DJ Michel Gaubert:Der Soundstylist

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Der Pariser Designer und DJ Michel Gaubert mixt die perfekte Musik zu den großen Modeschauen.

Jina Khayyer

"Ich besitze insgesamt 24 iPods. Wenn ich meine komplette iTunes-Liste abspielen würde, nonstop, könnte ich 30 Monate lang ununterbrochen Musik hören. Karl Lagerfeld hat sicherlich mehr iPods als ich - aber in meiner Plattensammlung kann er mich nicht schlagen. Ich gebe ungefähr 4000 Euro im Monat nur für Musik aus.

Der Pariser DJ Michel Gaubert arbeitete schon für viele namhafte Labels, darunter Newcomer wie Proenza Schouler und Rodarte. 2008 entwarf er außerdem eine DJ-Taschen-Kollektion für Longchamp. (Foto: Foto: privat)

Karl war es auch, der sich diese Berufsbezeichung für mich ausgedacht hat: "Soundstylist". Irgendwann sagte er mal zu mir: ,Wenn es Hairstylisten gibt, soll es auch Soundstylisten geben. Und du, Michel, bist ein Soundstylist.

Es gibt kein Rezept für den perfekten Sound. Den Soundtrack für ein Defilee zu machen ist wie eine Dissertation zu schreiben: Man bekommt ein Thema zugewiesen und muss das bearbeiten; das heißt, in meinem Fall: bespielen. Natürlich kann das auch mal schiefgehen. Monsieur Ungaro hatte sich einmal gewünscht, dass ich - in dem Moment, in dem er den Laufsteg betritt - "Rebel Yell" von Billy Idol spiele. Suzy Menkes schrieb daraufhin: ,Ungaro ist kein Rebell‘. Manchmal unterschätze ich, welche Aussagekraft Musik bei einer Modenschau hat. Seitdem orientiere ich mich stärker an der Persönlichkeit, die hinter der Marke steht:

Chanel klingt natürlich ganz anders als Balenciaga, Jil Sander oder Raf Simons. Nehmen wir einmal Chanel: Wir machen im Jahr sechs Shows. Ich sehe die Kollektion vorher und bespreche mit Karl, wie sie klingen soll. Die Musik einer Pret-à-porter-Kollektion muss gute Laune machen. Letzten Oktober, als Karl die Fassade des Chanel-Geschäfts aus der Rue Chambon im Grand Palais hat aufstellen lassen, habe ich einen Mix aus "Our House" von Madness und "Paris is Burning" von Ladyhawk gespielt.

Haute-Couture-Schauen sind mondäner, der Sound darf merkwürdig sein und experimentell. Die nächste Chanel-Couture-Show wird kommenden Dienstag in Paris gezeigt, um 21 Uhr. Da kann ruhig eine Nachtclub-Atmosphäre mitschwingen. Die Shows der Cruise-Kollektionen sind kleiner, es sind weniger Gäste geladen, die Location ist sehr speziell. Für diese Shows buchen wir oft Bands, die live spielen. Wie Anfang Juni für die Kollektion "Paris-Venice", die in Venedig gezeigt wurde: Dort spielte die Band Something A la Mode live. In diesem Fall sollte der Sound Karls Persönlichkeit widerspiegeln, und Something A la Mode klingt nach Karl.

Meine erste Musikerinnerung? Als kleiner Junge wollte ich Sänger werden. Meine Eltern hörten viel Serge Gainsbourg, France Galle, Miles Davis, Jazz. Ich drehte die Rolling Stones auf, und hampelte dann zu Songs wie "Jumpin' Jack Flash" durch mein Zimmer, als wäre ich ein Rockstar. Ich lernte Englisch, damit ich die Texte besser verstand. Als Teenager fuhr ich dann nach London, um mir Platten zu kaufen.

Karl Lagerfeld kenne ich seit den frühen achtziger Jahren. Damals hatte ich gerade meinen Militärdienst quittiert; und zwar so: Ich stellte mich vor meinen Offizier hin und sagte: "Ich will austreten, ich bin schwul." Und was sagte er darauf? "Verstehe, ich bin auch schwul". So etwas gab es nur in den 80ern. Tagsüber arbeitete ich dann in einem Plattenladen, nachts legte ich im "Le Palace" auf. Die Diskothek war damals Zentrum des Hedonismus: Alles, was zählte, war Spaß, Sex, Drogen. Das "Le Palace" war der erste Club in Paris, wo sich alle mischten; Homosexuelle und Heteros, die Bourgeoisie, die Mode- und Kunstszene. Thierry Mugler, Montana, Prince, Yves (Saint Laurent, die Red.), Françoise Sagan - alle waren da und haben exzessiv gefeiert. Dort lernte ich Karl kennen. 1981, oder 1982, nahm er mich auf meine erste Modenschau mit, zu Chloé; und kurze Zeit später fragte er mich, ob ich nicht die Musik zu seiner Show machen will.

Im Unterschied zu anderen DJs habe ich ein recht kleines Ego. Ich habe keine Angst vor Trash und kann auch geschmacklose Musik spielen, wie Boney M. - ich mache die Musik ja schließlich für andere, nicht für mich. Und im Unterschied zu anderen habe ich seit 1988, seitdem ich bei Betty Ford Hilfe fand, keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken und keine Drogen mehr angerührt.

Ein paar kleine Süchte habe ich noch. Aber ich will in folgender Reihenfolge damit aufhören: Zigaretten, Schlaftabletten, Cola Light."

© SZ vom 04.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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