ARD-Zweiteiler "Brüder":Auch Deutsche unter den Tätern

Brüder (1/2)

Bei einem Polizeieinsatz in der Moschee wird Jan (Edin Hasanovic) abtransportiert.

(Foto: Züli Aladag/SWR)

Der ARD-Zweiteiler "Brüder" zeigt den Weg eines Konvertiten zum IS. Die Macher des Films haben sehr viel recherchiert - was nicht nur ein Vorteil ist.

Von Moritz Baumstieger

Untätigkeit kann man dem deutschen Kulturbetrieb nicht vorwerfen: Während der "Islamische Staat" (IS) seine letzten Rückzugsgefechte kämpft und als Terrorgruppe wohl noch lange nicht Geschichte ist, wird seine Geschichte schon in einer Flut von fiktionalen Werken beschrieben - unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Anteils am dschihadistischen Wahn. Der Stoff ist attraktiv: Action- und Thriller-Elemente lassen sich mit Psychogrammen derer kombinieren, die eben noch Teil der Gesellschaft zu sein schienen und plötzlich mordeten. Studien zur geistigen Leere an den Rändern der Konsumgesellschaft (bei deutschen Konvertiten) oder zum Identitätsdiskurs (bei jungen Migranten) treffen auf Ermittlerromantik, wenn die harten Hunde vom Verfassungsschutz auftreten. Dazu kommt kalkulierter Grusel, wenn die Ästhetik der IS-Propaganda zitiert wird.

Der Film ist sehr gut recherchiert, was nicht nur ein Vorteil ist

Dieses Rezept liegt etwa dem Roman "Jenseits" des Zeit-Autors Yassin Musharbash zugrunde und der Mini-Serie Bruder - Schwarze Macht, die das ZDF Ende Oktober im Spartensender Neo versteckte. Nun legt der SWR im Ersten mit Brüder nach, hier wird die Geschichte des Informatikstudenten Jan (Edin Hasanovic) erzählt, der Halt im Leben sucht und fast den Tod in Syrien findet. Autorin Kristin Derfler und Regisseur Züli Aladağ haben die Handlung in zwei sehr unterschiedliche 90-Minüter geteilt: Im stilleren ersten Teil wird die Geschichte der Verwandlung Jans beschrieben, der angesichts von menschengemachten Katastrohen wie der in Syrien an seinem Herumgevögel auf Drogen zu zweifeln beginnt. Der zweite Teil ist Action- und Agententhriller, wenn Jan zum IS reist, das Köpfeabschneiden zunächst an Hühnern erprobt, bevor er als Schläfer nach Stuttgart zurückkehrt und den geplanten Höllentrip ins Paradies spektakulär zu Ende führt.

Man merkt, wie viel Derfler und Aladağ für diesen Film recherchiert haben, wie sehr sie darauf geachtet haben, dass auch die letzte Nebenrolle ihr "Allahu akbar!" nicht nur mit grimmigem Blick, sondern auch mit der richtigen Betonung brüllt. Neben den in manchen Szenen etwas sehr angeklebt aussehenden Dschihadistenbärten und den etwas sehr gefegt wirkenden syrischen Städten lässt sich eigentlich nur bemängeln, dass die Macher wirklich all den Stoff in Brüder unterbringen wollten, den sie sich angelesen hatten. Konvertiten und ihre ratlosen Familien, salafistische Menschenfänger, Flüchtlingsdramen und Assads Folterknäste, die Gräueltaten des IS im Nahen Osten und seine Anschläge in Europa - schon klar, da ist viel passiert in den vergangenen Jahren. Die waren aber auch ein bisschen länger als zweimal 90 Minuten.

Brüder, Das Erste, zwei Teile von 20.15 Uhr an.

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