Expertentipps zur Erziehung:Patchwork-Familien brauchen sehr viel Zeit

Kinderbetreuung nach Trennung

Drei plus eins ergibt vier? Bei Patchwork-Familien geht diese Rechnung nicht immer auf. Oder jedenfalls nicht sofort.

(Foto: stockcreations - Fotolia)

Niemand will die böse Stiefmutter sein: Wenn sich Vater oder Mutter nach einer Trennung verlieben, muss der neue Partner auch das Herz der Kinder erobern. Keine leichte Aufgabe. Wie es trotzdem gelingen kann, erklärt Mediatorin Monika Czernin im Interview.

Von Katja Schnitzler

Während der Vater die neue Freundin oder die Mutter den neuen Freund einfach wunderbar findet, ist die oder der Fremde für das Kind erst einmal nur sonderbar - im besten Fall. Familiencoach Monika Czernin gibt Tipps, wie aus einer noch ungewohnten Beziehungskonstellation eine stabile Patchwork-Familie werden kann.

SZ.de: Die Eltern haben sich getrennt und ein Elternteil hat einen neuen Partner. Wann sagt er es seinem Kind?

Monika Czernin: Erst dann, wenn er glaubt, dass die neue Beziehung von Dauer sein wird. Das ist nicht so einfach, vor allem für den Elternteil, bei dem die Kinder die meiste Zeit leben. Doch wenn diese Beziehung wieder auseinandergeht, müssen die Kinder mit einem weiteren Verlust fertigwerden. Gerade getrennt lebende Väter haben oft schnell wieder eine Partnerin. Auch da gilt, dass die Kinder erst miteinbezogen werden, wenn sich die Beziehung gefestigt hat.

Während der verliebte Elternteil den neuen Partner einfach wunderbar findet, lehnen Kinder ihn oft zumindest am Anfang ab. Was bedeutet für sie der Neuankömmling in der Familie?

Auch wer frisch verliebt ist, muss sich bewusst machen, dass dieser Partner für das Kind ein völlig Fremder ist. Kleinere Kinder empfinden ihn oft als Bedrohung: Sie haben Angst, der neue Partner könnte ihnen die Mutter oder den Vater wegnehmen. Das ist verständlich und erfordert viel Geduld und Einfühlungsvermögen. Wenn die Beziehung der Eltern schwierig ist, etwa weil der eine dem anderen die Trennung verübelt oder diese noch sehr frisch ist, stürzt das Kinder oft in Loyalitätskonflikte. Zu wem sollen sie nun halten, und dürfen sie den neuen Partner nett finden? Für das Gelingen der Patchworkfamilie gilt also: Die Eltern müssen ihre Paarbeziehung klären und zu einem neuen Miteinander finden, den Kindern zuliebe.

Wie kann der neue Partner eine Beziehung zu den Kindern aufbauen?

Er muss vor allem tolerant sein und sich stark zurücknehmen. Vielleicht muss er sich eine Zeit lang mit der Rolle des fünften Rades am Wagen zufriedengeben. Aber mit viel Zeit und Geduld kann er eigenständige Beziehungen zu den Kindern knüpfen und einen guten Platz in der Familie finden.

Wie könnte das konkret aussehen?

Mit einem Stufenprogramm: Das neue Paar sollte nicht gleich zusammenziehen und die Kinder vor vollendete Tatsachen stellen. Der Freund der Mutter sollte die Familie zuerst nur besuchen. Vielleicht stellen die Kinder dann fest, dass er auch gerne Monopoly spielt, dass er etwas besonders gut kann und er eigentlich ganz in Ordnung ist. Dann hat er die ersten Hürden schon genommen und das neue Paar kann den nächsten Schritt unternehmen: ein Wochenende zusammen verbringen, vielleicht ein paar Ferientage. Und wenn die neuen Beziehungen gefestigt sind, kann die Stieffamilie schließlich zusammenziehen.

Neue Familie, neue Geschwister

Und wenn das Kind bei seiner Ablehnung bleibt?

Das könnte daran liegen, dass sich der neue Partner nur deshalb mit den Kindern beschäftigt, weil er der Mutter oder dem Vater gefallen will. Kinder merken, wie ernst es Erwachsene mit ihren Beziehungsangeboten meinen. Wer eigentlich nur den Elternteil will und die Kinder gar nicht dazu, sollte besser nicht einziehen, sondern sich auf Treffen an freien Abenden beschränken. Sonst geht das nicht gut.

Oft ist der neue Partner nicht allein, sondern hat selbst schon Kinder. Die eigenen werden plötzlich mit potenziellen "Stiefgeschwistern" konfrontiert.

Hier sollten sich die Eltern nicht zu viel einmischen und die Kinder selbst ihre Form des Miteinanders finden lassen. Sie können dafür Gelegenheiten schaffen, aber auch Rückzugsmöglichkeiten bieten - und die einzelnen Kinder mit ihren jeweiligen Bedürfnissen ernst nehmen. Wenn der Platz es zulässt, sollten auch nicht alle gleich in einem Kinderzimmer miteinander auskommen müssen. Aber die Beziehung zu den Stiefgeschwistern kann zu einer Bereicherung für das eigene Kind werden: Viele Kinder haben enge Beziehungen zu ihren Stief- oder Halbgeschwistern und profitieren ein Leben lang davon.

Das klingt sehr nach heiler Welt ...

Ob Kernfamilie, Stieffamilie oder Einelternfamilie, es ist ja nicht die Familienform, die bestimmt, ob ein Kind glücklich aufwächst. Sondern ob sich das Kind in der Familie entfalten kann, seine Bedürfnisse ernst genommen werden und die Beziehungen innerhalb der Familie intakt sind. Eine Patchworkfamilie besteht aus sehr vielen unterschiedlichen Beziehungen: zum neuen Partner, zu den eigenen Kindern, zu Stiefkindern, neuen Kindern, zum getrennten Elternteil und all denjenigen, die dort zur Familie gehören. Das ist ganz schön kompliziert, aber es kann auch eine Chance für alle sein.

Wie kann das gelingen?

Eltern sollten sehr bewusst darauf achten, dass kein Kind benachteiligt werden darf - selbst wenn nicht alle gleich gut miteinander auskommen, aber das müssen sie ja auch nicht. Dann ist diese erweiterte Familie durchaus eine Bereicherung für ein Kind. Wenn es sagt, "Die anderen sind so arm, die haben nur zwei Eltern. Ich aber habe vier!", dann weiß das neue Paar, es hat vieles richtig gemacht.

Monika Czernin ist Mediatorin und Familiencoach und hat gemeinsam mit Remo H. Largo (der Schweizer Kinderarzt ist auch Autor der Bestseller "Babyjahre" und "Kinderjahre") das Buch "Glückliche Scheidungskinder" verfasst. Sie lebt selbst nach einer Scheidung mit ihrer Tochter in einer Patchwork-Familie. Im Erziehungsratgeber auf Süddeutsche.de hat sie auch erklärt, worauf Eltern bei einer Trennung achten sollten, damit ihre Kinder ohne Trauma daraus hervorgehen.

Am Anfang einer Patchwork-Familie steht das Kennenlernen. Während die frisch verliebten Elternteile das Gefühl haben, füreinander bestimmt zu sein, treffen Töchter und Söhne auf Fremde mit deren Kindern - leider völlig voreingenommen. Die Erziehungs-Kolumne.

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