Internetfilm "Move on":Ernst zu nehmendes Kino

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"Move on" mit Mads Mikkelsen ist ein Road Movie und ein Agententhriller in Kino-Qualität - läuft aber nur im Internet. Produziert hat das Experiment die Deutsche Telekom. Doch das Ergebnis ist sehr viel mehr als Werbung für ihre Produkte.

Anke Sterneborg

Mobiltelefone haben auch das filmische Erzählen radikal verändert - das fängt schon damit an, dass man heutzutage erklären muss, warum jemand nicht einfach sein Handy aus der Tasche holt und Hilfe ruft, wenn er in Not ist. Man kann es in jedem Agententhriller sehen, aber auch in jedem durchschnittlichen Fernsehkrimi: Wenn Informationen über Standorte oder Gegner gebraucht werden, dann reicht ein Griff zum Smartphone, um Agenten und Ermittlern augenblicklich Ressourcen in die Hand zu geben, von denen Derrick und seine Kollegen nur träumen konnten.

Aus dieser besonderen Liaison von Kino und mobiler Kommunikation hat die Deutsche Telekom nun ein Projekt geschaffen, das natürlich Werbung ist für ihre Produkte, aber auch sehr viel mehr. Das Unternehmen hat einen 100-minütigen Internetspielfilm produziert - Move on feierte am Dienstag in Berlin Premiere und ist seitdem unter www.move-on-film.de vollständig abrufbar. Move on passt in eine Zeit, in der zum einen Brausehersteller in TV-Sender mit durchaus anspruchsvollem Kulturprogramm investieren, zum anderen Internetkonzerne Filme und Serien produzieren, die nicht erst im Netz zu sehen sind, wenn sie zuvor im Fernsehen liefen. Move on ist, qualitativ, ernst zu nehmendes Kino, in dem die Produkte diskreter eingesetzt werden als etwa bei James Bond.

Ein Mann, ein Koffer mit sensiblem Inhalt und acht europäische Länder: Das ist die simple Ausgangsidee für den Film, der zugleich Road Movie und Agententhriller ist und die Zuschauer auf neuartige Weise zur aktiven Mitarbeit angestiftet hat. Nach dem Aufruf, sich über eine Website zu bewerben, wurden aus 9.000 Vorschlägen für Details im Film die 400 interessantesten ausgewählt und ins Filmskript eingearbeitet. Die einen vermittelten ihr Haustier, andere gestalteten ein Poster im Straßenbild, einen Sticker fürs Auto oder eine Zeitungstitelseite, wieder andere schlugen Musik für den Soundtrack vor oder durften als Statisten im Opernpublikum oder als Passanten beim Dreh agieren.

Volksfeststimmung bei der Premiere

Auf den ersten Blick mag diese basisdemokratische Herangehensweise ans Filmemachen wie ein künstlerischer Albtraum anmuten, doch für Autor Matt Greenhalgh ( Control) und Regisseur Asger Leth lag gerade darin der besondere Reiz des Projekts: "Es klingt verrückt, doch eine einfache konzeptuelle Geschichte zu konstruieren, die dem Film einen durchgehenden Faden gibt und zugleich genug Raum für äußere Einflüsse lässt, hat ungeheuren Spaß gemacht. Das war ein wunderbares Laborexperiment!" Der johlende Beifall, der aus verschiedenen Ecken des Zuschauerraums ertönte, immer wenn jemand einen Freund oder Bekannten auf der Leinwand erkannte, sorgte bei der Premiere jedenfalls für Volksfeststimmung.

In acht Episoden führt Move on durch Holland, Österreich, Ungarn, Kroatien, die Slowakei, Mazedonien, Deutschland und Albanien und profitiert dabei auf sinnliche Weise vom Flair der verschiedenen Kulturen. Während der Film in den Tunnels und Torbögen des nächtlichen Wien mit seinen Schatten und hallenden Schritten die unheimliche Atmosphäre von Carol Reeds Der dritte Mann beschwört, weckt er im düsteren Techno-Club im kroatischen Opatija Erinnerungen an das Grauen, das Studenten in Hostel erlebten, nur um dann in Montenegro eine spektakuläre Autoverfolgungsjagd über die Serpentinen zu bieten oder in grandiosen Wald- und Seelandschaften zu schwelgen.

Statt jedoch auf Blockbuster-Jetset in der Luft zu setzen, pflegte das Team zu Land und zu Wasser eher altmodische Kinowerte: "Im modernen Kino fliegt man an den Drehort und engagiert eine einheimische Crew", sagt Asger Leth. "Ein Team auszuwählen und tatsächlich 8000 Kilometer gemeinsam zu reisen, zusammen zu leben und zu atmen als Organismus, der sich bewegt, das war reiner Rock 'n' Roll!".

Der große Coup der Produktion aber ist, dass neben Alexandra Maria Lara ( Der Untergang) und Newcomerin Gabriela Marcinková Mads Mikkelsen ( The Hunt) die zentrale Agentenrolle spielt. Ähnlich wie Daniel Craigs Bond ist er kein strahlender Held, sondern ein von der Vergangenheit und physischen Defiziten gezeichneter Mann. Die einzelnen Länderepisoden von Move on lassen sich gut auf Smartphone oder Tablet konsumieren. Zugleich hält der Film aber auch auf der Leinwand stand, wo sich die Teile im treibenden Rhythmus zum großen Ganzen fügen.

Move on , abrufbar unter www.move-on-film.de

© SZ vom 08.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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