Kinderhilfswerk kritisiert Babyklappen:Zahl getöteter Säuglinge konstant

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Vor zehn Jahren wurde in Hamburg die erste Babyklappe eingerichtet. Sie soll verzweifelten Müttern einen letzten Ausweg bieten. Skeptiker sehen jedoch die Rechte der Kinder in Gefahr und betonen, dass die Zahl getöteter Babys dadurch nicht zurückgegangen ist.

Sie werden in Müllcontainer gelegt, unter Büschen versteckt oder im eigenen Garten vergraben: Trotz Babyklappen kommt es immer wieder vor, dass Eltern ihr neugeborenes Kind umbringen. 16 tote Säuglinge wurden im vergangenen Jahr in Deutschland gefunden, wie eine Auswertung des Kinderhilfswerks Terre des Hommes ergab. Neun Kinder wurden in Innenstädten, an Parkplätzen oder vor Kliniken ausgesetzt.

Babyklappen wie diese in Hannover sollen einen allerletzten Ausweg für verzweifelte Mütter bieten - Kritiker sehen darin allerdings keinen Mehrwert. (Foto: dpa)

Auch in Städten, in denen Babyklappen existierten, seien Säuglinge nach der Geburt ausgesetzt oder getötet worden, sagte der Sprecher der Organisation, Michael Heuer. "Das sind Frauen, die in Panik gehandelt haben. Die werden von den Angeboten nicht erreicht." Die anonymen Abgabestellen seien wirkungslos, denn Kindstötungen würden sie nicht verhindern. "Sie sorgen nur für eine illegale Möglichkeit, sich eines Kindes zu entledigen."

Die Neue Osnabrücker Zeitung hatte die Zahlen zuvor veröffentlicht. Terre des Hommes erhebt diese seit 1999 durch die Auswertung von Medienberichten.

Im Jahr 2000 wurde in Hamburg Deutschlands erste Babyklappe eingerichtet. Seither sollen in mehr als 80 Städten solche Abgabestellen entstanden sein. Genaue Zahlen liegen nach Angaben des Bundesfamilienministeriums allerdings nicht vor, da es keine gesetzliche Grundlage für Babyklappen gibt und diese somit keiner staatlichen Kontrolle unterliegen.

Obwohl die Zahl der Babyklappen in den vergangenen Jahren gestiegen sei, sei die der getöteten Kinder nicht zurückgegangen, sagte Terre-des-hommes-Sprecher Heuer. 2001 zählte die Organisation 17 tote Babys, 2006 waren es 32 und 14 im Jahr 2010. Eine offizielle Statistik zu den getöteten oder ausgesetzten Neugeborenen gibt es jedoch nicht. Das Kinderhilfswerk geht daher davon aus, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegt.

"Das greift, wenn sonst nichts mehr geht"

Das Diakonische Werk der evangelischen Kirche in Hannover, das seit 2001 mit anderen Trägern eine Babyklappe an einem Krankenhaus betreibt, sieht diese Einrichtung allerdings als sinnvollen letzten Ausweg. "Das Babykörbchen greift dann, wenn sonst für die Mutter scheinbar gar nichts mehr geht", sagte der Leiter des Schwangeren- und Mütternotrufs Mirjam, Heino Masemann. "Es geht hierbei darum, den Frauen und Müttern beizustehen und eine Atempause zu schaffen." Diese könne genutzt werden, um eine Lösung zu finden.

Der Deutsche Kinderschutzbund hält Babyklappen dagegen für problematisch, da diese das Recht des Kindes verletzten, seine Herkunft zu erfahren und eine Beziehung zu den Eltern aufzubauen. Als Alternative sieht der Verein die vertrauliche Geburt, die der Deutsche Ethikrat bereits 2009 vorgeschlagen hatte. Dabei werden die Daten der Mutter zunächst nicht dem Standesamt gemeldet, sondern sind nur der Beratungsstelle bekannt. "So hat die Frau ein Jahr Zeit zu überlegen, ob sie das Kind zur Adoption freigibt oder wieder zurücknehmen will", sagte die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth.

Das Bundesfamilienministerium prüft nach Angaben einer Sprecherin derzeit eine solche Regelung. Das Deutsche Jugendinstitut erarbeitet dafür eine Studie über Babyklappen und anonyme Geburten, deren Ergebnisse Ende Februar vorliegen sollen.

© Süddeutsche.de/dpa/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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