Selbstzitate in der Mode:Ich! Ich! Ich!

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Designer verweisen oft auf sich selbst - nun tun sie das nicht mehr verhalten, sondern ganz ungeniert. Die neuesten alten Trends aus der Mottenkiste.

Julia Werner

Mode hat streng genommen nur eine Daseinsberechtigung: ihre Neuheit. Modeschöpfer werden deshalb vor allem dann kritisiert, wenn sie immer wieder die längst vergangenen Epochen durchkauen. Von Diors New Look bis zu den Schulterpolstern der 80er Jahre - ewig die gleichen Stilzitate.

Doch mit subtilen Verweisen ist es jetzt erst einmal vorbei. Ein Trend des neuen Jahrhunderts ist es, Bestseller völlig ungeniert aus den Mottenkisten zu ziehen und so gut wie unverändert neu aufzulegen. Moschino schickte das berühmte Herzkleid und die legendäre Kettenjacke wieder auf den Laufsteg, Gucci haucht der legendären Bamboo-Bag neues Leben ein, indem sie dem Namen einfach ein "New" vorschiebt.

Die Balenciaga-Edition-Kollektion gibt es schon seit 2004. Seitdem kann man in jeder Saison "neue" alte Entwürfe tragen, die bis dato im schier unendlichen Archiv vor sich hinschlummerten. Und selbst Raf Simons, der ja für radikale Modernität bekannt ist, hat still und leise dem Label Jil Sander eine Capsule-Kollektion namens "Iconic Items" hinzugefügt, und das, obwohl Jil Sander selbst immer strikt gegen Archivierung war, weil sie nur nach vorne schauen wollte.

Weitere Wiederverwerter: Emilio Pucci feiert seine Vergangenheit mit "Vintage Classics" und macht sich noch nicht mal die Mühe, die undurchdringbar engen Armausschnitte unserer Zeit anzupassen. Marni legt alte Ikonen in leichteren Materialien neu auf und nennt das "Summer Edition".

Eine Bankrotterklärung der Mode?

Stefano Pilati bedient sich bei Yves Saint Laurent an Entwürfen des Altmeisters und verarbeitet sie in seiner zeitlosen "Edition 24"-Serie. Und Antonio Marras nennt seine Bestseller-Kollektion ganz einfach "Archivio". Auch Dolce&Gabbana haben sich in der aktuellen Saison den Bedürfnissen ihrer Kundinnen gebeugt. Sie bekamen Briefe, in denen immer das Gleiche stand: Wir wollen das alte Dolce&Gabbana zurück. Leo-Prints! Korsagen, Blumen, Spitze!

Ist der aktuelle Rückbesinnungstrend also kreative Kapitulation, eine Bankrotterklärung der Mode? Das Gegenteil ist der Fall. Wenn sich Frauen nach Modellen aus früheren Zeiten sehnen, hat das natürlich etwas zu bedeuten. All der Vintage ohne Mottenkistenmuff passt genau in unsere Zeit. Wenn alles um einen herum virtuell schwebt, braucht eine Frau eben ein unvergängliches Kleid, an dem sie sich festhalten kann.

Dass hinter dem Wiederauflebenlassen alter Silhouetten aber noch mehr stecken kann, zeigte die vorletzte Show des unlängst verstorbenen Modeschöpfers Alexander McQueen. Passend zur damaligen Finanzkrisen-Endzeitstimmung recycelte er nicht nur alte Show-Requisiten und die berühmtesten Kreationen, die die Mode je hervorgebracht hat: Er zitierte vor allem sich selbst. Manches versteht man erst, wenn es zu spät ist.

© SZ vom 27.02.2010/bre - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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