Satirebeitrag der "Daily Show":Echter als echt

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"Investigating Investigative Journalism": Comedy-Central Video mit Schauspieler Jeff Daniels als Nachrichtensprecher, der "Daily Show"-Außenreporter John Oliver und der Journalist Kaj Larsen (v.l.) (Foto: Screenshot von thedailyshow.com)

CNN hat seine Abteilung für investigative Recherche im Ausland abgeschafft. Das war im vorigen März. Monate später empören sich plötzlich die Leute in den sozialen Netzwerken darüber - dank eines Filmchens aus den Satirenachrichten der "Daily Show".

Von Peter Richter

Von den beiden Männern, die Abend für Abend in ihren Satiresendungen auf dem Comedy Canal die Nachrichten des Tages zerpflügen und das, was die amerikanischen Nachrichtensender daraus gemacht haben, mag Stephen Colbert mit seinem Colbert Report der präzisere, fiesere und insgesamt lustigere sein. Sein Kollege Jon Stewart, ein Mann aus dem volkstümlichen New Jersey, der gerne Dinge brüllt, die mit einem Fiepen überblendet werden müssen, und der oft Grimassen schneidet, bei denen sich Mund und Augen zu großen Kringeln der Fassungslosigkeit formen, dieser Jon Stewart schafft dafür mit seiner Daily Show häufiger selbst Nachrichten.

Im Moment wird ein Einspielfilmchen aus seiner Sendung vom Montag durch die sozialen Netzwerke des Internets gejagt, wo er weltweit eine Bugwelle der Entrüstung über den Zustand Amerikas im allgemeinen und den seines Fernsehens im besonderen nach sich zieht.

Trottel und Bösewicht zugleich

Der englische Außenreporter John Oliver spielt darin einen investigativen Reporter, der investigativen Reportern nachspürt. Gerade in Zeiten wie diesen bräuchten die Amerikaner Leute, die ihnen kompetent erklären, was draußen in der Welt so vorgeht, erklärt er. Leute wie den CNN-Krisengebietsprofi Kaj Larsen. Er sei nicht mehr bei CNN, sagt dann Larsen. CNN habe seine Investigativ-Abteilung aufgelöst. Dann ist es an John Oliver, mit runden Augen Dinge auszurufen, die im amerikanischen Fernsehen mit einem Piepen überblendet werden müssen. Anschließend wird der Medienexperte Brad Adgate interviewt, der zwar nur der Bote der schlechten Nachricht war, dass solche Abteilungen, weil sie kostenintensiv seien und nicht zu den "Profit-Centern" eines Senders gehörten, heute generell häufig abgeschafft würden - aber mit seinem ökonomistischen Schulterzucken war er zugleich der Trottel und der Bösewicht des Beitrags.

Dass ausgerechnet CNN seine Abteilung für investigative Recherchen im Ausland abschafft, ist natürlich eine Nachricht. Aber es ist womöglich nicht die eigentliche Pointe an der Sache. Jedenfalls ist es nicht die einzige.

Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass John Oliver im allerbritischsten BBC-Englisch CNN als den führenden Nachrichtensender der Welt bezeichnet. Da wäre die Erkenntnis, dass das Internet manchmal sozusagen auch das Mecklenburg unter den Medien sein kann - in dem Sinne, in dem Bismarck nach Mecklenburg fliehen wollte, wenn in Deutschland eine Revolution ausbricht, weil die in Mecklenburg erst hundert Jahre später ankomme. Wenn ein Fernsehsender nämlich seine Investigativ-Abteilung auflöst, was CNN schon vergangenen März getan hat, kommt das im Internet erst ein knappes Jahr später an, führt dann aber zu umso größerer Erregung. Allerdings auch erst dann, wenn ein anderer Sender aus dem Umstand einen lustigen Dreiminüter gemacht und diesen nach der Ausstrahlung kostenlos ins Netz gestellt hat. Sich über Sparprozesse innerhalb von Medien zu erregen, die man selbst gar nicht mehr nutzt oder überhaupt wahrnimmt, hat zumindest etwas Bemerkenswertes.

Normal ist nicht gleich erfreulich

Es kommt dazu, dass es tatsächlich noch nicht einmal etwas Besonderes ist. Was Sender einst selbst gemacht haben, wird ausgelagert und anschließend bei Bedarf von freien Anbietern eingekauft: Das ist eigentlich seit vielen Jahren auf allen möglichen Ebenen Praxis, bis tief in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland hinein. Es werden vielleicht nur nicht genügend lustige Einspielfilmchen darüber gemacht. Denn, dass das etwas sehr Normales ist, heißt noch lange nicht, dass es auch etwas Erfreuliches ist. Es heißt nur, dass man sich hier sparen kann, mit dem Finger auf die USA zu zeigen.

Dass dort CNN Gegenstand von Comedy Central ist, das ist eigentlich das viel signifikantere Phänomen: Die Satiresendungen von Stewart oder Colbert sind für verblüffend viele Leute inzwischen die Primärquellen zur Tagesaktualität, das heißt: zu dem Geschehen, über das die Sender berichtet haben, an denen sich in diesen Sendungen gütlich getan wird - was auch daran liegt, dass Nachrichtensender wie Fox-News und manchmal tatsächlich auch das gute alte CNN noch wesentlich mehr wie Satire auf einen Nachrichtensender wirken als die Nachrichtensendersatiren in den Satirenachrichten.

© SZ vom 18.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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