Schmachtwort der Woche:"Ich möchte, dass wir Freunde sind"

Es gibt so viele nette Leute auf diesem Planeten. Warum wollen manche Menschen ausgerechnet mit dem einen befreundet sein, den sie aus ihrer Wohnung geworfen haben?

von Violetta Simon

Woran merkt man, dass eine Beziehung am Ende ist? Es wird nicht mehr geredet, wenig unternommen, und nicht mehr miteinander geschlafen. Nicht mal für Streit und gegenseitige Vorwürfe reicht es mehr. Die Luft ist endgültig raus. Erstaunlicherweise gibt es Menschen, die das als ideale Voraussetzung für den Beginn einer wunderbaren Freundschaft zu betrachten scheinen. Warum geben sie sich nicht zufrieden mit einem Schlussstrich, sagen: "Danke für die schöne Zeit" und lassen die Sache auf sich beruhen? Stattdessen stammeln sie diesen heuchlerischen Satz: "Lass uns Freunde bleiben!"

Schmachtwort Heidi Klum

Das Schmachtwort kommt diesmal von Heidi Klum, die für ihren zukünftigen Exmann Seal ein Freundschaftsbändchen knüpfen möchte.

Auch Heidi Klum, die seit Janur von Noch-Ehemann Seal getrennt ist und mittlerweile offiziell mit ihrem Leibwächter schmust, hält an dieser sonderbaren Idee fest: "Ich möchte, dass wir Freunde sind", verriet sie der Talkshow-Moderatorin Katie Couric. Also wirklich. Hat die Frau nicht genügend Freunde? Reichen Tausende Facebook-Follower und 1,4 Millionen "Gefällt mir"-Daumen nicht? Muss es von all den Menschen auf diesem Planeten, die ständig um sie herumwuseln, ausgerechnet ihr Ex sein? Er ist ja noch nicht einmal nett zu ihr. Sobald man ihn auf Heidi und ihren Bodyguard anspricht, gibt der britische Sänger grüne Sprechblasen von sich. Kürzlich giftete er in ein Mikrofon: "Ich hätte mir gewünscht, dass Heidi mehr Klasse zeigt und wartet, bis wir getrennt sind, ehe sie mit einer Hilfskraft ins Bett steigt". Jetzt mal ehrlich, so was sagt ein Freund doch nicht.

Natürlich nicht. Ein Freund muss auch nicht damit klarkommen, dass er bis vor Kurzem noch die Hälfte einer Partnerschaft war und jetzt vielleicht gerade noch als Minigolfpartner in Frage kommt. Dass er gestern noch gefragt wurde "Was würdest du heute Abend gern essen?" und nun nicht einmal mehr mit am Tisch sitzen darf. Mit einem Freund wickelt man in der Regel auch nicht gerade eine Scheidung ab. Und Freunde versuchen auch nicht, sich gegenseitig das Sorgerecht für die Kinder abzuluchsen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass das Angebot "Lass uns Freunde bleiben" demjenigen über die Lippen kommt, der die Beziehung beendet. Gerade Frauen lieben diese Phrase. Weil sie nichts so sehr hassen wie das Gefühl, jemanden zu verletzen. Und so werfen sie den Freundschafts-Köder aus, der den Ex davon ablenken soll, dass einem soeben die Doppelbettmatratze mitsamt Flanellspannbetttuch unterm Hintern weggezogen wird.

Der befreundete Klotz am Bein

Die Konsequenzen sind auch nicht immer angenehm: So ein "befreundeter" Exfreund kann ein Klotz am Bein sein. Ein Klotz, den man sich aus Feigheit und Bequemlichkeit selbst angebunden hat. Zieht man sich zum Beispiel gerade den Lidstrich nach, weil man gleich eine Verabredung hat, darf man sich nicht wundern, wenn das Telefon läutet und eine Stimme aus dem Hörer wimmert: "Ich wollte mal fragen, was du heute und morgen und am Wochenende so machst." Das heißt übersetzt: "Nachdem du mich aus der Wohnung geworfen hast und ich nun in diesem schäbigen Loch hocke, in dem mir jeden Abend die Decke auf den Kopf fällt, kann ich ja wohl zumindest erwarten, dass du dich um mein geknicktes Ego und meine Freizeitgestaltung kümmerst."

Komisch, dass sich manche Leute trotzdem immer wieder auf das fadenscheinige Angebot einlassen. Es soll ja Männer geben, die mit dem Freundschaftsangebot die Option auf unverbindliches Fummeln verbinden - und sich dann wundern, wenn sie stattdessen für Reparaturdienste eingespannt werden.

Dabei müssten sie sich eigentlich nur ein paar entscheidende Fragen stellen: Warum sollte ich mit einem Menschen befreundet sein, der mich vor kurzem aus unserer gemeinsamen Wohnung geworfen hat? Und warum sollte meine Ex ausgerechnet mit einem Menschen befreundet sein wollen, der sie dermaßen nervt, dass sie ihn aus der gemeinsamen Wohnung geworfen hat? Warum sollte meine Ex mit mir über ihre neue Beziehung sprechen, wenn ich sie mit meinen Eifersuchtsszenen in den Wahnsinn getrieben habe? Warum sollte sie eine Freundschaft mit jemandem haben wollen, über den sie sich jahrelang bei ihren Freundinnen beklagt hat, weil er so unsensibel, desinteressiert und unkultiviert ist?

Ist es am Ende die Erkenntnis, dass mit dem Lebensabschnittsgefährten zugleich der Getränkezusteller, Möbelpacker und PC-Fachmann ausgezogen ist? Oder, dass man einen Gegner auch umarmen kann, um ihn unschädlich zu machen?

Offenbar hat Frau Klums zukünftiger Exmann diese Fragen bereits für sich beantwortet - und beschlossen, sich auch wie einer zu verhalten: ein Exmann. Eine herbe Enttäuschung für das deutsche Model: "Ich weiß nicht, ob wir gerade die besten Freunde sind", schmollte sie auf der Talkshow-Couch von Moderatorin Katie Couric.

Ach, Heidi. Kennst Du die Antwort wirklich nicht? Ihr seid keine Freunde. Und wart auch niemals welche. Weil es offensichtlich Liebe war. Das muss es gewesen sein, sonst hättet ihr doch nicht jedes Jahr - mit venezianischen Masken, Federkostümen und allem Pipapo - euer Ehegelübde erneuert. Oder?

Sei lieber froh, dass Seal nicht dein Kumpel sein will. Katharine Hepburn hat mal gesagt: "Wenn Liebe in Freundschaft übergeht, kann sie nicht sehr groß gewesen sein."

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