Schmachtwort der Woche:"Unser Verstand geht abends ins Bett"

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Wann ist der beste Zeitpunkt für ein Gespräch über heikle Themen? Eigentlich immer, außer nachts. Denn da schläft der Verstand, vor allem der männliche. Der weibliche hingegen kommt erst in Fahrt.

von Violetta Simon

Es gibt Aktivitäten, denen Männer - im Gegensatz zu Frauen - eindeutig nichts abgewinnen können. Weihnachtsdekoration anbringen zum Beispiel befindet sich etwa auf einer Ebene mit dem Event "Wurzelbehandlung ohne Betäubung" oder "sich nackt in Socken aus dem Hotelzimmer sperren". Ganz oben auf der Liste der entbehrlichen Dinge steht die Beziehungsdebatte. Diese wird nur noch von einer Situation übertrumpft: in eine nächtliche Diskussion über die Nichtigkeiten des Alltags verstrickt zu werden. Männer sind einfach nicht dazu gemacht, am späten Abend noch in den Ring zu steigen und Probleme zu wälzen.

Das Schmachtwort der Woche sprach diesmal ein ziemlich ausgeschlafener Eckart von Hirschhausen. (Foto: Sophie Kaiser)

Und die Medizin gibt ihnen Recht: Eckart von Hirschhausen riet kürzlich in einem Interview mit der Welt , grundsätzlich nicht nach 22 Uhr über heikle Themen zu sprechen. "Unser Verstand geht abends um zehn ins Bett", erklärte der Kabarettist und Arzt. Damit kann er nur den männlichen gemeint haben. Experten warnen schon allein deswegen davor, im Bett zu streiten, weil man den anderen dann nicht gut sehen kann, um seine Körpersprache zu entschlüsseln. Frauen müssen ihren Partner nicht sehen, sie kennen seine Körpersprache auch so: nach einem Fluchtweg spähend, mit dem Rücken zur Wand.

Der beste Zeitpunkt für ein Gespräch mit einem Mann ist eigentlich immer, nur nicht zwischen 20 Uhr abends und 7 Uhr morgens. Da läuft der männliche Argumentationsapparat auf Standby. Dieses inhaltslose Geplänkel von wegen "Wie war Dein Tag", "erzähl doch mal was" - darauf kann ein Mann ganz ohne Bedauern verzichten. Er würde gar nicht bemerken, wenn er das wochenlang nicht gefragt würde, weil sich kein Wortstau bildet wo keine Worte gebildet werden. Eine tiefgehende Leere, die ihm das Gefühl gibt, alles erledigt zu haben, erfüllt am Abend seinen Kopf - ganz im Gegensatz zum Kopf der Frau, in dem die Synapsen immer dann zu glühen beginnen, wenn sich der Tag dem Ende neigt.

Statt zu einem konstruktiven Gespräch kommt es dann zu Dialogen wie diesem: "Schläfst du schon?" "Hä? Was?" "Vergiss es". "Na toll. Erst quatscht du mich an und dann soll ich es vergessen. Hast mich also wegen nichts und wieder nichts geweckt." "Schon gut, ich habe verstanden". "Was denn?" "Dass ich nichts bin. Nie beachtest du mich." "Entschuldige, ich habe geschlafen. Was bitte erwartest Du von mir?" "Ein wenig Zuwendung vielleicht?" "Ich habe mich Dir doch zugewandt, aber Du wolltest ja wieder nicht." "Geht das wieder los!" Wütend stopft sie sich die Bettdecke unter, holt tief Luft und setzt zum argumentativen Gegenschlag an.

Auf das, was nun folgen soll, wird sich ein Mann niemals freiwillig einlassen. Schon vor dem Zubettgehen kann ein Mann es riechen, wenn sie das Gespräch sucht. Und für ihn riecht es nach Ärger. Schon allein, wie sie da so lauernd über den Deckenrand schaut und jede seiner Bewegungen verfolgt, während er sich auszieht. Nur ein einziges Mal hatte er diesen Blick als Aufforderung missverstanden, hatte sich hastig die Hose mitsamt Short und Socken heruntergeschoben und war gleich unter ihre Decke geschlüpft - allerdings kam er nicht weit, sondern wurde mit den Worten gestoppt: "Hast Du Dir schon Gedanken darüber gemacht, wie wir Deinen Eltern sagen, dass wir diesmal Weihnachten nicht mit ihnen feiern werden?"

Es war immer dasselbe: Aus irgendeinem Grund verfiel sie ausgerechnet dann in den Konfrontationsmodus, wenn er lieber kuscheln wollte. Oder in den Komunikationsmodus, wenn er nicht mal mehr sprechen konnte. Kein Wunder, dass Männer nicht an die Macht der effektiven, respektvollen Konfliktklärung glauben - bei dem Timing!

Die einzige Möglichkeit für einen Mann, sich jetzt noch aus der Affäre zu ziehen, ist ein vorgetäuschter Schlafanfall. Sie hat noch nicht begriffen, was los ist, da beginnt der Bettgeselle bereits mit der Tiefenentspannungsatmung und rüsselt vernehmlich vor sich hin. Was da neben ihr liegt, ist aber nicht einfach nur ein schlafender Mann. In ihren Augen ist es ein personifizierter Affront, eine Ausgeburt an Ignoranz, eine beispiellose Verkörperung von Egoismus.

Ungläubig und zugleich empört beäugt sie ihn. Versucht es mit demonstrativem Seufzen und betont rücksichtslosem Herumwälzen. Der Schlafende bleibt unbeeindruckt, ihre Aggression mündet erst in Resignation und schließlich in Selbstmitleid. Nach drei Runden im Wechselbad der Gefühle ist sie kurz davor das Licht anzumachen, auf der Matratze herumzuhüpfen und vor Wut zu schreien. Sie verkneift es sich und sinnt nach Rache, während er ahnungslos weiterpennt.

Am nächsten Morgen wird ihn ein gewaltiger Wortschwall aus dem Bett spülen, gespickt mit Vorwürfen und Ausdrücken der Empörung, die sich alle im Lauf der Nacht angesammelt haben. Gut, dass es endlich hell ist, und der Beschimpfte die Tür findet.

Männer behaupten ja gerne von sich, sie könnten eine Frau in ihr Bett quasseln. Bei Frauen ist es eben andersherum.

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