Alte Bushaltestelle:Fliegende Biergärten und transportable Hochbeete

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Bürger sammeln Ideen zur Bushaltestelle. Heidrun Eberle vom Münchner Forum für Entwicklungsfragen moderierte den Workshop. (Foto: privat)

Am Kolumbusplatz liegt eine 1500 Quadratmeter große Fläche brach. Bei einem Workshop blühen Idee zu deren Gestaltung

Von Julian Raff, Untergiesing

Die Stilllegung einer Bushaltestelle am Fuß des Giesinger Bergs hat vor viereinhalb Jahren am Kolumbusplatz Gestaltungsspielraum von rund 1500 Quadratmetern hinterlassen - das ist viel für ein dicht bebautes Viertel, aber nicht genug, um das laute, dreckige Dreiländereck zwischen Au, Unter- und Obergiesing in einen attraktiven Platz zu verwandeln. Über Grenzen, die Straßen- und Bahnverkehr dort setzen, machten sich die Teilnehmer eines Ideen-Workshops keine Illusionen, was sie aber nicht daran hinderte, den Visionen erst einmal freien Lauf zu lassen. Zum Brainstorming trafen sich zwar lediglich ein Dutzend Anwohner im Besprechungsraum des Männerheims an der Pilgersheimer Straße, die aber brachten umso mehr Zeit und Energie auf, fürs freie Fantasieren, wie auch für die anschließende Diskussion übers Machbare. Das wohl kühnste, weil autofreie Bild vom Platz im Jahr 2030 zeichnete der BA-Grüne Wolfgang Geißelbrecht. Ein wenig realistischer scheint da schon ein S-Bahn-Halt am künftigen Gleis-Südring zu sein. Die Achse Giesinger Berg-Humboldtstraße dürfte jedenfalls die von Bahntrasse, grünem Isarhang, Wohnblöcken und schmalen Nebenstraßen geprägte Gegend weiter durchschneiden und den gestaltbaren Raum begrenzen. Kein Wunder also, dass sich schon jetzt eine gewisse Interessenkonkurrenz zwischen Begrünung und sportlicher Nutzung abzeichnet, in der sich Geißelbrecht leidenschaftlich auf die Seite der Begrüner schlug. Pflanzen als Schutz vor Lärm, Hitze und Luftverschmutzung brächten den größten Nutzen für alle, am besten in Form eines durchgehenden Grünzugs von der Lohstraße zum Isarhang. Skateanlagen, Slacklines, Boulderwände und was die Anwohner sonst noch an Sportanlagen für Jugendliche vorschlugen, sei anderswo, fern von Lärm und Abgasen, besser aufgehoben. Gerade der Verkehrslärm prädestiniere den per Brücke teils wettergeschützten, verlassenen Bus-Bahnsteig doch zum Skatepark, hielten andere dagegen - Rollgeräusche dürften hier wirklich niemanden stören.

Melanie Kieweg, die den Workshop über die Bürgerinitiative "Mehr Platz zum Leben" angestoßen hatte, brachte da andere Erfahrungen mit. Anwohner hätten sich nämlich durchaus schon über laute Veranstaltungen auf dem benachbarten schmalen Streifen zwischen Bahnlinie und Hebenstreitstraße beschwert, der momentan interimsweise kulturell genutzt wird. Dass, wie ebenfalls befürchtet, Abgase und leicht verkommenes Ambiente Jugendliche davon abhalten könnten, dort in eigener Verantwortung zu skaten, zu klettern oder Basketball zu spielen, bezweifelt Kieweg. Der Reiz solcher Plätze liegt für sie ja gerade darin, dass die Eltern hier eigentlich nicht um ihre Meinung gefragt werden. Für kleine Kinder sei der Platz ohnehin völlig ungeeignet.

Moderatorin Heidrun Eberle vom Münchner Forum schob die sportlichen Varianten in der Schlussdiskussion schließlich von der kurzfristigen in die langfristige Kategorie, wobei die Idee bekletterbarer Brückenpfeiler schon durch die zähe Bahn-Bürokratie ausgebremst werden dürfte. Die schiebt sich allerdings auch vor die insgesamt favorisierten Grün-Varianten: Für Hänge- und Kletterpflanzen an den Brückenpfeilern wären die Bahnfunktionäre so bald nicht zu gewinnen, beschied Green-City-Aktivist Wolfgang Heidenreich. Als Sofortmaßnahme scheidet seiner Auskunft nach auch die vorgeschlagene Wanderbaumallee aus, weil für 2018 ausgebucht. Per Gabelstapler transportable Hochbeete und anderes mobiles Grün könnten dem Platz aber schon im kommenden Jahr ein neues Gesicht geben und die Brache beenden - nach allgemeiner Überzeugung ein wichtiger Schritt zur dauerhaften Aufwertung. Unterstützung durch Grünpaten aus der Nachbarschaft wären bei Anlage und Pflege von Beeten oder Grün-Zäunen hoch willkommen. Raum für Kunst bietet bereits jetzt, wenn schon nicht die Bahnbrücke, dann wenigstens ein Bauzaun zum Giesinger Berg hin. Laue Sommernächte ließen sich, ebenfalls ohne langen Vorlauf, durch "Pop-up-Gastronomie", sprich fliegende Biergärten, verzaubern, oder durch Konzerte unter der Brücke - vorausgesetzt, die Nachbarn dulden die Gaudi oder feiern mit.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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