Piraten und Urheber im Dialog:"Dieses Werk ist mein Baby"

Ist der Pirat der natürliche Feind eines jeden Urhebers? Um diesem Eindruck entgegenzutreten, hat die Piratenpartei eine Dialogreihe mit Autoren, Musikern und Künstlern begonnen. Dabei kommen sich die Kontrahenten durchaus näher - doch die härteste Konfliktlinie bleibt.

Hannah Beitzer, Berlin

Irgendwann reicht es dem Fotografen. "Ich habe ein Problem damit, dass die Piratenpartei verfügen will, dass alle Leute meine Fotos beliebig per Filesharing verteilen können", ruft Guido Karp, der eigentlich in Los Angeles lebt und mit Fotos von Bands wie AC/DC sein Geld verdient.

Piraten und Urheber, das wird beim runden Tisch zum Thema Urheberrecht klar, trennt so einiges.

Die Veranstaltung ist der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Dialogen, die die Piraten mit Autoren, Künstlern und Musikern führen wollen. Die Partei hat dazu ins Ritter Butzke geladen, einen Szeneklub im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Den Anfang machen nun Autoren und Journalisten. Auch mit der Gema hatte es eine Veranstaltung gegeben, die jedoch auf Wunsch des Verwerters hinter verschlossenen Türen stattfand und deren Inhalte erst nachträglich ins Netz gestellt wurden.

Im Ritter Butzke sitzen nun ganz unterschiedliche Menschen um die mit Krümeln übersäten Tische in der Kantine: Freie Journalisten, ein Fantasy-Autor, ein Herr vom Kulturrat, Vertreter kleinerer Verlage, eine Dame vom Börsenverein. Und Guido Karp, jener Fotograf, der sich rasch als härtester Kritiker der Piraten herausstellt.

Die Partei ist in Mannschaftsstärke angetreten. Da ist zum Beispiel Bruno Kramm, der Organisator der runden Tische: kräftig, quietschrot gefärbte lange Haare, Hut. Oder die Netzaktivistin Anke Domscheidt-Berg, die erst vor kurzem von den Grünen zu den Piraten kam. Oder Daniel Neumann, der das Thema federführend in der Partei betreut.

Geistiges Eigentum als Kampfbegriff

Und natürlich ist auch Julia Schramm dabei, die sich selbst als "Hybridwesen" vorstellt. Denn sie ist beides, Piratin und Autorin. Sie hat viel Kritik einstecken müssen. Einerseits will sie wie ihre Partei das Urheberrecht liberalisieren. So sollen zum Beispiel Privatpersonen unendlich viele digitale Kopien von einem Werk anfertigen und mit anderen tauschen dürfen. Anderseits hat sie selbst ein Buch geschrieben und dafür einen dicken Vorschuss kassiert. 100.000 Euro sollen es sein.

Für viele passt das nicht zusammen: Wie kann jemand, der so enorm vom Urheberrecht profitiert, gleichzeitig den Begriff des geistigen Eigentums ablehnen?

"Geistiges Eigentum", für die Piraten ist das ein Kampfbegriff, der viel zu sehr danach klingt, als sei ein künstlerisches Werk ein Ding, dass man wegsperren kann und muss. Auch das Wort "Raubkopie" ist ihnen verhasst. Wenn jemand etwas kopiert, so argumentieren sie, dann sei es ja nicht "geraubt", nicht einmal geklaut, sondern nur vervielfältigt. "Die Idee, dass das Diebstahl ist, finde ich bei einer unendlichen Ressource seltsam", sagt Schramm.

Doch sind Begrifflichkeiten wirklich so wichtig? "Es ist doch irrelevant, wie man das nennt", findet der Fantasy-Autor Thomas Elbel, "geistiges Eigentum, Raubkopie - natürlich sind das nur Metaphern. Dahinter aber steht das Gefühl eines Urhebers: Dieses Werk ist mein Baby, mein Kind. Deswegen reagieren wir Schriftsteller so emotional, wenn uns jemand sagt: Geistiges Eigentum gibt es ja gar nicht."

Raubkopieren so schlimm wie Schwarzfahren?

Den Autoren geht es um eine ganz andere Frage: Wie kann man in der digitalen Welt die Verfügungsmacht über das eigene Werk behalten? Die Forderung der Piraten nach einem Recht auf unendlich viele Privatkopien verträgt sich schlecht mit der Forderung der Autoren, dass sie selbst bestimmen wollen, wer wann und wo ihr "Baby" nutzt und vervielfältigt.

Das Thema, so viel wird im Ritter Butzke klar, ist reichlich komplex für eine vierstündige Diskussionsrunde. Die Teilnehmer mühen sich an ihm ab wie an einem verhedderten Knäuel, immer wieder tauchen neue Aspekte auf. Wie können Autoren mit ihrer Arbeit Geld verdienen? Sind Menschen überhaupt noch bereit, für Kunst und Kultur Geld zu bezahlen?

Wer ist dafür verantwortlich, dass neue Geschäftsmodelle entstehen? Der Künstler selbst oder doch wieder Verlage, Gema und Co.? Verdient Lady Gaga trotz oder gerade wegen des digitalen Wandels Millionen? Und wie viel verdient sie eigentlich? Müsste man nicht die Macht von Google und Facebook brechen? Und ist nicht eigentlich sowieso der Kapitalismus, der den Profit so sehr in den Vordergrund stellt, an allem schuld?

Einigkeit nur in einem Punkt

Einig sich alle allein in dem Punkt, dass niemand den 14-jährigen Raubkopierer dafür mit hohen Strafen belegen will, dass er sich im Internet Musik herunterlädt. Hier gibt sich sogar der kritische Fotograf versöhnlich. "Wenn mich der Betreiber einer privaten Fanseite fragt, ob er ein AC/DC-Foto von mir für seine Webseite benutzen darf, dann sag ich ja", erzählt Karp weiter, "aber ich will eben gefragt werden." Wenn er zum Beispiel Teenager, die seine Fotos in ihren Facebook-Account posten, auf seine Rechte hinweise, dann kriege er "rotzige Antworten".

Doch wie umgehen mit derartigen Fällen? "Wie wäre es, wenn jeder, ganz egal welches Alter, der das Foto einfach so nimmt ohne zu fragen, einen Zwanziger an eine karitative Einrichtung zahlt?", schlägt Karp vor. Eine Strafe, die ähnlich hoch ist wie die für Schwarzfahren in der U-Bahn. Auch die Schaffung eines "Ehrenkodexes" kann er sich vorstellen, zum Beispiel in Form eines Aufrufs der Piraten: Kopiert keine Werke, ohne die Künstler zu fragen! So ganz gefällt das den Piraten auch nicht, aber sie nicken immerhin höflich.

"Das Schwarzfahrermodell finde ich nicht gut, weil es ein Sanktionsmechanismus ist", sagt zum Beispiel Julia Schramm nach der Veranstaltung. "Ich bin da hin und her gerissen. Als Autorin habe ich den idealistischen Anspruch, dass jeder meine Sachen bedingungslos lesen darf. Als Politikerin weiß ich aber, dass man auch Kompromisse machen muss." Und es sei immerhin besser, wenn man "statt 2000 Euro einen Zwanni zahlen muss."

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