Vor Gericht:Ärztin wegen Werbung für Abtreibung verurteilt

Prozess gegen Frauen-Aerztin

Solidarität mit Kristina Hänel: Vor dem Amtsgericht in Gießen versammeln sich Unterstützer der Ärztin, um für die Abschaffung des Paragrafen 219a zu demonstrieren.

(Foto: dpa)
  • Das Amtsgericht Gießen hat eine Gießener Ärztin wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt.
  • Die Medizinerin muss 40 Tagessätze zu 150 Euro, also insgesamt 6000 Euro zahlen.
  • Die Ärztin kündigte an, sie werde in Berufung gehen und notfalls auch vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

Wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche hat das Amtsgericht Gießen die Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Gericht verhängte 40 Tagessätze zu jeweils 150 Euro und entsprach damit der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Nach Auffassung der Richterin verstieß Hänel gegen Paragraf 219a des Strafgesetzbuches. Er verbietet das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen, wenn daraus "ein Vermögensvorteil" gezogen wird. Das nahm das Gericht als gegeben an, denn Ärzte erhalten für ihre Dienste stets Honorar. Hänel, 61, und seit Anfang der achtziger Jahre Allgemeinärztin, hatte auf ihrer Internetseite unter ihrem Leistungsspektrum auch den Begriff "Schwangerschaftsabbruch" aufgeführt. Wer auf den Link klickte, erhielt Informationsmaterial - anfangs als pdf-Dokument zum Download, inzwischen nur noch per Mail.

"Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird als sei es eine normale Sache", sagte die Vorsitzende Richterin zur Begründung ihres Urteils. Bei einem Schwangerschaftsabbruch handele es sich nicht um eine normale Leistung wie beim Herausnehmen eines Blinddarms.

Hänels Anwältin argumentierte, dass ihre Mandantin lediglich informiert habe, aber keine "appellative Werbung" auf ihrer Internetseite betrieben habe. Sie habe sich nicht vorstellen können, dass "eine Richterin den Unterschied von Information und Werbung nicht kennt", sagte die Verteidigerin.

Hänel selbst hatte bereits vor Wochen angekündigt, die Verurteilung nicht zu akzeptieren und notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu ziehen. Das bekräftigte ihre Anwältin, die bekannte Frauenrechtlerin und Jura-Professorin Monika Frommel, nun noch einmal.

Der Fall hatte in den vergangenen Wochen eine Debatte über das Abtreibungsrecht und insbesondere den Paragraphen 219a ausgelöst. Gegner des Paragrafen argumentieren, er behindere das Anrecht von Frauen, sich sachlich über die Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs zu informieren. Seit 2004 geht die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland zurück - sie liegt mittlerweile unter 100 000 im vergangenen Jahr.

Vor der Verhandlung in Gießen wurde Hänel von zahlreichen Unterstützern empfangen, die vor dem Gerichtssaal demonstrierten. Eine an die Bundesregierung gerichtete Petition, die die Abschaffung des Paragrafen 219a fordert, haben inzwischen mehr als 100 000 Menschen unterzeichnet.

In den vergangenen Jahren war Hänel schon zwei Mal von Abtreibungsgegnern der Organisation "Nie wieder" angezeigt worden. In beiden Fällen wurden die Verfahren eingestellt.

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