"Wetten, dass ..?": Gottschalk tritt ab:"Du bist doch eine Institution"

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Thomas Gottschalk will bei "Wetten, dass ..?" aufhören: Naomi Campbell ist traurig, Maria Furtwängler schmeichelt und auch Co-Moderatorin Michelle Hunziker will ihn nicht gehen lassen.

Hans Hoff

"Jörg Pilawa ist bestens vorbereitet." Im ZDF waren am Samstag diese Worte zu hören, nur Sekunden nach dem Ende jener Wetten, dass ..? -Ausgabe, in der Thomas Gottschalk seinen baldigen Abschied von Europas größter Show angekündigt hatte. Natürlich bezog sich der Pilawa-Spruch nur auf dessen in Kürze anstehende Ratesendung "Rette die Million", aber wer wollte, konnte da auch die Bereitschaft eines in den Startlöchern scharrenden Nachfolgers heraushören.

ZDF: "Wetten, dass..?"
:Gottschalk sagt Servus

193 Ausgaben, 30 Jahre "Wetten, dass..?" - und ein Paukenschlag: Moderator Thomas Gottschalk kündigt seinen Rückzug an. Das Publikum reagiert mit Unmut. Und eine Frage steht im Raum: Wer kann sein Nachfolger werden?

Schließlich ist Pilawa der größte Einkauf, den das ZDF in den vergangenen Jahren tätigte, und wenn man über Wetten, dass ..? in der Zeit nach Gottschalk und die vor seinem Nachfolger stehende Aufgabe betrachtet, passt Pilawas Sendetitel schon fast perfekt. Man müsste nur noch einen kleinen Plural bilden, und schon hieße es "Rette die Millionen" und meinte die Zuschauermassen, die es für das ZDF zu halten gilt.

Während die einen schon über einen möglichen Nachfolger diskutieren, müssen die anderen noch den Schock verdauen. Zwar hatte sich der den Tag über schon mit Fragezeichen-Schlagzeilen der Marke "Wirft Gottschalk hin?" angedeutet, aber als dann die Wetten, dass..?-Melodie erklang und ein ausnahmsweise mal bärtiger Moderator vors Publikum trat, gab es trotzdem etwas zum Schlucken.

"Für mich liegt auf Wetten, dass..? ein Schatten", sagte Gottschalk schon kurz nach der Begrüßung in Halle. Damit war klar, dass er nun tatsächlich hinwirft. Er betonte aber, dass er sich nicht so schnell aus dem Staub machen werde. Bis zum Sommer will er noch bleiben. Die Sendung aus Mallorca moderiert er am 18. Juni noch und im Herbst drei große Rückblicke auf 30 Jahre Wetten, dass..? Und dann seien da noch der Jahresrückblick und neue Shows geplant. Man arbeite gemeinsam an neuen Ideen, beeilte sich das ZDF nachzuschieben und bekräftigte, dass Wetten, dass...? 2012 auf jeden Fall weitergehe.

Auslöser für den angekündigten Abschied waren ganz offensichtlich die Geschehnisse, die in Düsseldorf am 4. Dezember 2010 für den ersten Sendungsabbruch in der Wetten, dass..?-Geschichte gesorgt hatten. Damals war der Wettkandidat Samuel Koch beim Versuch, mit Sprungstelzen über ein fahrendes Auto zu springen, schwer verunglückt. Noch immer liegt er weitgehend bewegungsunfähig in einer Schweizer Klinik. "Samuel weiß, dass er sich nur langsam erholen wird", sagte Gottschalk und berichtete von einem der Sendung vorangegangenen Besuch. Samuel habe ihn auch mit einer Botschaft ausgestattet. Ihm liege viel daran, festzustellen, dass er kein adrenalinsüchtiger Junkie sei.

Gottschalk: Auftritt nach Unfall
:"So bin ich, und so werde ich bleiben"

Es war einer der schwersten TV-Auftritte für Thomas Gottschalk. Bei der ersten Moderation nach dem schweren Unfall bei "Wetten, dass..?" wirkt er betroffen, aber auch souverän.

Danach kam Michelle Hunziker auf die Bühne und zeigte Durchhaltewillen. "Ich habe den ganz festen Eindruck, dass die Leute wollen, dass es hier weitergeht", sagte sie und versuchte gleich auch noch den Deserteur zur Umkehr zu veranlassen. "Ich bleibe an deiner Seite und vielleicht schaffe ich es noch, dich umzustimmen und mit dir auf dieser Couch alt zu werden", sagte sie.

"Vielleicht schaffe ich es noch, dich umzustimmen und mit dir auf dieser Couch alt zu werden": Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker bei "Wetten, dass ..?"  in Halle an der Saale. (Foto: dpa)

Es sollte nicht der letzte Versuch dieser Art bleiben. Auch das Model Naomi Campbell mochte nichts von Trennung wissen. "Du kannst nicht aufhören. Das geht nicht. Du bist doch eine Institution", sagte sie, und als Gottschalk sie recht putzig mit ein paar lockeren Sprüchen verabschiedete, legte sie noch einmal nach: "Please stay, don't leave."

Ob ihre Worte Widerhall finden werden, ist offen. Sicher scheint derzeit nur, dass dieser dritte Abschied von Wetten, dass..? der letzte zu werden scheint. Zweimal hatte sich Gottschalk vorher schon verabschiedet. Einmal, als er 1992 kurz an Wolfgang Lippert übergab, und dann war da noch der 1. April 2006, als er in den Abspann hinein ankündigte, sich nunmehr zurückziehen zu wollen. Natürlich war es nur ein Aprilscherz, und die Aufklärung folgte auf dem Fuß.

Diesmal aber scheint es ernst zu sein. Gottschalk will ganz offensichtlich die Chance nutzen, sich einen würdigen Abgang zu sichern, zu gehen, solange er noch ganz oben mitspielt. Mit ihm geht einer, der auf wundersame Weise stets den Spagat zwischen den Zeiten schaffte: Einerseits repräsentiert er die Qualitäten der alten Fernsehshowrecken vom Schlage Peter Frankenfeld und Hans-Joachim Kulenkampff, andererseits versucht er immer, auch im Hier und Jetzt zu trumpfen. Dass er das immer noch kann wie kein anderer, hat er mit der jüngsten Show bewiesen, die gleichzeitig den 30. Geburtstag von Wetten, dass..? markiert.

Gottschalk weiß, wie man einen solchen Showkoloss in Bewegung hält, er hat das richtige Timing, er weiß, wann man die Gäste machen lassen muss und wann sie zu stoppen sind. Als etwa Udo Lindenberg eine wunderbar beschwipste Rede auf irgendwas hält, lässt er ihn schwafeln, weil nichts den Geist des Herrn Lindenberg besser zeigt als wenn man ihn machen lässt. Wie er das findet, zeigt Gottschalk später, als er zwei kluge Kinder, die jeden Satz aus ihrem Lieblingsbuch auf die Seite genau verorten können, für ihren klaren Vortrag lobt. "Das hat man jetzt besser verstanden als die Geschichte, die Udo vorhin erzählt hat", sagt er. Zack, hat er dem Altmeister charmant einen mitgegeben und gleichzeitig einen netten Gag gelandet. Kann man sich so etwas von Pilawa vorstellen?

ZDF: "Wetten, dass..?"
:Gottschalk sagt Servus

193 Ausgaben, 30 Jahre "Wetten, dass..?" - und ein Paukenschlag: Moderator Thomas Gottschalk kündigt seinen Rückzug an. Das Publikum reagiert mit Unmut. Und eine Frage steht im Raum: Wer kann sein Nachfolger werden?

Gottschalk landet noch so manchen Spruch. Er vermeidet an diesem Tag seine gefürchteten Quadrupelfragen, die nie enden und einfach nur inhaltsfrei Zeit füllen, er hält die Take-That-Hysterie in Grenzen, er singt mit Max Raabe und Jan Josef Liefers im Trio. "Ein Freund, ein guter Freund", tönt es, und Gottschalk schüttelt es locker aus der Kehle. Seine Kandidaten können derweil Lampen mit den Füßen eindrehen, Salamistücke mit dem Golfschläger in den Mund schießen, Kerzen mit Frisbees auspusten und mit den Ohren Kronkorken wegschnipsen.

Ein bisschen sonnt sich Gottschalk natürlich auch im Glanz des bevorstehenden Abgangs. Er genießt es sichtlich, dass ihn so mancher seiner Gäste gerne noch länger auf der berühmten Couch sähe. Natürlich wehrt er vordergründig das Begehren ab, aber dass sein Ego gerade enorm gestreichelt wird, kann jeder erkennen, der ihn schon mehr als einmal erlebt hat. Das geht so weit, dass man meint, aufpassen zu müssen, dass der Vatikan nicht noch rasch vor Jahresende die Seligsprechung dieses Mannes durchdrückt.

"Du siehst unglaublich gut aus", schleimt eine betont aufgekratzte Maria Furtwängler, und der Gelobte spielt es herunter: "Ich bin geschminkt." Von der Schauspielerin Anna Loos bekommt er mit Genehmigung ihres Gatten Jan Josef Liefers sogar etwas aufs lose Mundwerk. "Weil doch der Thomas diese Show viel länger machen muss, bekommst du Thomas jetzt von meiner Frau einen freundschaftlichen Kuss", hatte der Münsteraner "Tatort"-Kommissar vorher gedichtet. Nicht schön, aber darum geht es an diesem Abend auch nicht.

Im Mittelpunkt steht vielmehr die Rückkehr zur Show, die bekanntlich immer weitergehen muss, die aber am 4. Dezember in Düsseldorf nicht weitergehen konnte. Nun geht sie weiter, wenn auch nicht mehr sehr lange. Die Aussicht, dass danach einer wie Pilawa kommen könnte, mildert den Schmerz nicht, es multipliziert ihn. Jörg Pilawa ist bestens vorbereitet? Es wird ihm nichts nützen.

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