Zur Institution Bundespresseball gehört die Institution Almanach. Für 2500 Euro je Seite können Unternehmen in dem Heftchen werben und so die von den in der Bundespressekonferenz (BPK) zusammengeschlossenen Hauptstadtjournalisten veranstaltete Sause mitfinanzieren. Zwischen den Anzeigen bleibt Platz für einen "satirischen Jahresrückblick", wie es in einer Selbstdarstellung des Events heißt, mit "zielsicheren Pointen aus den Federn des deutschen Spitzen-Journalismus".
Nach dem diesjährigen, 65. Presseball am Freitag im Berliner Hotel Adlon machte der Schriftsteller und Journalist Maximilian Steinbeis am frühen Samstagmorgen bei Facebook auf eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufmerksam. Er zitierte aus einer Almanach-Fake-Anzeige der fiktiven "Bundesbade-Agentur", die "Schwimmkurse für Flüchtlinge" anbietet, darunter ein "Vorschul-Flüchtlingsschwimmen (ab 3 Jahre)". Zu den Übungen gehörten "Festhalten an Treibgut, Tauchen bei hohem Wellengang, Springen vom Schlauchbootrand und Atemtechniken bei Nacht und Kälte": "Ihr habt sie nicht mehr alle, oder?", empörte sich Steinbeis.
Diese Einschätzung wurde - gewählter formuliert - von vielen Kollegen geteilt, die den Beitrag im persönlichen Gespräch mit Redaktions- und Vorstandsmitgliedern sowie per Twitter oder Mail scharf kritisierten. Nur vereinzelt wurde er verteidigt, etwa von Podcaster Tilo Jung (Jung & Naiv): "Satire ist Geschmackssache."
Die angemahnte Distanzierung bleibt aus
Eine Gruppe von zehn ARD-Korrespondenten schrieb am Mittwoch einen Brief an den BPK-Vorsitzenden Gregor Mayntz, in dem sie den Vorstand aufforderten, "sich von Form und Inhalt dieser Veröffentlichung unmissverständlich zu distanzieren". Der Beitrag sei "angesichts Tausender toter Flüchtlinge im Mittelmeer herzlos, grausam und furchtbar geschmacklos": "Mit Satire hat das nichts zu tun."
Die angemahnte Distanzierung aber blieb aus. Schließlich war der Vorstand im Bilde: "In einer redaktionellen Endabstimmung haben Herausgeber und Redaktion mit Mehrheit entschieden, dass dieser Beitrag die Grenzen der Satire zwar austestet, aber nicht überdehnt", heißt es in einem Statement von Mittwochnachmittag. Der Vorstand bittet zwar um Entschuldigung dafür, "dass mit diesem Beitrag Gefühle und Wertvorstellungen verletzt worden sind"; erklärt die Absicht der Autoren, "in überspitzender Form auf die Katastrophe von Toten im Mittelmeer aufmerksam zu machen und zur Diskussion über das Schleusertum anzuregen", aber nicht für gescheitert.
Das Schreiben endet mit der luftigen Ankündigung, der BPK-Vorstand werde sich 2017 "intensiv mit der Zukunft des Almanach beschäftigen".