"Tatort" Wien:Aus den Hemdsärmeln tropft das Blut

Lesezeit: 3 min

So sieht ein waschechter Wiener Gangster aus: Zuhälter Andy Mittermeier (Michael Fuith) wird von Kommissarin Fellner befragt (Adele Neuhauser). Rechts: Mittermeiers Handlangerin, erkennbar am bösen Blick. (Foto: ARD Degeto/ORF)

Ein Wiener "Tatort" - brutal wie ein Tarantino-Film. Selbst ein unschuldiges Hündchen muss dran glauben. Die Nachlese mit ausgewählten Zuschauerkommentaren.

Kolumne von Johanna Bruckner

Darum geht es:

Um die "Kunst des Krieges" - und vielleicht auch darum, dass Drehbuchschreiber und Regisseur Thomas Roth ein bisschen Tarantino spielen wollte im Wiener Tatort. Deshalb stirbt gleich zu Beginn der Besitzer der türkischen Kneipe "Ali Baba" auf bestialische Art und Weise. Ganz klar, da muss die Mafia dahinterstecken, welche auch immer. In der Episode treten türkische, tschetschenische und ein sehr österreichischer Gangster auf. Letzterer trägt die Insignien eines Kriminellen in der Tradition der k.-u.-k.-Monarchie: Pelzmantel, Pornobalken und den Namen Andy Mittermeier. Ach ja, eine asiatische Kampfbraut gibt es auch noch, komplett mit gewaltigem Karate-Kick.

Ganz schön kompliziert das alles, weshalb die Ermittler das tun, was Menschen machen, die mit dem Weltgeschehen überfordert sind: Sie ziehen sich ins Private zurück. Bibi Fellner nimmt eine Zwangsprostituierte bei sich auf, die irgendwie in den Fall verwickelt ist, und Moritz Eisner adoptiert unfreiwillig einen Hund. Der bekommt beim Autofahren sogar den Bauch gekrault vom Berufs-Grantler Eisner - und man ahnt: Der bemitleidenswerte Percy wird wohl dran glauben müssen, der emotionalen Fallhöhe wegen.

Hier lesen Sie die Rezension von SZ- Tatort-Kritikerin Katharina Riehl:

"Tatort Wien"
:Der zersägte Zuhälter

Ein Bordellbesitzer zwingt Flüchtlinge zur Prostitution und seine Hände werden mit einem elektrischen Messer abgesäbelt. Ein etwas klebriger "Tatort" aus Wien.

TV-Kritik von Katharina Riehl

Bezeichnender Dialog:

Die Kommissare ordnen im Bordell von Andy Mittermeier eine Razzia an. Doch der Zuhälter ist bestens vorbereitet auf die Polizeiaktion. Frustriert besprechen sich Fellner und Eisner im Hof.

Eisner: Der hat gwusst, dass wir kommen!

Fellner: Wir ham des früher au oft erlebt.

Eisner: Woas?

Fellner: Na ja, dass mer ermitteln gegen ein Bordell oder einen von den Schtrizis und dass dann so gut wie nix dabei rauskommt und dass die Mädels alle Papiere ham und so.

Eisner: Kommt dir des net spanisch vor?

Fellner: Ja, woas glaubst du, Moritz? Dass Polizisten net gern schnackseln? Oder Sektionsleiter?

Eisner: Doa drin?

Fellner: Was hast du erwartet?

Eisner: Was i erwartet hab'? Dass mer ... dass mer irgendwelche illegalen Frauen finden, die zur Prostitution gezwungen werden - oder sonst irgendwas, was zu unserem Fall gehört! Aber doch nicht, dass unsere eigenen Leut' zu den besten Kunden am Gürtel gehör'n!

Die besten Zuschauerkommentare:

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Top:

Dass die liebevoll gezeichneten Episodenfiguren der Wiener Tatorte nur maximal 90 Minuten überleben, muss aus Sicht der überwiegenden Krimi-Konkurrenz wie Dekadenz wirken. In anderen Städten wäre man froh um einen einzigen guten Sidekick. Dass sich mancher Charakter dieser Folge hart an der Grenze zur Comichaftigkeit bewegt - geschenkt. Die Kollegin Vopelka beispielsweise, vom Dezernat für organisierte Kriminalität, würde sich wunderbar als Internatsleiterin in einer Hanni-und-Nanni-Verfilmung machen. Oder als Domina mit Spezialisierung auf Lehrerinnen-Fetisch.

Apropos Milieu: Auch der Zuhälter Mittermeier ist in seiner ganzen klischeehaften Verdorbenheit ein Gesamtkunstwerk. Wenn er in seinem Rooftop-Pool Bahnen zieht, klassische Musik läuft und am Beckenrand dekorativ halbnackte Frauen herumliegen. Auf seinen Fingern hat er "Die Kunst des Krieges" tätowiert - den Titel eines chinesischen Strategieklassikers, der bei ihm zum Selbsthilfebuch für den Wiener Möchtegern-Paten wird.

Flop:

Dass Zuhälter Mittermeier keinen Posterboy für Muskelstimulanzien losschickt, um eine unerwünschte Zeugin zu beseitigen, sondern eine Asiatin mit 45 Kilo - nette Idee. Aber bei aller Liebe zu Tarantino und toughen Frauen mit großen Western-Wummen: Diese Ninja-Braut hätte es nicht gebraucht.

Beste Szene:

Die Sonne kommt kaum an den grauen Betonklötzen des Wiener Plattenbaus vorbei, die kahlen Äste der Trauerweide wehen im Wind. Gleich die erste Einstellung dieses Tatorts ist ein Lehrstück in Sachen Symbolik. Hier sind Trostlosigkeit und Verzweiflung zu Hause - und Schlimmeres. Das erwartet die schwerbewaffneten Polizisten in einer der Wohnungen hinter einem halbtransparenten Raumtrenner. Als die Beamten den Vorhang beiseiteziehen, die Maschinenpistolen im Anschlag, offenbart sich ein grausiges Stillleben: Ein Mann hängt mit dem Kopf voran in einer Schublade des Wohnzimmer-Sideboards. Beide Hände wurden ihm abgehackt, aus den Hemdsärmeln tropft das Blut. Das Folterwerkzeug liegt noch auf dem Teppich: ein elektrisches Tranchiermesser.

Bester Auftritt:

Polizeichefs sind in Tatorten ja nicht selten Karrieristen, denen es hauptsächlich darum geht, der Politik zu gefallen. Nicht so "Ernstl" Rauter (Hubert Kramar), Vorgesetzter von Bibi Fellner und Moritz Eisner. Der steht zwar oft nutzlos rum - aber wenn es drauf ankommt, ist Ernstl so was von da für seine Beamten. Organisiert ganz ohne Sekretärin eine Telefonkonferenz mit seinen beiden Kommissaren und lotst sie durchs Wiener Stadtgebiet. Und wenn dann die Verbindung abbricht, weil Eisner im Aufzug steht und Fellner in der Tiefgarage, dann möchte sich Ernstl zumindest gedanklich die gegelte Beamtenfrisur raufen. Tut er aber nicht, schließlich ist er die Eminenz im grauen Anzug (okay, er ist marineblau), die Stimme der Vernunft, die nach der finalen Gewalteskalation die einzige Frage stellt, die noch zu stellen ist: "Wie blöd muss man eigentlich sein?"

Die Erkenntnis:

Überlassen wir Eisner und Ernstl:

Eisner: Es geht immer nur um Macht und um Geld.

Ernstl: Der eine kann den Hals net voll kriegen und der andere hat zum Sterben zu wenig.

Eisner: So isses.

Schlusspointe:

Klappe zu, Hund tot? Ja, schon. Aber Moritz Eisner hat mit Kollegin und Tochter zwei Frauen in seinem Leben, die sich um sein seelisches Wohlbefinden sorgen und ihm prompt einen neuen Percy ins Körbchen legen. Ja, ernsthaft. Eisner guckt dann auch so begeistert wie ein Kind, das das fünfte Meerschweinchen geschenkt bekommt.

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