Tatort Wien:Ihr Streit wirkt wie ein perfekt getimtes Rededuell

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Wiener Tatort "Wehrlos": Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und ihr Kollege Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) (Foto: ARD)

Zuletzt war die Harmonie zwischen den beiden Wiener Kommissaren fast ins Operettenhafte abgeglitten. Aber Fellner und Eisner auseinanderzubringen funktioniert nicht.

TV-Kritik von Holger Gertz

Neulich lief im Nachmittagsprogramm ein alter Columbo, in dem der Kommissar den Täter anhand eines Käsestückchens überführte, in das dieser Täter gebissen hatte. Columbo, der Fuchs, kriegte sie alle, mal half ihm das Farbband in der Schreibmaschine, mal eine Wasserlache neben dem Schwimmbecken. In allen Dingen konnte damals noch Verräterisches schlummern, während im Krimi der Gegenwart der Beweis oft in einem Videoschnipsel steckt. Der Zuschauer kriegt irgendwann von den Ermittlern mitgeteilt, dass irgendwo ein Filmchen existiert, und von diesem Moment an konzentrieren sich Zuschauer wie Ermittler vor allem auf die Beschaffung dieser Datei, die dem Stück noch mal einen anderen Dreh geben kann.

In der Folge "Wehrlos" (Buch: Uli Brée; Regie: Christopher Schier) geht es um die Tötung des Leiters der Wiener Polizeischule und seiner Ehefrau, auch hier wird - allmählich wird es langweilig - nach einer Filmdatei gesucht. Major Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ruft: "Wo ist der Datenstick von Bonnie und Clyde?" Gute Frage. Natürlich sind die Wiener vom Dialog- und Sprachniveau her eine Klasse für sich. Eine Spelunke, die "Villa Romanticka" heißt, trägt gleich viel mehr Verschlagenheit im Namen als ein Laden, bei dem ganz normal "Romantica" über der Tür steht. Andererseits ist diese Art der geschliffenen Sprache Teil des Problems. "Ich glaub', ich kann so trocken sein wie die Sahelzone, und du hältst mir immer noch vor, dass ich sauf'", schreit Bibi Fellner(Adele Neuhauser), sie streitet sich mit dem Herzenskollegen Eisner, aber auch wenn sie streiten, klingt es so, als träten sie in ein perfekt getimtes Rededuell ein, an dessen Ende sie sich eh wieder versöhnen.

Die Entfremdung ist nur eine behauptete Entfremdung

Zuletzt war die Harmonie zwischen den beiden fast ins Operettenhafte abgeglitten, da ist es keine schlechte Idee, sie wieder etwas auseinanderzubringen. Eisner hat eine neue Frau in der Wohnung, Fellner wirkt innerlich sehr angenagt, es fallen leere Schnapsflaschen klackernd aus dem Handschuhfach. Andererseits ist permanent klar: Die Entfremdung ist nur eine behauptete Entfremdung, das Ermittlerpaar hat ja noch ein paar Jahre vor sich. Und, die zwei sind zu oft zusammen in Talkshows aufgetreten oder haben im Sportfreunde-Stiller-Video gesungen, von der Liebe natürlich.

"Wehrlos" ist ein solider Krimi, eher alte Schule, ein Polizistendrama, und es wird immer tragischer. Aber Eisner und Fellner waren griffiger in ihren Anfangsfolgen, als sie noch auf der Suche waren. Längst haben sie sich gefunden, längst sind sie eine Marke. Und die Emotionalität einer Marke wirkt immer kalkuliert.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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