Fehlende Nährwertangaben:Tickende Kalorien-Bomben

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Kalbsleberwurst, Kokospralinen, Schokolade: Viele Kalorienbomben werden als leichte Kost beworben. Verbraucherschützer kritisieren fehlende Nährwertangaben.

Johann Osel

Langsam zieht sich die Blondine am Traumstrand den schneeweißen Hut vom Kopf und beißt in das Kokosbällchen hinein. Im Hintergrund tanzen gleichsam attraktive Frauen, ein Adonis macht einen Kopfsprung ins Wasser. In der nächsten Szene des Werbespots klatscht eine Mandel in ein Meer aus Milch, gleitet in einen Regen von Kokosraspeln und taucht als Praline wieder auf - "ganz ohne Schokolade", verspricht der Slogan des Süßwarenherstellers.

Die sommerliche Idylle verheißt Leichtigkeit. Dass die Packung mit vier Stück, wie sie an Supermarktkassen als Stopper angeboten wird, so viele Kalorien hat wie sechs frittierte Hähnchen-Nuggets, verschweigt die Frau mit dem weißen Hut. Selbst herausfinden wird es der Kunde wohl kaum - der Hersteller von Schokoriegeln, Pralinen und Nougatcreme, geizt auf den Packungen mit Nährwertangaben. Ein Einzelfall ist das nicht.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat nun bei einer bundesweiten Untersuchung mehr als 3500 Lebensmittel von knapp 50 Herstellern unter diesem Aspekt geprüft. Das Ergebnis: Gerade bei zucker- und fetthaltigen Lebensmitteln wie Süßigkeiten, Milchprodukten oder auch Wurst fehlten oft die relevanten Nährwertangaben. Bei knapp 15 Prozent aller untersuchten Artikel gebe es überhaupt keine Angaben, bei zwei Drittel der Produkte seien sie unzureichend.

Beim Hersteller der Kokospraline fand sich nur ein einziges Produkt unter 36, das mit der Angabe zum Zuckergehalt versehen war. Besonders schlecht schnitten generell Markenartikler ab: Den letzten Platz belegte ein Fabrikant quadratischer Schokotafeln, kein einziges seiner Produkte war gekennzeichnet. Und selbst hinter als "leicht" oder gar "himmlisch leicht" angepriesenen Waren kann sich ein Dickmacher verbergen - ohne dass der Kunde darüber informiert wird.

Zuckerbomben und Fettfallen entlarven

Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Kennzeichnung zwar nicht: "Das wäre aber eine wichtige Voraussetzung, um Dickmacher zu entlarven", erklärt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Im Idealfall sollten Produkte sogar mit den acht wichtigsten Nährwertangaben versehen sein: Kalorien, Eiweiß, Kohlenhydrate, Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe und Salz. Auffällig sei, dass gerade Kalorienbomben ungekennzeichnet bleiben. So werde etwa Kalbsleberwurst - bei der man schon mal gerne wüsste, was drinsteckt - ohne Kennzeichnung angeboten.

Beim fettarmen Schinken, der nur gut 100 Kalorien pro 100 Gramm hat, der gleichen Marke wird dagegen nur allzu gerne über den Nährwert informiert. Am häufigsten fanden sich Kennzeichnungen übrigens beim Discounter Aldi, nur bei sechs Prozent der Produkte fehlten die vollen acht Werte. Offensichtlich können Händler auf die Hersteller Druck für eine bessere Kennzeichnung ausüben, heißt es: So gebe es einige Süßwaren, die nur bei Aldi die entsprechenden Angaben aufweisen.

Die Verbraucherschützer sprachen sich erneut für eine Lebensmittelampel aus, durch die Kunden auf einen Blick "Zuckerbomben und Fettfallen entlarven" könnten. Die Lebensmittelindustrie stemmt sich mehrheitlich gegen die Ampel; sie befürchtet, dass Produkte dadurch als negativ gewertet würden. Nach langem Streit hängt das Vorhaben derzeit auf EU-Ebene fest, in Kürze soll es zumindest eine erste Lesung für einen Gesetzesentwurf geben.

© SZ vom 16.09.2009/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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