Deutsche Hilfe für Japan:Spenden an ein reiches Land

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Die Deutschen spenden für die Menschen im Katastrophengebiet - obwohl Japan selbst eine wohlhabende Industrienation ist. Welchen Sinn haben die Spenden? Wo kommen sie an? Was Hilfsorganisationen sagen.

Ulrike Bretz

Auf der Leipziger Buchmesse falten sie Kraniche, die Bayerische Staatsoper veranstaltet ein Benefizkonzert, in Firmen gehen die Spendenbüchsen um, Bundeskanzlerin und Bundespräsident appellieren an die Großzügigkeit der Bürger: Die Deutschen zeigen sich solidarisch mit Japan. Ihr Mitgefühl äußert sich in Geldspenden - Geld für eine reiche Industrienation.

Die Katastrophe in Japan ist in Deutschland allgegenwärtig: Die Spendenaufrufe nehmen immer weiter zu. Auf der Leipziger Buchmesse sammelt die in Leipzig lebende Japanerin Kiyomi Tsumaya für die Opfer von Erdbeben und Tsunami. (Foto: dapd)

Allein beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) sind seit dem Erdbeben und dem Tsunami an Japans Küste vergangenen Freitag 2,9 Millionen Euro eingegangen - etwa genauso viel wie in der ersten Woche nach dem Erdbeben in Haiti 2010, einem Entwicklungsland.

Svenja Koch, Pressesprecherin des DRK, versichert, dass auch im wohlhabenden Japan die Hilfe aus Deutschland dringend benötigt wird. "Wir arbeiten eng mit dem Japanischen Roten Kreuz zusammen", sagt sie, "die Kollegen kümmern sich zur Zeit sehr engagiert um die Menschen, die aus dem Katastrophengebiet evakuiert werden mussten."

Ist die Soforthilfe abgeschlossen, fließt das Geld in den Wiederaufbau. Straßen, Wohnhäuser, Schulen und Gesundheitszentren müssen neu errichtet werden. Und auch für die Vorsorge wird Japan Mittel brauchen - Freiwillige werden zu Ersthelfern ausgebildet, die Menschen für den Erstfall vorbereitet werden. Denn, so die DRK-Sprecherin: "Nach dem Erdbeben ist vor dem Erdbeben."

Auch Caritas International versichert auf sueddeutsche.de-Anfrage, man könne das gespendete Geld - bislang etwa 200.000 Euro - sinnvoll in Japan einsetzen. Das liege, so Pressereferent Achim Reinke, vor allem daran, dass die Caritas direkt mit der Partnerorganisation in Japan zusammen arbeite. Der Großteil der Spenden werde in den Wiederaufbau fließen, so Reinke. Er rechnet damit, dass vor allem soziale Einrichtungen für alte und kranke Menschen gebraucht werden, außerdem sollen Suppenküchen für Obdachlose entstehen.

Sollte die Großzügigkeit der Deutschen noch weiter wachsen, könnte es schwierig werden, das Geld sinnvoll für Japan zu verwenden. "Wir bitten unsere Spender deshalb, ihre Überweisung nicht direkt an Japan zu binden", erklärt Reinke. Dann würde die finanzielle Hilfe denen zugute kommen, die sie gerade am dringendsten benötigen.

Es gibt schließlich auch noch die Hilfsbedürftigen in anderen Krisenregionen der Erde. Kommen sie, angesichts des großen Medieninteresses an Japan, nun zu kurz? "Tatsächlich sterben im Kongo seit Jahrzehnten Menschen, ohne dass das im Westen zur Kenntnis genommen wird", sagt Reinke. "Wir ermuntern die Spender, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen."

Die Organisation "Aktion Deutschland Hilft", ein Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, hat im Gegensatz zu Caritas und DRK nur verhalten zu Spenden für die Opfer des Erdbebens und Tsunamis in Japan aufgerufen. Pressereferentin Birte Steigert sagt, man habe lange diskutiert, wie man vor Ort helfen könne - in einem Land, eigentlich in der Lage ist, sich selbst zu helfen.

Auch wenn Steigert sicher ist, dass in Japan Bedarf vorhanden ist - etwa für den Aufbau zerstörter Kinderheime: Da noch nicht absehbar ist, wie viel Geld in Japan tatsächlich gebraucht wird, hofft auch sie auf möglichst viele ungebundene Spenden.

Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" bittet auf ihrer Homepage sogar darum, von zweckgebundenen Spenden für Japan ganz abzusehen: "Momentan können wir noch nicht abschätzen, in welchem Umfang humanitäre Hilfeleistungen durch Ärzte ohne Grenzen vor Ort notwendig und möglich sind."

Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) in Berlin hat eigens eine Liste derjenigen Hilfswerke zusammengestellt, die gezielt zu Spenden für Opfer in Japan aufrufen und besonders förderungswürdig sind. Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der Stiftung, erklärt auf sueddeutsche.de-Nachfrage, dass nur Organisationen berücksichtigt seien, die über bewährte Verbindungen nach Japan verfügen.

Dass Japan selbst beträchtliche Kapazitäten besitzt, mit einer Katastrophe umzugehen, ist für Wilke kein Grund, nicht zu spenden: "Auch Menschen in einem reichen Land können hilfsbedürftig sein", sagt er - und erinnert an das Elbehochwasser in Deutschland 2002.

Damals seien 350 Millionen Euro aus anderen deutschen Regionen gespendet worden. "Jeder muss sich selbst die Frage beantworten, wer Hilfe nötiger hat - der Bedürftige im reichen Japan oder der Bedürftige im armen Sudan. Man sollte nicht den einen gegen den anderen ausspielen."

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