Betrugsvorwürfe:Haben ARD und ZDF nicht genau genug kontrolliert?

Institut für Rundfunktechnik (PR Material bezogen über die Pressestelle des IRT)

Ein Gebäude des Instituts für Rundfunktechnik in München.

(Foto: IRT)

Ein Patentanwalt soll ein Technik-Institut der Rundfunkanstalten um Millionen erleichtert haben. Als Großbetrüger hätte er dabei jedoch ein eher untypisches Verhalten an den Tag gelegt.

Von Klaus Ott

Es sind verheerende Bilder für ARD und ZDF, die Mitte 2011 im Schwurgerichtssaal des Erfurter Landgerichts entstehen. Ein früherer Manager des Kinderkanals (Kika) wird, an Händen und Füßen gefesselt, in den Schwurgerichtssaal des Erfurter Landgerichts geführt und wegen Bestechlichkeit und Veruntreuung von Firmengeldern zu mehr als fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Mann vom Kika, eines Gemeinschaftsprogramms von ARD und ZDF, hatte mehr als acht Millionen Euro für sich abgezweigt. Das Gericht ahndet die Straftaten streng, rügt aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender. Es habe offenbar keine effektive Kontrolle gegeben. Der Richter spricht von Mitwissern, Uninteressierten, Wegguckern und Ahnungslosen.

Den von den Hörern und Zuschauern finanzierten Anstalten war da, nach anderen Affären zuvor, längst klar: Das darf sich nicht wiederholen. Die ARD leitete umfangreiche Maßnahmen ein, die Unregelmäßigkeiten jeder Art verhindern sollten. Das ZDF betonte seine "besondere Verantwortung gegenüber der Bevölkerung", die ihren Rundfunkbeitrag zahle. Neue Antikorruptionsklauseln sollen gewährleisten, dass sich auch die Geschäftspartner der Anstalten an die Gesetze hielten. Integrität über alles, lautete das Motto.

Eine kleine, reiche Firma in Schwaben, die den Namen der Ehefrau trägt

Und jetzt das: Ein Patentanwalt soll das vor allem von ARD und ZDF getragene Institut für Rundfunktechnik (IRT) in München um bis zu 200 Millionen Euro betrogen haben. Er soll viele Jahre lang Patenterlöse, die dem IRT zugestanden hätten, in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Die zentrale Frage für die öffentlich-rechtlichen Anstalten lautet: Wurde nicht ausreichend kontrolliert; haben die Maßnahmen zum Schutz vor Korruption und anderen Delikten nicht gegriffen? Wenn die kriminelle Energie von Einzelnen besonders hoch sei, dann gerieten "Kontrollmechanismen an ihre Grenzen", sagt Albrecht Hesse, der Justiziar des Bayerischen Rundfunks (BR). Der BR, eine ARD-Anstalt, kümmert sich um den bizarren Fall, der am Mittwoch zu drei Festnahmen führte.

Der Patentanwalt, seine Frau und sein Sohn wurden aufgegriffen. Der Senior, gegen den wegen Untreue und Korruption in einem besonders schweren Fall sowie wegen Parteiverrat ermittelt wird, musste ins Gefängnis. Die Untersuchungshaft wird mit Flucht- und Verdunkelungsgefahr begründet. Frau und Sohn stehen unter Geldwäscheverdacht. Sie kamen, gegen Auflagen, wieder auf freien Fuß. Die drei hatten Ende der 1990er-Jahre im Schwäbischen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet, die sich um die Verwaltung von Rechten kümmern sollte.

Der Hauptbeschuldigte war bis 1998 beim IRT beschäftigt und hatte sich danach als Berater des Instituts um dessen Patentrechte gekümmert. Insbesondere das MPEG-Verfahren für die digitale Verbreitung von Musik bringt viel Geld. Kassiert haben soll aber vor allem der Patentanwalt über seine GmbH, deren Geschäftstätigkeit laut eigenen Unterlagen vor allem in der "Verwertung von MPEG-Patenten" bestand. Die Gesellschaft hatte klein angefangen, mit 100 000 Mark Stammkapital, und war im Laufe der Jahre immer reicher geworden. Der jüngste Jahresabschluss, der für 2015, weist knapp 85 Millionen Euro Eigenkapital aus. Aufgelistet sind Finanzanlagen in Höhe von 57 Millionen Euro. Unter der Rubrik Kassenbestand, Bundesbankguthaben sowie Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks sind 25 Millionen Euro vermerkt. Anderweitig kommen noch einige Millionen hinzu.

Wäre das ergaunerte Geld aus den MPEG-Rechten, dann hätte sich der Patentanwalt also nicht die Mühe gemacht, die vielen Millionen im Ausland zu verstecken. Oder anderweitig in Sicherheit zu bringen. Sondern hätte diese Patenterlöse in seiner GmbH gebunkert. Aus der ist über die Jahre hinweg offenbar nicht viel abgeflossen; von den Steuern abgesehen. Unter Löhne und Gehälter sind 350 235,01 Euro im Jahr notiert. Das meiste davon dürfte die Ehefrau bekommen haben, die als Geschäftsführerin fungiert. Das alles wäre ein eher untypisches Verhalten für einen Großbetrüger, aber die Akten der Ermittler sind voll von merkwürdigen Begebenheiten, die unerklärlich wirken.

Hätte sich irgendjemand im Technik- Institut die im Internet offen einsehbaren Zahlen dieser GmbH mal angeschaut, dann wäre wohl schon viel früher der Verdacht aufgekommen, man sei ausgenommen worden. Der Bayerische Rundfunk wendet ein, da kein Verdacht gegen den Patentanwalt vorgelegen habe, seien die Geschäftsberichte von dessen GmbH auch nicht überprüft worden. Hinzu kommt: Die Gesellschaft ist nicht unter dem Namen des Patentanwalts, sondern unter dem seiner Frau eingetragen; also nicht ohne Weiteres zu finden. Das Vermögen der GmbH hat sich das Technik-Institut per gerichtlichem Arrestbeschluss vorläufig gesichert.

Dem BR zufolge wird "mit Hochdruck geprüft", ob beim IRT und dessen Trägern "Fehler bei der Beurteilung des Potenzials der Patente" gemacht worden seien. Für die Zukunft wolle man sicherstellen, dass sich Vergleichbares nicht wiederhole. Das hatten ARD und ZDF schon nach dem Malheur beim Kika erklärt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: