US-Fernsehpreis:Emmy für Julia Louis-Dreyfus: Ihre Comedy hat Goldstandard

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Im Gegensatz zum diabolischen Frank Underwood ist Louis-Dreyfus' Figur Selina Meyer ein Bündel aus Unsicherheiten und Tölpeleien. (Foto: REUTERS)

Wenn sie in der Serie "Veep" als US-Vizepräsidentin von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert, ist das befreiend komisch.

Von Andrian Kreye

Man kann Julia Louis-Dreyfus' Rolle der Vize- und dann auch amtierenden US-Präsidentin Selina Meyer in "Veep" als Konkurrenz zu Kevin Spaceys Intriganten Frank Underwood in "House of Cards" sehen. In beiden Serien geht es um den Machthunger in der zweiten Reihe. Im Gegensatz zum diabolischen Frank Underwood ist Louis-Dreyfus' Figur allerdings ein Bündel aus Unsicherheiten und Tölpeleien. Das Repertoire an Übersprungshandlungen, mit denen sich diese Selina Meyer von Fauxpas zu Fauxpas rettet, scheint keine Grenzen zu haben.

Louis-Dreyfus' Dauerimprovisation ist erschreckend nah an der Realität des echten Politikbetriebes. Da entscheidet oft nicht die Kompetenz, sondern der Machthunger, wer ganz nach oben kommt. Deswegen hatte die fünfte Staffel der Comedy-Serie wieder einen solchen Erfolg, die in Amerika im Juni auf dem Kabelsender HBO zu Ende ging (in Deutschland liefen die ersten drei Staffeln auf Sky Atlantic). Immerhin ist dies das Jahr, in dem der Polit-Amateur Donald Trump ins Weiße Haus einziehen könnte.

Am Sonntag hat Julia Louis-Dreyfus, 55, nun den Emmy als beste Hauptdarstellerin in einer Komödie bekommen. Das ist schon ihr neunter Emmy insgesamt und der inzwischen fünfte für ihre Rolle als Selina Meyer.

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Wie bei so vielen Starkomikern begann auch Louis-Dreyfus' Karriere bei der Sketch-Sendung "Saturday Night Life". Bis 1985 war sie dort neben Eddie Murphy und Billy Crystal festes Ensemblemitglied. Danach war sie in ein paar Kinofilmen in Nebenrollen zu sehen. Von 1990 bis 1998 spielte sie dann Elaine Benes, eine der vier Stammrollen in der Fernsehserie "Seinfeld", die in den Neunzigerjahren so etwas wie der Goldstandard der Fernseh-Comedy war.

Jerry Seinfeld bereitete damals den Weg für die sogenannte Cringe Comedy, was man grob mit "Fremdschäm-Komödie" übersetzen kann. Das waren erstmals Figuren, über die man lachte, nicht weil sie schlichte Pointen lieferten, sondern sich so unerschütterlich danebenbenahmen. In Amerika ist das inzwischen Standard.

Dauerfeuer brillanter Unzulänglichkeiten

Nach ein paar Jahren der Nebenrollen bekam Julia Louis-Dreyfus 2005 die Fernsehserie "The New Adventures of Old Christine", die in Deutschland auf dem Kabelsender Comedy Central nie so richtig Aufmerksamkeit bekam. Doch schon mit der ersten Staffel von "Veep" im Frühjahr 2012 war klar, dass sie nun endgültig ein Star war.

Formal ist die Politsatire eine Fortsetzung ihrer Arbeit für "Seinfeld". Auch als Vizepräsidentin liefert sie keine klassischen Pointen, sondern ein Dauerfeuer brillanter Unzulänglichkeiten. Für Amerikaner hat das im Wahljahr vor allem einen befreienden Effekt. Denn wenn Selina Meyer in ein Fettnäpfchen politischer Unkorrektheiten nach dem anderen tritt, wenn sie sich in Flunkereien verstrickt und in Eitelkeiten auslebt, hat das etwas befreiend Komisches. Die Wirklichkeit ist im Wahljahr bedrohlich genug.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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