Digitaler Journalismus:Zwitschern gehört zum Handwerk

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Ohne Social Media und Twitter läuft nur noch wenig bei Journalisten - das ergibt eine aktuelle Studie. Und: Es gibt wieder Grund zur Hoffnung.

Franz Baden

Bad news are good news, lautet eine der (zynischen) Grundregeln der Branche. Tatsächlich rechnen die meisten Journalisten stets mit dem Schlimmsten und hoffen damit auf das Beste für ihre Seite eins.

"Mehr Arbeit, mehr Druck, aber mehr Chancen", fasst der Guardian die Ergebnisse der Digital Journalism Study 2010 zusammen. (Foto: ddp)

Tatsächlich aber ziehen sich, bei allen Grabesreden-Bekundungen auf die Publizistik, inzwischen Silberfäden durch das einst eingedunkelte Bild. Bei einer Umfrage unter 774 Journalisten aus 21 Ländern gaben jetzt 46 Prozent an, dass sich ihre Arbeitssituation durch Neue Medien und Social Media verbessert habe; nur 22 Prozent sehen eine Verschlechterung.

Den Eindruck, den die Digital Journalism Study 2010 des internationalen PR-Netzwerkes Oriella vermittelt, ist: Ohne Blogs, Videos und Twitter läuft nichts mehr in den Redaktionen. Vor zwei Jahren noch gab jeder Vierte an, auf derlei modernen Schnickschnack verzichten zu können - inzwischen sank der Anteil der Verweigerer auf unter 15 Prozent. Jeder Zweite (49 Prozent) erklärt, der eigene Verlag biete selbst redaktionell betreute Blogs an - und 41 Prozent nutzen aktiv den Kurznachrichtendienst Twitter.

Zwitschern gehört zum Handwerk.

Offenbar wird die Digitalisierung zum erlebten Normalfall. Verstärkt werden Chancen gesehen, etwa im Zuge der eigenen Recherche. Generell zeigten sich 40 Prozent der Interviewten von den positiven Effekten der Digitalisierung überzeugt, wobei vor allem in den USA, in Großbritannien und Brasilien Optimismus verbreitet ist.

Dabei werden die Nachteile für die klassischen Medien Presse, TV und Radio gesehen: Immerhin jeder Zweite rechnet damit, dass sein jeweiliges "Offline"-Medium in absehbarer Zeit verschwindet (historischer Vergleichswert: 32 Prozent). Die meisten (40 Prozent) erwarten einen Anzeigenrückgang von mehr als zehn Prozent.

Das offenkundige Motto: Du hast keine Zukunft, also nutze sie.

Fast Dreiviertel der befragten Journalisten erklärten, dass sich ihr jeweiliger Arbeitgeber mit Modellen des Paid Content beschäftige - also mit dem Verkauf von Texten über das Internet Geld erlösen wolle. Jeder Dritte erklärt, dass sein Medium die eigenen Online-Angebote nur für Print-Abonnenten gratis bereitstelle. Die Studie zeige, wie sich "neue Möglichkeiten für innovative Paid-Content-Modelle eröffnen", sagt PR-Chef Stephan Fink, dessen Fink & Fuchs Relations AG die Befragung zusammen mit PR-Com in Deutschland druchführte.

"Mehr Arbeit, mehr Druck, aber mehr Chancen", fasst der Guardian die Ergebnisse der Studie zusammen, mit der PR-Experten auf die Lage der Journalisten eingestellt werden sollen.

Dabei gehen die Verfasser des Umfrage-Dossiers davon aus, dass die Ansprechpartner in den Redaktionen mehr produzieren müssen (46 Prozent), länger arbeiten (30 Prozent) und weniger Zeit zum Recherchieren haben (28 Prozent). Weil die Budgets überall gekürzt wurden, entstehen weniger eigene Videos. Nur noch 39 Prozent geben an, dass ihre eigenen Websites selbst gefertigte Bewegtbild-Angebote aufweisen (vorher 50 Prozent).

Und noch eine ermutigend stimmende Einschätzung zum Schluss: 79 Prozent der befragten Journalisten erklären die Qualität ihrer Arbeit sei hoch geblieben - 84 Prozent lieben noch immer ihren Job.

In diesem Falle sind good news einmal keine bad news.

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