"Bachelor" auf RTL:"Bachelor": Was man sieht, ist nicht die Hölle, sondern der Mensch

Der Bachelor, RTL, Sebastian Pannek

Nicht pomadig-FDP-Wähler-nett, sondern nett-nett: Bachelor Sebastian Pannek.

(Foto: RTL)

Zum Auftakt der siebten "Bachelor"-Staffel stapelt RTL Klischees. Doch durch einen Riss in der perfekten Inszenierung drängt die Realität zurück ins Reality-TV.

TV-Kritik von Julian Dörr

Man erwartet ja nichts weniger als die Hölle. "Menschenverachtend", haben sie gesagt. "Billig und nuttig", ein "Kamelhandel", ein Fest der "Dekadenz, Oberflächlichkeit und Beklopptheit". Kurzum: "die verkommenste TV-Sendung seit Menschengedenken". All diese Zitate gehen einem durch den Kopf in den letzten Minuten vor dem Start der neuen Staffel des Bachelor. Für den Sender RTL ist es bereits die siebte Auflage des Reality-Formats, für den Autor dieser Zeilen ist es die erste.

Da sitzt man nun also auf dem Sofa, so wie Millionen andere Menschen in diesem Land an diesem Abend. Und denkt zunächst einmal an Elvis. "50.000.000 Elvis Fans Can't Be Wrong" hieß eine Platte des King in den späten Fünfzigern. 50 Millionen Elvis-Fans können sich nicht irren. Genau darum geht es hier auch. Wenn Millionen Menschen ihre hart erarbeiteten Feierabende mit dem Bachelor verbringen, dann muss da was dran sein. Dann kann man das nicht einfach so wegignorieren. Der Bachelor ist quasi too big to fail, wie der Tatort, wie das Dschungelcamp, wie Til Schweiger.

Nichtsdestotrotz erwartet man erstmal die Hölle. Und dann steht da plötzlich dieser sympathische junge Mann. Der Bachelor, Sebastian Pannek aus Köln, geboren in Unna. Und der ist einfach mal wirklich nett. Nicht pomadig-FDP-Wähler-nett, sondern nett-nett. So nett-nett wie man in Deutschland nur sein kann, wenn man tief im Westen aufgewachsen ist, da, wo es viel besser ist, als man glaubt. Apropos Bochum, Sebastians Onkel ist übrigens Peter Peschel, der ehemalige Fußballprofi vom VfL Bochum. Zusammen mit ihm führt Sebastian eine Werbeagentur für Online-Marketing.

"Die inneren Werte müssen stimmen"

Auf dem Bildschirm kurvt der Bachelor aber gerade im weißen Schlitten durch Miami. Hier wird er am Abend auf 22 Frauen treffen, die Kandidatinnen der siebten Staffel. Noch sieht die Parallelmontage der Geschichte aber so aus: Während der Bachelor ganz entspannt durch die Straßen cruist, machen die jungen Frauen ganz aufgeregt das, was man bei RTL glaubt, was junge, aufgeregte Frauen machen: noch mehr Make-up auftragen. Klischee wird auf Klischee gestapelt, und Bachelor Sebastian sagt Sätze wie: "Die inneren Werte müssen stimmen."

Die Macher des Formats geben sich wirklich alle Mühe, die perfekte Inszenierung zu erschaffen. Da ist die Frau, die Schuhe liebt. Die Frau, die sich für den Playboy ausgezogen hat, und die Frau, die alles bekommt, was sie will. Es gibt die sexy Bibliothekarin, die strebsame BWL-Studentin, die feurige Latina und das Münchner Dirndl-Mädl. Stereotypen, die wichtig sind für die Dramaturgie der Staffel.

Zwei Menschen treffen aufeinander, nervös und gänzlich unsouverän

Doch gerade, als man im dumpfen Dämmerschlaf der wohl inszenierten TV-Realität zu versinken droht, zerreißt der Schleier und das Format menschelt seinen Machern davon. Sebastian begrüßt eine Kandidatin vor der Villa. Zwei Menschen treffen aufeinander, nervös und gänzlich unsouverän.

Julia: "Wie alt bist du? Wo kommst du her?"

Sebastian: "30. Aus Köln."

Julia: "Cool."

Sebastian: "Und du?"

Julia: "21. Aus Nürnberg."

Sebastian: "Sehr cool."

Frau um Frau wird zum roten Teppich gefahren. Die Kamera zoomt auf High Heels und glitzernde Kleider. Das Ambiente verlangt Grandezza, doch das, was folgt, ist herrlich unbeholfener Smalltalk. Immer und immer wieder. Wer hätte mit so viel harter Realität im Reality-TV gerechnet? Für einen Augenblick gelingt dem Bachelor das, was sonst nur großer Kunst gelingt: den Menschen in seiner ganzen existenziellen Lächerlichkeit zu zeigen - ohne ihn dabei vorzuführen. Ein Werbefuzzi, eine Bankkauffrau und eine Friseurmeisterin, die ein deutscher Privatsender in schicke Abendgarderobe gesteckt und nach Miami geflogen hat. Und die nun auch nicht so recht wissen, was das alles eigentlich soll. Ein Triumph der Menschlichkeit über das menschenverachtende System.

Welche der 22 Damen am Ende eine der ominösen Rosen bekommt, ist dann auch völlig egal. Denn natürlich ist die ganze Prämisse dieses Formats absoluter Quatsch. Niemand sucht beim Bachelor den Mann fürs Leben oder die Mutter seiner Kinder. Natürlich sind all die Gespräche und Konfrontationen nach dem nervösen Kennenlernen vor der Villa eine Performance.

Der Bachelor ist eine Bühne, so wie die ganze Welt eine Bühne ist. Für einen Augenblick aber war da ein Riss in der perfekten Show. Und was man sah, war nicht die Hölle, das war der Mensch.

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