Organspende-Skandal:Verdacht gegen Klinikum erhärtet sich

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Waren die Auffälligkeiten bei der Transplantation von Lebern am Klinikum rechts der Isar nur ein Versehen? Offenbar nicht. Denn nach SZ-Informationen könnten Laborwerte von Patienten vorsätzlich manipuliert worden sein.

Christina Berndt

Fünf Tage lang zeigten sich die Verantwortlichen am Klinikum rechts der Isar überzeugt, dass die Auffälligkeiten bei den Lebertransplantationen in ihrem Haus lediglich auf Versehen zurückzuführen waren.

Doch diese Einschätzung mussten sie am Montagnachmittag revidieren. Da war ein Arzt aus seinem Urlaub zurückgekehrt und präsentierte der überraschten Klinikleitung das Gedächtnisprotokoll eines Kollegen zu einem fragwürdigen Transplantationsfall. Nach Informationen der SZ legt dieses klinikinterne Protokoll nahe, dass ein Laborwert des Patienten vorsätzlich manipuliert wurde. So bekam er vorzeitig eine Spenderleber zugeteilt.

Dabei stammt die zugehörige Blutprobe nachweislich nicht einmal von dem betreffenden Patienten auf der Warteliste. Sie wurde ihm wohl zugeordnet, um ihm schneller eine Leber zu verschaffen. Eine zufällige Vertauschung sei unwahrscheinlich, erfuhr die SZ. Der Fall liegt inzwischen bei der Staatsanwaltschaft.

Die Verdachtsmomente seien so gravierend, dass sich das Wissenschaftsministerium direkt für die Information der Presse entschieden haben, sagte die Sprecherin des Ministeriums, Christa Malessa, der SZ. Es hätten sich "Anhaltspunkte ergeben, dass im Einzelfall eine Manipulation nicht ausgeschlossen werden kann", ließ Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) noch am Montag erklären. "Diese neuen Erkenntnisse nehmen wir sehr ernst", betonte er. Ob sich der Vorsatz belegen lasse, müsse aber die Staatsanwaltschaft klären, so Malessa: "Es ist auch nicht völlig auszuschließen, dass es am Ende doch keine aktive Manipulation war."

Das Klinikum äußerte sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. Über die möglichen Motive der Ärzte lässt sich nur spekulieren. Der Patient sei jedenfalls ein gewöhnlicher Kassenpatient gewesen, erfuhr die SZ.

Fachleute befürchten, dass es nicht bei dem einen Betrugsfall bleiben wird. Insgesamt gibt es bei neun Lebertransplantationen am Klinikum rechts der Isar Auffälligkeiten, die bislang als Fehler galten.

Als besonders kritisch gelten vier Fälle. In zweien gibt es auffällige Laborwerte, in zwei weiteren wurde fälschlicherweise angegeben, die Patienten hätten eine Dialyse erhalten. Dies lässt die Transplantation ebenfalls dringlicher erscheinen. "Es ist nun wahrscheinlicher, dass auch die Kreuze bei der Dialyse womöglich mit Vorsatz gesetzt wurden", sagte ein Insider der SZ.

Ob zwei weitere Transplantationen bei Patienten mit metastasierten Krebsleiden regelwidrig waren, ist umstritten. Metastasen seien ein klares Ausschlusskriterium für die Transplantation, monierte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Dass die Patienten trotzdem ein Organ bekommen haben, sei kaum zu begründen und lasse sich auch nur schwer mit einem Versehen erklären.

Dem widerspricht Uwe Heemann, der Leiter des Transplantationszentrums am Klinikum rechts der Isar. Die beiden Transplantationen seien richtlinienkonform gewesen, sagte er der SZ. Es habe sich um sehr langsam wachsende Tumoren gehandelt, bei denen eine Transplantation auch dann noch sinnvoll sei, wenn bereits Metastasen vorliegen. "Dass die Patienten einen Platz auf der Warteliste bekamen, war mit der Organvermittlungsstelle Eurotransplant abgesprochen", betont Heemann.

© SZ vom 04.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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