgängerzone auszuweisen, wird kontrovers diskutiert. Nun sollen die Bürger mitbestimmen dürfen, möglicherweise wird es dazu eine Einwohnerversammlung geben

Von Alfred Dürr, Altstadt

Es ist das Thema, das einem Teil der Anwohner in der Altstadt und den Lokalpolitikern des Bezirksausschusses (BA) am meisten auf den Nägeln brennt, wie es BA-Mitglied Norbert Weigler (Grüne) formuliert: Wann und in welcher Form wird denn nun die ganze Sendlinger Straße - zunächst probeweise für ein Jahr - zur Fußgängerzone? Am Dienstagabend diskutierte der Unterausschuss Verkehr des Bezirksausschusses mehrere Stunden lang über mögliche Antworten auf diese Frage. Gekommen waren auch Bürger und Vertreter der Verwaltung. Ein konkretes Ergebnis erbrachte die Veranstaltung allerdings nicht. In der BA-Vollversammlung am kommenden Dienstag steht das Projekt erneut auf der Tagesordnung.

Seit Jahrzehnten gibt es Überlegungen, die Sendlinger Straße komplett zur Fußgängerzone zu machen. Anfang Dezember vergangenen Jahres hätte es endlich soweit sein sollen. In der Vereinbarung der Rathauskoalition aus SPD und CSU war die Einrichtung der Fußgängerzone festgelegt worden. Der Stadtrat sollte einen einjährigen Testbetrieb beschließen. Doch kurz vor dieser Entscheidung lehnte die Bürgerversammlung das Ansinnen mit großer Mehrheit ab. Die Begründung: Die Sorgen und Nöte der Anwohner seien nicht genügend berücksichtigt worden. Vertreter von SPD und CSU im Rathaus reagierten umgehend und vertagten ohne Diskussion den Beschluss auf unbestimmte Zeit.

Raum für Passanten: Im Vordergrund ist die Fußgängerzone schon vorhanden, nun soll der Rest der Sendlinger Straße folgen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Verkehrsexperten aus der Verwaltung, Petra Wurdack (Planungsreferat) und Robert Neuner (Kreisverwaltungsreferat), gingen im BA-Unterausschuss noch einmal ausführlich auf die Argumente von Anwohnern gegen die Fußgängerzone ein. In erster Linie fürchten die Bürger die Zufahrtsbeschränkungen mit dem Auto und den Wegfall von rund 100 Parkplätzen in der Straße. Sind die Arztpraxen für gehbehinderte Personen, die auf die Anfahrt mit dem Auto angewiesen sind, noch erreichbar? Wie ist der Lieferverkehr geregelt? Ist mit einem Anstieg der Mieten zu rechnen, wenn die Sendlinger Straße zur Fußgängerzone wird? Auch diese Fragen stehen im Mittelpunkt.

Ohne Zweifel werde es Einschnitte und Beschränkungen für Auto fahrende Anlieger oder deren Besucher geben, sagen die Verwaltungsexperten. Allerdings seien dies nicht so gravierende Probleme; deswegen müsse man nicht auf die Einrichtung der Fußgängerzone verzichten. Schon jetzt sei es nicht einfach, in der Sendlinger Straße einen Parkplatz zu finden. Die Zufahrt zu den privaten Stellplätzen sei immer gewährleistet.

Bereits in der Vorlage für den Stadtrat vom vergangenen Dezember war die Verwaltung im Detail auf veränderte Verkehrsbedingungen und die Einwände von Anwohnern eingegangen. Der Tenor: Es wird keine unzumutbaren Härten geben. Außerdem sei ja der Testbetrieb die beste Form der Bürgerbeteiligung. Wenn etwas in der Praxis mit der Fußgängerzone überhaupt nicht funktioniere, werde man nach neuen Lösungen suchen - bis hin zur Rücknahme des Verkehrsexperiments. Deswegen würden für die Probezeit auch keine baulichen Veränderungen vorgenommen, die dann keine Flexibilität mehr zulassen. Wolfgang Fischer, der Sprecher der Innenstadt-Händler, bekräftigte die Haltung der Geschäftsleute, die mit großer Mehrheit die Fußgängerzone befürworten.

Dennoch gibt es Skepsis im Bezirksausschuss. Stefan Blum (CSU) ist entschiedener Gegner der Fußgängerzone: "Der Eingriff ist für die Anwohner viel zu massiv." Norbert Weigler (Grüne) will keinen schnellen Beschluss herbeiführen. Die Bürgerbeteiligung müsse deutlich intensiviert werden. So sollte beispielsweise ein Gutachten erarbeitet werden, wie sich die Mietpreise durch die Fußgängerzone entwickeln würden. Außerdem könnte man für interessierte Bürger Workshops anbieten. Dabei sollte der Frage nachgegangen werden, ob es auch eine Alternative zur Umgestaltung der Sendlinger Straße in eine Fußgängerzone gibt; also zum Beispiel eine Lösung mit stärkeren Fahrmöglichkeiten für Autos und Radler.

Diskutiert wurde auch die Frage, ob die Stadt den Anwohnern subventionierte Tiefgaragen-Stellplätze zur Verfügung stellen könnte. Ob dieser finanzielle Mehraufwand geleistet wird, sei fraglich, sagte Petra Wurdack. Sie verwies auch darauf, dass ein sogenanntes Workshop-Verfahren nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit koste. Mit mindestens einem Jahr sei zu rechnen. Für Wolfgang Fischer wäre ein solches Vorgehen eine "reine Verschwendung von Steuermitteln", da die Argumente bereits alle ausgetauscht seien.

Viel Debattenstoff ist also vorhanden, aber noch ist keine Entscheidung gefallen, wie es mit der Fußgängerzone Sendlinger Straße weitergeht. Deshalb wird sich die BA-Vollversammlung, die am Dienstag, 19. Januar, um 19 Uhr im Münchner Zimmer des Hofbräuhauses am Platzl beginnt, auch wieder mit der Frage befassen, wie sich die Bürger stärker am Entscheidungsprozess beteiligen können. Vorgeschlagen wird eine Einwohnerversammlung, die Mitte Februar stattfinden sollte. Schon bei der Altstadt-Bürgerversammlung vom vergangenen Dezember war eine solche Veranstaltung gefordert worden.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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