Tod von Hugh Hefner:Das Heft der Enthemmten

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Die Erstausgabe des Playboy 1953. Auf dem Cover: Marilyn Monroe. (Foto: Playboy)

Der "Playboy" von Hugh Hefner bekämpfte einst die Prüderie. Heute wirken Männer, die ihn mit sich herumtragen, eher rückständig. Woran liegt das?

Von David Pfeifer

In vielen Männer-Biografien gibt es den Moment, in dem sie erstmals den Playboy entdeckten. Nicht etwa am Kiosk, sondern im Zeitschriftenstapel der sorglosen Eltern, oder im Giftschrank des Vaters. Natürlich wurde es statistisch nie erhoben, aber es muss ein nennenswerter Teil der männlichen Bevölkerung in der westlichen Welt gewesen sein, der bis in die 1990er-Jahre hinein die erste nackte Frau in erotischer Pose in diesem Magazin gesehen hat.

Hugh Hefner war noch keine 30 Jahre alt, als er das Magazin 1953 gründete, der Zweite Weltkrieg war noch eine reale Erinnerung. US-Soldaten hatten Schlimmes gesehen und oftmals auch getan, ihre Frauen durften weder ein Auto noch einen Fernseher kaufen, ohne dass der Ehemann oder der Vater den Vertrag mit unterschrieb. Abtreibung war illegal, die Pille noch nicht erfunden, Sex gehörte in die Ehe.

Als der erste Playboy mit Marilyn Monroe darin erschien, war die Schauspielerin in "Blondinen bevorzugt" zu sehen. Monroe machte die Männer also im Kino verrückt, und Hugh Hefner verkaufte ihnen auf schön bedruckten Seiten ein ganz kleines bisschen von dem, was sie sich erträumten. In ihrer Rolle gesteht Monroe, dass sie durchaus Verstand habe, diesen aber nicht allzu offensiv einsetze, um den betreffenden Mann nicht zu beunruhigen. Das war damals der Hollywood-Humor in einem Genre, in dem die selbstbewussten Frauen heute bei der Brautkleidprobe in den Ausguss reihern.

Gleichzeitig machte in den 1950er-Jahren der Zwang zur Heile-Welt-Darstellung einem düsteren Realismus Platz, weswegen die "Schwarze Serie" erfolgreich wurde. Eine verklemmte Sexualmoral traf auf den starken Wunsch nach Regelverletzungen, vielleicht sogar nach Rebellion. Kernzielgruppe des Playboy waren also Männer, die sich was trauten, die sich was gönnen wollten und die zu ihren Leidenschaften und Lastern standen.

Hefner erfand eine ganze Welt für sie, in der Mann Sportwagen fuhr, Zigarre rauchte, scharf geschnittene Anzüge trug und sich intellektuell zumindest auf dem Niveau von Norman Mailer verortete. Mailers legendäre Geschichte "The Fight", über den Boxkampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman 1974 in Zaire, wurde finanziert und gedruckt vom Playboy. Die nackten Frauen gehörten einfach dazu, sie wurden nach heutigen Maßstäben der Sexualmoral zu Objekten gemacht, was die Feministinnen in den folgenden Jahren zu Recht auf die Barrikaden trieb - aber sie wurden dabei durchaus bewundert und angehimmelt.

Nachdem der erste Playboy erschienen war, dauerte es immerhin etwa zehn Jahre, bis der damals als äußerst brutal und sexistisch geltende James Bond seinen Dienst antrat, in Gestalt von Sean Connery gegen "Dr. No". Bond und Hefner hatten im eigentlichen Sinn nichts miteinander zu tun. Der eine war Engländer, der andere US-Amerikaner - mal ganz abgesehen davon, dass einer der beiden eine erfundene Figur ist. Allerdings wäre ein Bond, der im Smoking Martinis schlürft, Frauen verführt und Schurken erschießt, ohne Hefners Vorarbeit so wohl nicht darstellbar gewesen.

In den 1970er-Jahren beflügelte die sexuelle Befreiung auch den Erfolg des Playboy. Doch es gab und gibt einen großen Unterschied zwischen der selbst gewählten Nacktheit, die viele Frauen zu dieser Zeit feierten, weil sie sich nicht mehr in BHs oder züchtige Kleidchen zwängen wollten. Und einer Nacktheit, die vor allem dem Betrachter dienen soll. Allerdings gelang manchmal auch beides gleichzeitig.

Die US-Ausgabe mit der nackten Katarina Witt erzielte in den 90ern Rekordverkäufe

Die generelle Bereitschaft zur Enthemmung schwappte aus den hippiehaften 1970er-Jahren, in denen Bianca Jagger angeblich nackt auf einem Schimmel ins New Yorker "Studio 54" geritten kam, in die kokaingeschwängerten 1980er-Jahre. Überhaupt war Nacktsein für Magazine keine große Sache mehr, "Sex sells" das dazugehörige Mantra der Magazin- und Werbungsmacher. Hefner zog sich Ende der 1980er-Jahre aus dem aktiven Zeitschriftengeschäft zurück. Die US-amerikanische Gesellschaft kippte unter Ronald Reagan in Prüderie zurück, und die Sexualmoral weltweit veränderte sich, vor allem durch Aids.

Der Playboy hat seitdem als seriösestes unter den Nacktheften immerhin noch den Feldvorteil, dass sich auch Prominente für ihn auszogen. Die US-Ausgabe mit der nackten Katarina Witt erzielte in den 1990er-Jahren Rekordverkäufe. Pamela Anderson und Anna Nicole Smith schafften es vom Playboy bis auf die Leinwand.

Doch die Sexualmoral entwickelte sich eher zu Ungunsten der alten Hefner-Idee. Der Zeitgeist hat sich gedreht, und während es in den 1960er-Jahren noch etwas Rebellisches oder zumindest Freches hatte, sich mit dem Playboy zu zeigen, wirkt es heute womöglich etwas rückständig. Die ewig gleichen Posen, die gemachten Brüste und getilgten Schamhaare lassen die Darstellungen manchmal so wirken wie in einem hochglänzenden Möbelkatalog. Die Modelle werden zu etwas hochästhetisiert, was dann wieder so wirkt, als wolle es dem alten "Blondinen bevorzugt"-Credo genügen: Nur nicht zu klug oder zu selbstbewusst erscheinen, das könnte den Betrachter verunsichern. Gleichzeitig ist die größte Konkurrenz dieser Darstellung die massenhafte, kostenlose Verbreitung von harter, größtenteils sehr harter Pornografie. Ein bisschen harmloser war der Erstkontakt mit erotischen Darstellungen der früheren Männergenerationen dagegen schon. Gleichzeitig ist die Zurschaustellung von männlichem Connaisseurtum, das Zigarren, Sportwagen und Frauen als gleichwertige Hobbys betrachtet, höchstens noch ironisch möglich.

Sogar James Bond, die ewige Verkörperung des Playboy-Traums auf der Leinwand, wurde in Gestalt von Daniel Craig ernsthaft. Er hatte einen weiblichen Chef und macht sogar mit der reiferen Monica Bellucci rum (wobei das auch gleich Schlagzeilen machte). Hugh Hefner wurde bis zu seinem Tod am Mittwoch, mit 91 Jahren, weiterhin als Playboy-Gründer geführt, aber er hatte die Lücke zu James Bond geschlossen. Er lebte, gesellschaftlichen Moraldiskussionen enthoben, mit vielen Bunnys zusammen, manchmal heiratete er eines von ihnen. Er trug samtene Hausmäntel und hatte Sex mit Frauen, von denen seine Leser nur träumten. Er war zu einer Märchenfigur geworden, die sich selbst erfunden hat.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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