ARD-Krimireihe:Volle Verachtung für Impro-"Tatort"

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Träumen in der Hängematte: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) wird nachts von der toten Sophie Fettèr (Malou Mott) heimgesucht. (Foto: Martin Furch/SWR)

Der SWR versucht beim "Tatort" etwas Neues - und löst damit große Empörung aus. Aber die geschieht aus den falschen Gründen.

Von Katharina Riehl

Vielleicht hätte die ARD lieber gar nicht fragen sollen, die Antworten jedenfalls sind eindeutig. Bei Facebook hatte der öffentlich-rechtliche Sender am Montagmorgen seinen online kommentierenden Zuschauern die Möglichkeit gegeben, den Tatort vom Sonntagabend mit Schulnoten zu bewerten. 44 Prozent der Befragten gaben "Babbeldasch", dem ersten improvisierten Film der Tatort-Geschichte, eine 6, und 18 Prozent eine 5.

Eine solide Mehrheit also für die volle Verachtung, die im Zusammenspiel mit den unwahrscheinlich vielen hasserfüllten Kommentaren bei Facebook und Twitter vor allem mal wieder Erstaunen darüber weckt, welche Emotionen so ein Fernsehkrimi auslösen kann.

Das Problem des Films ist nicht das fehlende Drehbuch

Der SWR hatte in dieser Woche ein Experiment gewagt, Regisseur Axel Ranisch inszenierte seinen Tatort als Mordfall in einer Laienspielgruppe und ließ die Darsteller eines Ludwigshafener Amateurtheaters auch im Film auftreten. Man muss ehrlicherweise sagen, dass diese Idee in sehr weiten Teilen nicht gut umgesetzt wurde. Trotzdem verrät die Empörung - freundlichst unterstützt von der Bild-Zeitung ("TV-Warnung: Sonntag läuft der schlechteste Tatort aller Zeiten!") - viel über das deutsche Fernsehen, seine Macher und sein Publikum.

Keine Filmreihe ist in Deutschland so erfolgreich wie der Tatort, und kein anderes Format hat sich in den vergangenen Jahren so stark diversifiziert wie dieses. Es gibt Kommissariate mit TV-Beamten, die seit Jahren nach immer ähnlichen Drehbüchern immer dasselbe tun, in den Ermittlungspausen immer dasselbe essen und sich nach Dienstschluss immer um dieselbe Enkeltochter kümmern. Komplette Entwicklungsverweigerung, die von einem sehr treuen Publikum mit guten Einschaltquoten belohnt wird. Endlich mal wieder ein richtiger Krimi, heißt es dann bei den twitternden Teilzeitkritikern.

Tatort Ludwigshafen
:Der erste Impro-Tatort der Weltgeschichte

In "Babbeldasch" sieht man die Ludwigshafener Ermittler an der Seite von Laienschauspielern improvisieren. Im Grunde seines Herzens ist dieser Tatort aber furchtbar konventionell.

TV-Kritik von Holger Gertz

Endlich ein richtiger Krimi, weil es inzwischen so viele Filme in der Reihe gibt, die dieses Kriterium für einige Zuschauer nicht mehr erfüllen: zu albern die Episoden aus Weimar und Dresden, zu tiefenpsychologisch die aus Dortmund, zu verkopft die aus Wiesbaden, und jetzt dieses Impro-Dings aus der Pfalz. Bemerkenswert natürlich, dass nun ausgerechnet Ulrike Folkerts und der SWR ins Zentrum der Modernisierungsempörung geraten, wo das Ermittlerteam aus Ludwigshafen sich in dieser Hinsicht bislang wirklich kaum etwas hat zuschulden kommen lassen. Das Publikum strafte Lena Odenthal dementsprechend mit der verhältnismäßig schlechten Quote von 6,35 Millionen Zuschauern.

Die höchst unterschiedlichen Ansprüche jedenfalls, die das Publikum mit dem Tatort verbinden, lassen sich von einer einzelnen Episode kaum noch zusammenbinden, weshalb inzwischen jeden Sonntag im Netz der Meinungskrieg tobt.

Interessant an der Aufregung über den improvisierten SWR-Tatort ist auch, dass sie sich vor allem an der ungewöhnlichen Machart entlädt, obwohl die haarsträubenden Mängel des Films damit im Grunde wenig zu tun haben. Oder anders gesagt: Das Problem des Films ist nicht, dass er kein ausgearbeitetes Drehbuch hat, sondern das, was in diesem nur knappen Drehbuch drinstand. Zum Beispiel die lieblose Figurenentwicklung nach dem Zufallsprinzip, derzufolge Lena Odenthal plötzlich den blonden Kindern der Fallanalytikerin Johanna Stern auf die Rutsche hilft, obwohl die beiden Ermittlerinnen sich im letzten Film noch unentwegt angebrüllt haben. Auch im Drehbuch standen vermutlich die Traumsequenzen, in denen das Mordopfer der Kommissarin begegnet. Traumszenen werden auch nicht besser, wenn sie improvisiert sind.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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