Maischberger:Fühlen Sie sich mit "Rapperin" angesprochen, Bushido?

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Sandra Maischberger (Mitte) diskutierte u.a. mit Bushido, Annabelle Mandeng, Peter Hahne, Florian Schröder und Teresa Bücker. (Foto: WDR/Max Kohr)

Sandra Maischberger lässt über politisch korrekte Sprache diskutieren. Mit Peter Hahne und Bushido. Das konnte nicht gutgehen.

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Eines wird man ja wohl noch sagen dürfen. Nämlich, dass Fernsehtalkshows meist kein Ort für intellektuelle Debatten sind. Auch dann nicht, wenn niemand von der AfD dabei ist. Am Ende, nach einer Stunde und fünfzehn Minuten Gespräch über die sogenannte "politische Korrektheit", bedankt sich Sandra Maischberger wie eine erleichterte Klassenlehrerin dafür, dass alle so schön "differenziert diskutiert" hätten. Aber da ist man schon zu mürbe und zu matschig im Kopf, um auch noch über dieses Eingeständnis allerniedrigster Erwartungen zu verzweifeln.

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Der späte Mittwochabend mit Sandra Maischberger ist ein Gespräch über die Frage, wie Sprache die Gesellschaft beeinflusst. Und er ist ein Musterbeispiel für das, was falsch läuft, wenn Menschen in deutschen Talkshows diskutieren sollen: Es werden die teils falschen, weil zu extremen oder unreflektierten Gäste eingeladen. Um die aber intellektuell einzuhegen, fehlt die Zeit.

Was ist passiert? Zuerst einmal hatte es jemand für eine gute Idee gehalten, Peter Hahne einzuladen. Schon klar: Man braucht jemanden, der die politische Korrektheit kritisch sieht. Das tut Hahne.

Peter Hahne möchte nämlich wenig mehr, als dass alles so bleibt, wie es irgendwann einmal war. Er möchte zum Beispiel unbedingt weiter "Zigeunerschnitzel" sagen. So sehr möchte Peter Hahne "Zigeunerschnitzel" sagen dürfen, dass er ein ganzes Buch darüber geschrieben hat. Und überhaupt: Eine "Zigeunerin" habe ihm nach Veröffentlichung dieses Buchs gesagt, dass sie gar kein Problem damit habe, so genannt zu werden.

Und irgendwo in Deutschland gäbe es diesen einen schwarzen Koch, der sein Restaurant "Zum Mohren" genannt habe. So hebelt Hahne die Kritik von Millionen aus: mit Einzelfällen. Und mit dem Hinweis, dass so ein Schnitzel doch "etwas Positives" sei und ein Mohrenkopf auch. Wozu also die ganze Aufregung?

Es sind die Herablassungen des etablierten, älteren Mannes, den die Welt langsam anfängt zu ärgern, weil sie ihn nicht mehr als Maßstab aller Dinge anerkennt.

Neben Leuten wie Hahne braucht es dann Gäste, die Argumente mitbringen. Die Journalistin und Feministin Teresa Bücker zum Beispiel. Sie scheint neben dem Kabarettisten Florian Schroeder als Einzige ernsthaft interessiert am Thema zu sein. So wie also in Deutschland niemand explizit Hahne verbietet, "Zigeunerschnitzel" zu sagen, macht das auch Bücker nicht. Nur will Hahne das nicht hören.

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Peter Hahne möchte! Nicht! Rassist! Genannt! Werden! Nur weil er gern mal ein "Zigeunerschnitzel" bestellt. Dass aber Sprache rassistisch sein kann, auch ohne, dass der, der sie benutzt durch und durch Rassist ist, so weit will Peter Hahne nicht differenzieren.

Er möchte empört sein und anprangern und - immer wieder - möchte "Zigeunerschnitzel" sagen dürfen. So sehr, dass selbst Bushido - der andere Gast, der besser zu Hause geblieben wäre - ihn eine Stunde später anfährt mit einem Satz, der ungefähr bedeutet: Hör endlich auf, mich mit deinem Zigeunerschnitzel zu nerven!

Überhaupt, Bushido. Auch klar, warum er zu dieser Diskussion geladen ist. Sein Portfolio klingt, als hätte er etwas zu sagen. Er ist prominent, ein Rapper mit sexistischen und homophoben Texten im Repertoire. Genau wie Kollegah und Farid Bang, die mit ihren antisemitischen Texten gerade den Musikpreis Echo abgeschafft haben. Was mag so einer von politischer Korrektheit halten?

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Überraschung: Bushido findet, dass es Grenzen geben muss, zum Beispiel bei dem rassistischen Wort "Neger". Aber Bushido sagt das wie ein Schüler, der sich kurz zusammenreißt und sagt, was die Lehrer hören wollen. Und zwar nicht, weil er eigentlich etwas ganz anderes denkt. Sondern weil er gar nichts so richtig denkt.

Ob seine beiden Rapper-Kollegen Antisemiten seien, so wie es ihre Texte nahelegen? "Das kann ich nicht sagen", sagt Bushido. "Weil ich die beiden persönlich nicht so gut kenne." Aber Bushido versteht auch nicht, wo in seiner Zeile "Armes Deutschland, ich ficke deine Huren" Frauen diskriminiert würden.

Für einen, der in dieser Sendung etwa zwölf Mal darauf pocht, dass seine Musik, seine Texte Kunst seien, scheint Bushido die Frage nach der Macht der Sprache erstaunlich egal zu sein. Bushido streckt sich, er zupft seine Jogginghose zurecht, schließt genervt die Augen. Bushido sieht aus, als müsste er nachsitzen. Dabei könnte er doch so schön Millionen scheffeln.

Besonders schlimm findet Bushido die Live-Schalte zu Marlies Krämer, der 80-Jährigen, die schon mehrfach für geschlechtergerechte Sprache vor die höchsten deutschen Gerichte gezogen ist. Ihretwegen werden Tiefdruckgebiete nicht mehr nur nach Frauen benannt, steht auf dem Ausweisantrag auch "Inhaberin". Im März ist sie mit ihrer Klage gegen die Sparkassen gescheitert, die sie nur mit "Kunde" anschreiben und nicht mit "Kundin". Das schließe Frauen sprachlich aus der Gesellschaft aus, sagt Krämer.

Und Bushido? "Die Frau hat zu viel Langeweile", sagt er, "es gibt doch Wichtigeres." Ob Bushido sich denn mit der Anrede "Rapperin" mitgemeint fühlen würde? "Nein." Warum nicht? "Weil das Quatsch ist." Wer dachte noch mal, dass sich mit Bushido gut über Sprache debattieren ließe?

Spätestens hier macht es sich wieder breit, dieses unangenehme Gefühl zwischen Reizüberflutung und intellektueller Verzweiflung, ohne das eine politische Talkshow kaum anzuschauen ist.

Nie bleibt Zeit und Kraft, Leute wie Hahne oder Bushido auf ihre Widersprüche festzunageln. Dafür sind selbst vier Gäste zu viele und 75 Minuten zu kurz. Von den Lauten weiß niemand so richtig Bescheid, sie unterbrechen einander aber ständig. Und die Leisen, die es wert wären, gehört zu werden, die verstummen nach und nach.

Ist das nun einfach schlechtes Diskussionsfernsehen - oder das realistische Abbild des relativ uninformierten Großteils der Bevölkerung? Sollen Talkshows Erkenntnis bringen oder den Mangel an Erkenntnis in der Gesellschaft vor Augen führen?

Wieso überträgt eigentlich niemand diese schönen, ruhigen Radiorunden aus dem Deutschlandradio oder dem SWR2 ins Fernsehen? Die, in denen sich Professoren und Professorinnen ihre Forschungserkenntnisse zur Frage des Tages erklären. Sie streiten nicht, sondern haben nur, so wie es Eltern zu ihren Kindern sagen, eine Meinungsverschiedenheit. Danach könnte man auch viel besser einschlafen.

Differenziertheit wird nicht belohnt. Weil es immer jemanden gibt, der sie wieder auf eine klare Pro-Contra-Positionierung zurücktreiben will. Teresa Bücker etwa stimmt plötzlich mit Bushido darin überein, dass Jugendliche durchaus zwischen frauenverachtenden Rap-Texten und Wirklichkeit unterscheiden könnten. Hier könnte das Gespräch endlich interessant werden. Aber Peter Hahne sonort schockiert dazwischen: "Dass der Feminismus, der hier sitzt, sich über solche Texte nicht empört!" Derselbe Peter Hahne, der die Empörung sonst kritisiert, klagt sie nun ein?

Erst ganz kurz vor Schluss bekommt Florian Schroeder die Bigotterie des Peter Hahne kurz zu fassen. Als ein Oster-Scherz der Heute-Show eingeblendet wird, auf dem statt Jesus ein Hase am Kreuz hängt, sagt Hahne: "Dieses Bild tut mir weh. Es muss eine Schamgrenze geben." Ja, sagt Schroeder, das finde Peter Hahne jetzt, weil seine eigene Grenze überschritten sei und er sich als Opfer fühle. Anders als bei Zigeunerschnitzel und Negerkuss. Doch auch das geht unter in Zwischenrufen und dem abwiegelnden "Nein, nein, nein" des Peter Hahne.

Die eigene Scham ist eben nicht immer auch die der anderen. Dass Rücksichtnahme, auch in der Sprache, deshalb keine bedrohliche Idee ist, das dürfte nach dieser Sendung jedem klar sein. Die Kritiker der Political Correctness lieferten dafür an diesem Abend peinliches Anschauungsmaterial. Argumente kamen nur von der anderen Seite - der etwas leiseren.

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