Verbraucherschutz:Eis ohne Creme

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Schoko, Erdbeer, Vanille: Sanft schmilzt dieser Tage oft das Milchspeiseeis auf den Zungen. Sahne? Die ist im Eis oft kaum noch zu finden.

Marc Widmann

Er ist nicht nur Eisfabrikant, er ist auch Eisfan. Schon morgens um fünf prüft Gerd Hoven das kühle Produkt seiner Maschinen, er liebt den buttrig-vollen Geschmack von traditionellem Eis. Und deshalb sagt er: "Es ist schon traurig, was da passiert." Denn die Zeiten, in denen Eis aus Milch mit reichlich Sahne oder Butter gemacht wurde, sind für viele Hersteller schon Vergangenheit.

Der Laie schmeckt es kaum, aber in vielen Eissorten ist kaum noch Sahne drin. (Foto: Foto: ddp)

"Ich mache das eigentlich nicht gern", sagt Hoven, doch manche Kunden wollten das so. Also ersetzt auch er in einigen Sorten die Butter durch billiges Pflanzenfett. Natürlich schmecke man den Unterschied, sagt Hoven. "Aber dann geben sie eben ein bisschen Butteraroma dazu." Und die Illusion ist perfekt.

Der Chef der Alterwest-Eisfabrik in Hessen ist einer der wenigen, der offen ausspricht, was hinter dem Trend zum Pflanzenfett steckt: "Das ist eigentlich nur der Preis."

Butter ist teuer

Bis zu 40 Prozent billiger werde es, wenn man auf Butter verzichte. Nur hat der Eisliebhaber Hoven dabei ein schlechtes Gefühl: "Das rächt sich irgendwann", befürchtet er, "irgendwann werden die Kunden wach". Günstiges Palm- oder Kokosfett findet sich keineswegs allein in Hovens Eis, das er an Restaurants und Supermarktketten liefert.

Nahezu alle großen Hersteller in Deutschland verwenden es mittlerweile, heißt es beim Branchenverband, auch die Produzenten bekannter Marken. Langnese hat in seinem viel beworbenen Cremissimo-Eis das Milchfett zum großen Teil durch Kokosfett ersetzt. Und Konkurrent Mövenpick bekam im vergangenen Jahr sogar einen erbosten Brief von Gerd Sonnleitner. Der Präsident des Bauernverbands beklagte sich darüber, dass im sogenannten Premium-Eis mit dem verlockenden Namen "Erdbeer Sahne" gerade noch ein Prozent echte Sahne zu finden war - auf der Verpackung prangte trotzdem ein hübsches Sahnehäubchen.

Eis statt Eiscreme

Manche Hersteller würden ihre veränderten Rezepturen durch irreführende Sprüche kaschieren, klagen Verbraucherschützer. "Mit Sahne verfeinert", ist dann zum Beispiel auf der Packung zu lesen. Die Fachleute raten den Kunden, die Angaben auf den Bechern genau zu studieren. Wer das tut, findet in der Kühltruhe immer seltener das Wort "Eiscreme", dafür immer häufiger schlicht "Eis". Den Unterschied kennen die wenigsten: Eiscreme muss laut Vorschrift mindestens zehn Prozent Milchfett enthalten. Beim Eis kann es auch Pflanzenfett sein.

Die Hersteller geben sich gelassen. Es sei immer noch viel an Milch oder "Molkenerzeugnissen" im Eis, heißt es beim Mövenpick-Mutterkonzern Nestlé. Und Langnese preist das Kokosfett als "geschmacklich neutral". Deshalb sei der "individuelle Geschmack der jeweiligen Sorte prägnanter schmeckbar". Außerdem enthalte es weniger Cholesterin.

Chemie gegen Cholesterin

Derlei Lobreden auf das Kokosfett bringen den Lebensmittelchemiker und Autor Udo Pollmer auf die Palme. Milchfett sei verträglicher für den Menschen, sagt er. Und generell würden wertvolle Zutaten immer öfter wegen angeblicher Gesundheitsrisiken durch fragwürdige Stoffe ersetzt. Für modernes Industrie-Eis hat er vor allem Spott übrig. Er nennt es einen "Mix aus chemisch hochinteressanten Zutaten, die im gefrorenen Zustand im Mund einen sahnigen Gefühlsausdruck auslösen".

Vor der Frankfurter Eisdiele von Corrado Spadotto stehen in diesen Tagen lange Schlangen. "Das Eis muss zuerst mir schmecken", sagt der Chef. Dann geht er in seine Küche und zieht eine Schublade auf: Ein Berg aus goldenen Butterpäckchen liegt darin.

© SZ vom 30.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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