Erzbistum München und Freising:Misswirtschaft in Deutschlands reichstem Bistum

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Bereits 2012 hat die Pfarrei Sankt Canisiusin Hadern eine Innenrenovierung der Pfarrkirche beantragt. Diese steht bis heute aus. (Foto: Robert Haas)
  • In der Bistumsverwaltung liegen Hunderte Anträge für Bauprojekte der Pfarreien - teils seit Jahren unbearbeitet.
  • Der Unmut an der Basis ist groß. Nun versprechen die Oberen, alles umzukrempeln und schneller zu werden.

Von Jakob Wetzel, München

In der Bauverwaltung des Erzbistums München und Freising wurde über Jahre hinweg Misswirtschaft betrieben. In Deutschlands wohl reichstem Bistum haben sich Hunderte unerledigte Baumaßnahmen aufgestaut, sehr zum Ärger von Pfarrern und Kirchenverwaltungen. Es geht dabei um den Bau oder die Sanierung von Kirchen und Pfarrbüros, von katholischen Kindertagesstätten oder auch Sozialzentren. Und wie interne Dokumente nahelegen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, lag das nicht nur daran, dass einzelne Planungen komplex und zeitaufwendig waren. Vielmehr blieben zahlreiche Anträge schlicht in der Verwaltung liegen - zum Teil über viele Jahre.

In einem Brief an die 748 Pfarreien und Kirchenverwaltungen im Erzbistum berichteten Generalvikar Peter Beer und Finanzdirektor Markus Reif Ende September von insgesamt 607 "Alt-Anträgen", die bis März eingereicht worden seien. Von ihnen ist bei gut 360 noch nichts vorangegangen. Schon länger kursierten in der Kirche Gerüchte, das Bauressort des Erzbistums führe ein Eigenleben. Aber vom Ausmaß der Probleme wurde die Kirchenspitze offenbar selbst überrascht.

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Es habe eine "revisorische Bestandsaufnahme" gegeben, heißt es. Dabei habe sich herausgestellt, dass bei vielen Projekten trotz jahrelanger Laufzeit nicht einmal die planerischen Grundlagen geschaffen worden seien. Man habe nun zwei externe Projektberaterfirmen beauftragt, die nötigen Daten zu erheben, heißt es in dem Brief. Vorher könnten die Anträge noch nicht einmal bearbeitet, geschweige denn Bauarbeiten begonnen werden.

Dem Schreiben beigefügt ist eine lange Liste, aus der hervorgeht: Lediglich bei 121 Anträgen hat die Verwaltung die nötigen Planungen abgeschlossen; hier sei jedoch mit Mehrkosten zu rechnen. Bei 40 weiteren Projekten seien die Arbeiten zumindest fortgeschritten. 165 Anträge dagegen seien zwar dem Strategischen Vergabeausschuss der Kirche vorgelegt worden; das ist dasjenige Gremium, das über die Notwendigkeit einer Baumaßnahme entscheidet und die Genehmigung erteilt, mit der konkreten Planung zu beginnen. Allerdings sei dann keinerlei "weiterführende und tragfähige" Planung erfolgt. 198 weitere Anträge sind zwar im Ordinariat eingegangen, wurden aber zurückgestellt oder dem Vergabeausschuss gar nicht erst vorgelegt. Die ältesten dieser Anträge stammen aus dem Jahr 2007.

Fast so lange wartet zum Beispiel die Pfarrei Sankt Martin in Moosach auf ein neues Pfarrhaus. Über das bisherige sagt Pfarrer Martin Cambensy: "Es gibt hier keinen Besprechungsraum und kein Zimmer für den Verwaltungsleiter", er habe nicht einmal genug Büros für alle seine Angestellten. Seit acht Jahren plant die Pfarrei einen Neubau. Den nötigen Grund dazu gebe es schon, sagt Cambensy. Auch Fachleute des Erzbischöflichen Ordinariats hätten das Projekt bereits begutachtet. Nur: Wirklich vorangegangen sei in den vergangenen Jahren nichts, sagt Cambensy. "Das ist halt nicht in unserer Hand."

Sondern in der des Bauressorts der Kirche. Und dort liegen viele Wünsche: In München hat etwa die Pfarrei Sankt Canisius in Hadern 2012 eine Innenrenovierung der Pfarrkirche beantragt, in der Sendlinger Pfarrei Sankt Korbinian wartet man darauf schon zwei Jahre länger. Die Außenfassade von Sankt Achaz in Sendling soll seit 2011 saniert werden, die Pfarrei Christus Erlöser in Neuperlach wartet ebenso lange darauf, dass ihr Antrag zum Neubau des Pfarrzentrums bearbeitet wird. Geplant wurde in all diesen Fällen bislang nichts - und die Aufzählung ließe sich sehr lange fortführen.

Wie es so weit kommen konnte, dazu macht die Kirche keine näheren Angaben. Generalvikar Beer sagt nur: Es handle sich um ein "systemisches Problem". Entsprechend tief greifen die bereits gezogenen Konsequenzen. Im Bauressort ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben.

Seit April gelten erstens neue diözesane Bauregeln. Sie sollen die Eigenverantwortung der Pfarreien stärken und Baumaßnahmen beschleunigen. Zudem sorgen sie in dem Ressort, in dem mit Millionen Euro gewirtschaftet wird, für mehr Kontrolle und dafür, dass Tätigkeiten getrennt werden. Niemand kann sich künftig mehr eigene Ideen selbst genehmigen und Firmen dazu beauftragen; die professionelle Abwicklung von Baumaßnahmen gab die Kirche komplett in die Hände externer Dienstleister. Entsprechend wurde das Bauressort auch organisatorisch umgebaut. Drittens wurde das Führungspersonal ausgetauscht. Seit April leitet die Immobilien-Managerin Susanne Birk das Ressort. Seit Anfang November ist mit dem Architekten Christian Stumpf zudem ein eigener Diözesanbaumeister im Amt, diesen Posten gab es in dieser Form zuvor nicht.

Das Ziel ist klar: "Der seit Jahren bestehende Berg von unerledigten Baumaßnahmen darf nicht mehr länger vor sich hergeschoben werden", so schrieben es Beer und Reif im September in ihrem Brief. "Die entsprechenden schon lange vorgetragenen Klagen aus den Kirchenstiftungen sollen nicht einfach verhallen."

Bis wann der kirchliche Baustau aufgelöst sein soll, darauf will sich die Bistumsleitung nicht festlegen; zu unsicher sei, was sich bei der gegenwärtigen Bestandsaufnahme noch finde. Man müsse die Projekte nun gewissenhaft aufnehmen und priorisieren, sagt die neue Ressortleiterin Birk. Dazu schwärmten in den kommenden Monaten ihre Mitarbeiter in die Pfarreien aus. Man arbeite so schnell wie möglich und mit Nachdruck, sagt Beer. Es gehe auch darum, Transparenz herzustellen.

Wenn Martin Cambensy, der Pfarrer in Moosach, sein Projekt sucht, dann findet er es ebenfalls auf der Liste der 607 Alt-Anträge. Das neue Pfarrbüro gehört zu den Anträgen, bei denen die Planung bislang noch nicht einmal genehmigt worden ist. Cambensy sagt: "Und jetzt hoffen wir halt, dass wir einmal zu Potte kommen."

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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