"Nemesis" in der ARD:Im einsamen Haus

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Vergangene Liebe: Susanne Lothar und Ulrich Mühe als Claire und Robert. (Foto: HR/limago filmproduktion)

Die ARD zeigt mit "Nemesis" den letzten gemeinsamen Film der beiden viel zu früh verstorbenen Schauspieler Susanne Lothar und Ulrich Mühe. Das Beziehungsdrama mit Krimielementen löst nicht nur Beklemmungen aus, sondern quält beim Zusehen.

Von Christine Dössel

Es schmerzt, diesen Film zu sehen. Schon die Geschichte selbst ist unerquicklich, die Selbstzerfleischung eines Ehepaars, das Ende einer Liebe. Dass dieses Paar von Susanne Lothar und Ulrich Mühe gespielt wird, diesen beiden viel zu früh verstorbenen Ausnahmeschauspielern, die im Leben tatsächlich ein Ehepaar waren, macht die Sache richtig verstörend.

Diesen beiden so quälend intensiv wieder zu begegnen, in ihrem letzten gemeinsamen Film, in sehr intimen Szenen, ist fast ein bisschen gruselig. Wie nah einem Ulrich Mühe hier kommt. Die Kamera erforscht sein schönes, ausdrucksstarkes Gesicht. Und Susanne Lothar, diese zarte Schmerzensfrau. Immer wieder ihr Gesicht in Großaufnahme: blass, leer, ungeheuer verletzt und verloren. Wenn ihre Claire im Badezimmer heimlich Tabletten einschmeißt und diese mit einem Schluck aus dem Flachmann runterspült, sich vor dem Spiegel ein gesellschaftsfähiges Lächeln aufzwingend, ist das ein Schock.

Das künstlerische Vermächtnis des Schauspielerpaars

Nemesis heißt das bereits 2006 gedrehte Beziehungsdrama mit Krimielementen, das nun so etwas wie das künstlerische Vermächtnis des Schauspielerpaares Lothar-Mühe ist. Es ist das Spielfilmdebüt der Drehbuchautorin Nicole Mosleh, Jahrgang 1970. Die junge Regisseurin hatte das unverhoffte Glück, dass Ulrich Mühe, den sie beim Schreiben von Anfang an vor Augen hatte, tatsächlich auf das Drehbuch ansprang (sie hatte es ihm an die Pforte des Deutschen Theaters Berlin legen lassen).

Dass dann die Finanzierung zusammenbrach und die Drehzeit auf 12 bis 13 Tage beschränkt werden musste, war schlimm, brachte aber Susanne Lothar mit ins Boot. Mühe schlug sie vor, weil er unter diesen Bedingungen mit einer Partnerin drehen wollte, mit der er nicht erst eine Vertrautheit herstellen musste. Der Regisseurin bereitete das "Muffensausen", sagt sie, hatte sie doch die Befürchtung, "dass die beiden Stars sich selber inszenieren und ich als Anfängerin gar nicht dazwischenkomme".

Das war aber nicht der Fall, auch wenn das kammerspielartige Drama fast ausschließlich von seinen starken Protagonisten lebt und, durchaus unter Vernachlässigung dramaturgischer Gebote, ganz auf sie zugeschnitten ist.

Mühes Tod verhinderte den Kinostart

Es war der Tod, der dem Films dann einen Strich durch die Rechnung machte. 2007 erlag Ulrich Mühe seiner Krebserkrankung, kurz nach dem Oscar für Das Leben der Anderen. In der Folgezeit verhinderte Susanne Lothar mittels Anwälten den Kinostart. "Nicht, dass sie den Film nicht mochte", sagt Nicole Mosleh, "aber sie hatte nach Ulis Tod eine extrem schwierige Zeit und war sehr ambivalent."

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Er hatte nie etwas anderes werden wollen als Schauspieler. Es dauerte nur eine Zeit, bis er begriff, was das in der kleinen DDR bedeutete.

Marcus Jauer

Wenn man den Film sieht, wenn man sieht, wie radikal sich Susanne Lothar darin dem Abgrund der Liebe ausliefert und ihre Seele blank legt, ahnt man, warum sie einige Szenen lieber ausradiert hätte. Aber als Nemesis 2010 bei den Hofer Filmtagen erstmals gezeigt wurde, war sie dabei. Ins Kino kam der Film trotzdem erst im November 2012, da war Susanne Lothar schon drei Monate tot, völlig unerwartet gestorben mit nur 51 Jahren.

Kein Psychohorror-Format, aber dennoch beklemmend

Das alles denkt man tragisch mit, wenn sich Lothar und Mühe als Ehepaar Claire und Robert bei sehr viel Rotwein im Psychoclinch verzehren. Sie stehen kurz vor der Trennung, haben sich in ihr einsames Haus in Italien zurückgezogen, das sie verkaufen wollen und werden dort - in grisselig gefilmten, manchmal etwas verwirrenden Schwarz-weiß-Rückblenden - immer wieder von der Vergangenheit eingeholt. Claires Schwester (Janina Sachau) ist in dem Haus ermordet worden.

Robert hatte was mit ihr. Hat er sie erschlagen? Oder was ist das Geheimnis seiner flackernden Blicke, seiner unruhigen Nächte, des von ihm entsorgten Müllbeutels? Der Film hat deutliche Schwächen und bei Weitem nicht das Psychohorror-Format von Michael Hanekes Funny Games (auch mit Lothar/Mühe als Paar). Beklemmend ist er trotzdem - und für das Erste offenbar so unzumutbar, dass er erst nach Mitternacht ausgestrahlt wird.

Nemesis , ARD, Nacht von Sonntag zu Montag, 0.20 Uhr.

© SZ vom 21.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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