Illegaler Fischfang:Kampf gegen die Wilderer auf hoher See

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Das Logo der Organisation "Sea Shepherd" stammt aus den Zeiten, als ihre Mitglieder international noch viel Kritik auf sich zogen. (Foto: Imago/Steinach)

Die Aktivisten von "Sea Shepherd" waren mal als Öko-Piraten berüchtigt. Heute wollen sie den kriminellen Fischfang legal bekämpfen.

Von Jens Schneider

Die Patrouillenfahrt, von der Kapitän Peter Hammarstedt erzählt, klingt für einen Moment wie eine Piratengeschichte. Mit großem Tempo nähert sich sein Schiff, die "Bob Barker", auf dem Ozean vor der Küste von Liberia dem Fischtrawler. Es muss jetzt schnell gehen, er will ihm den Weg abschneiden. Die Fischer sollen keine Gelegenheit haben, die Gewässer von Liberia zu verlassen und sich mit ihrem Fang noch davon zu machen. "Zwei Dingys machen sich von unserem Boot aus auf den Weg", berichtet Hammarstedt, ein kräftiger Kerl mit einer tiefen Stimme. Auf den Schlauchbooten sind auch bewaffnete Männer. Sie machen seitwärts am Fischtrawler fest, bringen die Brücke unter ihre Kontrolle und stoppen den Motor.

Hammarstedt ist 34 Jahre alt, der Schwede fährt seit einigen Jahren als Seemann auf Schiffen der Meeresschutz-Aktivisten "Sea Shepherd". Er hat eine Menge gesehen. Aber was sie an diesem Tag beim Einsatz vor der Westküste Afrikas entdecken, prägt sich als Bild fest in ihm ein. Denn an Bord des Fisch-Trawlers, den sie gerade geentert haben, höchst legal, wie noch zu erzählen sein wird, entdecken die Inspektoren eine geheime, illegale Hai-Ölproduktion. Dieses Öl, gewonnen aus der Leber der Fische, hat einen bizarren Ruf als ein angeblich besonders wirksames, natürliches Heilmittel. Für die Haie aber ist das so fatal wie auch die Leidenschaft vor allem der Chinesen für Suppe aus Haifischflossen. Seit langem warnen Experten, dass Haie vom Aussterben bedroht sind.

"Wäre dieses Schiff nicht festgesetzt worden", erklärt Hammarstedt, "so hätte es die Population an Tiefseehaien an der Küste vor Liberia weitgehend vernichtet." Er rechnet vor, wie allein für die illegale Produktion auf diesem einen Schiff monatlich Zehntausende Haie getötet werden mussten. Mit dem Einsatz der "Bob Barker" sei das vorbei gewesen. "Das Schiff wurde in den Hafen gebracht und für sechs Monate festgehalten", sagt er und schätzt, eine viertel Million Haie seien gerettet worden.

Hammarstedt ist am diesem Abend nach Berlin gekommen, um über die außergewöhnliche Mission seines Schiffs zu berichten. Eine Mission, die wohl mehr für den Schutz bedrohter Arten leistet als einst die spektakulären Attacken auf Walfänger, mit denen die Aktivisten von Sea Shepherd vor Jahrzehnten auffielen. Gut hundert meist junge Menschen hören in einem Stadtteil-Treff in Berlin-Moabit zu, wie er gemeinsam mit Kapitän und Sea-Shepherd-Direktor Alex Cornelissen erzählt, wie durch illegale Fischerei die Ozeane zu Wüsten aus Wasser zu werden drohen. Und wie die Produkte aus den illegalen Fängen am Ende auch auf unseren Märkten in Europa landen.

"Es ist in Ordnung, kein Pirat mehr zu sein, wenn es unseren Zielen hilft"

Viele der Zuhörer tragen Sweatshirts mit dem Totenkopf-Logo der Organisation, das aus den Zeiten stammt, als ihre Aktivisten sich einen Ruf als "Öko-Piraten" machten und international auch viel Kritik auf sich zogen, weil sie bei ihrem Einsatz gegen die Schiffe Walfänger mit waghalsigen Manövern die Grenzen des Legalen überschritten. Gegen ihren Gründer Paul Watson, der heute weitgehend im Hintergrund wirkt, wurde ein internationaler Haftbefehl erwirkt. Wenn Kapitän Hammarstedt jetzt mit seiner Crew zu einer Mission aufbricht, bewegen sich die Piraten von einst nicht nur innerhalb der Gesetze. Sie bringen die einheimischen Gesetzeshüter vor den Küsten von Liberia, Gabun oder Benin zu ihren Einsatzorten.

Die bewaffneten Männer an Bord der "Bob Barker" kommen vom Küstenschutz des jeweiligen Landes und sind ihrerseits der Geleitschutz für Inspektoren des Fischereiministerium. Sie fragen an Bord des Kahns nach Papieren und Lizenzen und untersuchen dann jeden Winkel nach Spuren für illegale Fischerei. Hammarstedt und seine Leute bleiben im Hintergrund. Seine durch Spenden finanzierte Organisation Sea Shepherd stelle dem Land, dessen Küstenwache diese Mittel nicht hat, seine Mannschaft und ihrem Boot und auch den Treibstoff zur Verfügung für den Einsatz gegen um illegale Fischereiboote, die meist nachts aus dem Ausland in ihre Hoheitsgebiete eindringen.

"Wir sind im Grunde ein Transport-Service", sagt Hammarstedt. "Wir handeln komplett unter den Direktiven der Regierung." Die aufgebrachten Schiffe werden oft für Monate festgesetzt, auch Geldstrafen verhängt, manche Kapitäne kämen in Haft, erzählt Hammarstedt.

Er ist vor Jahren als junger Bursche zu Sea Shepherd gekommen, hat unter Deck angefangen, als Helfer im Maschinenraum. Schon als Schüler wollte er unbedingt auf eines der Boote der Meeresschutz-Aktivisten. Das Bild eines Walfängers im Umgang mit seiner Beute habe ihn nicht mehr losgelassen, erzählt Hammarstedt: ein riesiger Wal, frisch erlegt, wurde auf an Deck gezogen. "Das war für mich so brutal. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass es so etwas gibt", erinnert er sich. Aktivisten versuchten mit ihrem Schlauchboot, dazwischen zu kommen. Hammarstedt erzählt, wie er sich bald darauf jeden Tag bei Sea Shepherd gemeldet habe, bis sie ihn endlich auf eines ihrer Schiffe holten. Er lernte erst die einfachen Aufgaben an Bord, erwarb später auf Seefahrtsschulen das Kapitänspatent, um nun schon seit Jahren eines ihrer Boote zu führen.

Gegen die Überfischung der Meere

Alle an Bord leben vegan, niemand an Bord isst oder nutzt Fischprodukte, bei ihren Einsätzen geht es den Aktivisten nun aber nicht darum, grundsätzlich Fischfang zu verhindern. Sie kämpfen gegen illegalen Fang und die Überfischung der Meere. Als Hammarstedt und seine Gefährten über Monate ein illegales Fischereiboot verfolgten, war ihm aufgefallen, dass eine Art Polizei auf den Weltmeeren fehlte, um Boote zu verfolgen, die nach nicht genehmigten, unverantwortlichen Methoden oder schlicht illegal fischen. Er führte erste Gespräche mit den Behörden in Gabun, eine Kooperation wurde vereinbart. Bald zogen andere Länder nach.

Die Einsätze geben nicht so spektakuläre Bilder ab wie einst der Kampf gegen den Walfang. Aber der Nutzen für die Meereswelt sei am Ende sogar größer. "Es ist in Ordnung, kein Pirat mehr zu sein, wenn es unseren Zielen hilft", sagt Hammarstedt. Die Länder könnten durch diese Hilfe dafür sorgen, dass der Fischbestand vor ihren Küsten sich erhole. Es gehe dabei auch um die Lebensgrundlagen der einheimischen Fischer, die mit kleinen Booten unterwegs sind und gegen die Schiffe der ausländischen Fischereiindustrie keine Chance hätten. "Wir holen dort die See aus den Händen der Wilderer zurück." Wenige Tage nach dem Gespräch in Berlin hat Hammerstedt sich auf den Weg zurück nach Westafrika gemacht.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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