Studie zur Sexualität der Millennials:Sex wird überbewertet

Sexualität

Keine Lust auf Lakensport: 15 Prozent der heute 20- bis 24-jährigen Amerikaner hatten einer Studie zufolge seit dem 18. Geburtstag keinen Sex mehr.

(Foto: Photocas/Herzschlag)

Youporn und Tinder führen zu Sexbesessenheit? Mitnichten. Junge Amerikaner sind im Bett erstaunlich träge - eine andere Beschäftigung verführt sie mehr.

Von Sebastian Herrmann

Ach, es steht nicht gut um die Jugend und die jungen Erwachsenen, mal wieder. Die aktuelle Hiobsbotschaft betrifft die sogenannte Generation Y oder "Millennials", wie die Altersgruppe in den USA genannt wird: Diese Männer und Frauen zwischen 20 und 24 Jahren haben kaum noch Sex, zumindest in Amerika.

In diesem Alter, so berichtet eine Studie in den Archives of Sexual Behaviour, pflegen die Menschen weniger geschlechtliche Kontakte als ihre Vorgängergenerationen in der gleichen Altersspanne. Man müsse sehr weit in die Vergangenheit blicken, um eine sexuell derart behäbige Junggeneration zu finden, so die Autoren der Studie, nämlich bis in die 1920er-Jahre. Damals hatten die 20- bis 24-Jährigen ähnlich selten Sex mit Partnern wie die aktuelle Generation der Sexmuffel.

Die Ergebnisse der Studie stehen deutlich im Widerspruch zum Geschrei über die sexuelle Verwahrlosung und Verrohung der Jugend, das sonst zu hören ist. Da heißt es dann, dass sich diese Generation erst bei Youporn per Dauerkonsum Romantik und Erotik zerstört, um sich dann bei Tinder und anderen Dating-Apps zum ebenso schnellen wie herzlosen Sex mit wechselnden Partnern zu verabreden.

Wie so oft sträubt sich die Realität gegen zu plakative Vorstellungen: Die seit 1972 laufende US-Studie "General Social Survey", für die regelmäßig fast 27 000 Probanden befragt werden, deutet auf erlahmende sexuelle Aktivität hin. 15 Prozent der heute 20- bis 24-Jährigen hatte demnach seit dem 18. Geburtstag keinen Sex mehr. Zum Vergleich: Als zwischen 1965 und 1969 geborenen Studienteilnehmern im gleichen Alter diese Frage gestellt wurde, lag die Abstinenzquote bei nur sechs Prozent.

Viel Kontakt zu Technik, wenig Kontakt zu Menschen

"Online-Dating-Apps sollten den Millennials theoretisch die Suche nach Sex-Partnern erleichtern", sagt die Studienleiterin Jean Twenge. "Aber offenbar zeigt diese Technologie den gegenteiligen Effekt, weil die jungen Leute zu viel Zeit online verbringen, deshalb weniger Kontakt zu Menschen und dadurch auch weniger Sex haben." Daraus ergibt sich erst recht Anlass zu Klage und Sorge: Die Jugend vertrödelt so viel Lebenszeit im Internet, dass sie sich nicht mal mehr zum Sex aufraffen kann!

Die Wissenschaftler spekulieren auch über andere mögliche Gründe für das von ihnen beobachtete Phänomen. Die Generation Y brauche insgesamt etwas länger, um erwachsen zu werden. Im Vergleich zu ihren Vorgängergenerationen lebten noch mehr von ihnen zu Hause bei Mama und Papa, so die Forscher. Auch um eine bezahlte Arbeit und einen Führerschein bemühen sich diese Schluffis heute später. Auch dauere es länger, bis sie heiraten. Und die Ehe sei nun mal ein Faktor, der zumindest in den ersten Jahren die Chance auf regelmäßigen Sex erhöhe.

Aber das sei an dieser Stelle auch gesagt: Irgendeinen Anlass zur Klage über die stets nachfolgende Generation findet sich immer. Entweder hat die Jugend zu wenig Sex oder sie lebt zu promisk, die Alten dieser Welt motzen eben gerne. Vielleicht sollte eine Studie mal untersuchen, ob heutige Generationen im fortgeschrittenen Alter häufiger oder seltener meckern als einst.

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