Toter Gaddafi im "Spiegel":Wenn ein Diktator zur Trophäe wird

Von wegen kritische Distanz im Journalismus: Im aktuellen "Spiegel"-Heft ist ein Foto zu sehen, das den toten Muammar al-Gaddafi als Trophäe zeigt. Und auf eigenartige Weise an Hemingway erinnert.

Hans-Jürgen Jakobs

Das höchste Glück des Großwildjägers ist das Foto zum Schluss. Es zeigt den Waidmann mit Gewehr neben dem erlegten Tier, der Trophäe. Hemingway ließ sich so gerne ablichten (mit Leopard).

Der Trophäen-Journalismus dieser Tage lebt davon, tote Gruselgestalten abzubilden, Diktatoren etwa. Im aktuellen Spiegel posiert, gleich vorn in der "Hausmitteilung", eine Redakteurin neben dem toten Muammar al-Gaddafi.

Der libysche Schreckensherrscher liegt auf einer Matratze, in einem "gut gekühlten Raum von den Ausmaßen einer Autogarage", wie es hausmitteilt; die Reporterin trägt eine Art Shopper-Bag.

Keine Rolle spielen ethische Fragen, die Agentur AFP hat sich sogar des "weltweiten Scoops" gerühmt, die Fotos des Toten verbreitet zu haben.

Der Deutsche Journalistenverband hat einst festgehalten, Journalisten sollten zu Akteuren "kritische Distanz" bewahren, sich politisch nicht instrumentalisieren lassen. Die Würde der betroffenen Menschen sei zu achten, hieß es.

Das war 2002, in der Steinzeit des "modernen Journalismus".

© SZ vom 24.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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