Wien: Lange Nacht der Bestatter:Ich will da nicht rein

Wien ist immer ein bissl anders: Mitten im Wonnemonat laden die Stadtwerke zu einer Langen Nacht der Bestatter auf den Zentralfriedhof - inklusive "Leistungsschau", Probeliegen und dem Kinderprogramm "Sarg anmalen". A scheene Leich'!

Helmut Schödel

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Wiener Zentralfriedhof

Quelle: www.zentralfriedhof.org

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Wien ist immer ein bissl anders: Mitten im Wonnemonat laden die Stadtwerke zu einer Langen Nacht der Bestatter auf den Zentralfriedhof - inklusive "Leistungsschau", Probeliegen und dem Kinderprogramm "Sarg anmalen". A scheene Leich'! Die Bilder.

Bevor man ihm doch noch eines verpasste, wünschte sich der Schriftsteller, Kabarettist und Schauspieler Helmut Qualtinger "bloß kein Ehrengrab am Zentral". Gemeint war der Zentralfriedhof, der zweitgrößte Totenacker Europas, zu dem vom Wiener Stadtzentrum die Trambahn Nummer 71 hinausfährt. "Im 71er-Wagen in an schwarzen Gwand, den Parterzettel in der linken Hand", sah Qualtinger die Wiener zu jenem Ort in der Simmeringer Hauptstraße hinausfahren, der in ihrem Seelenleben einen bevorzugten Platz einnimmt, weshalb auch "Es lebe der Zentralfriedhof" immer mehr war als nur eine Schlagerpointe.

Text: Helmut Schödel/SZ vom 19.5.2011/sueddeutsche.de/rus

Alle Bilder und deren Rechte: www.zentralfriedhof.org

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Frühling in Wien. Da denkt man an blühende Bäume im Prater. Nach einem langen Winter meldet sich das Leben zurück. Aber Wien ist immer auch ein bissl anders, und so gab es jetzt, mitten im Wonnemonat, im Rahmen einer Veranstaltung der Stadtwerke eine Lange Nacht der Bestatter, eine "Leistungsschau" von 18 Uhr bis nach Mitternacht, natürlich am Zentralfriedhof und inklusive Kinderprogramm: "Sarg anmalen". Auf einen der Särge hatte ein Kind geschrieben: "Ich will hier nicht rein."

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Die Veranstaltung fand am "Tor 2", dem Haupteingang zu Füßen der mächtigen Friedhofskirche "Zum Heiligen Karl Borromäus" statt. Gleich hinter dem Tor ein Fuhrpark, die neuesten Leichenwagen. Der Cabriotyp - nur für den Einsatz auf dem Friedhof selber. In der Stadt eher die schönen langgezogenen Modelle mit Fenstern, hinter denen der Sarg gut sichtbar ist. Und daneben ziemlich hässliche, gedrungene, graue Transportwagen, in die zehn Tote passen. "Wir fahren jeden Tag auch die Krankenhäuser an", erklärte der Pompfüneberer, wie die Bestatter in Wien heißen. Aber auch von dort seien Einzelabholungen möglich, was eine Geldfrage sei. Die ist in der Regel geklärt. Für das Leben zahlt man in den "Sparverein", für den Tod in den "Sterbeverein".

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In einem kleinen Zelt, auf dem "Wiener Bestattung" stand, trat vor den Ehrengräbern von Beethoven und Schubert ein Sänger auf: "Lass, oh Welt, oh lass mich sein." Die Besucher spazierten gemächlich an ihm in Richtung Kirche vorbei, wo es auf einem Balkon zum "Turmblasen" kam, womit man wahrscheinlich tote Komponisten ehren wollte. Ein Bläserquintett spielte "Schöne Nacht, Liebesnacht".

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Man konnte in ein frisch ausgehobenes Grab schauen und sich die Kunst des Sargtragens erklären lassen. Das sei nicht unwichtig, sagte eine Passantin: "Mei Mutter hättens fast fallen lassen."

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Eine große Aufbahrungshalle war hell erleuchtet, aber weil es auf dem Zentralfriedhof ansonsten kein elektrisches Licht gibt, hatte man für die Nacht Fackeln vorbereitet, die auch den Weg bis zu Falcos Ehrengrab wiesen. "Fledermausführungen" gab es auch noch.

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Aber zu jeder "Leich", zu jedem Begräbnis gehört ein gutes Essen. Das gibt es gegenüber von Tor 1. Im ehemaligen Turmkontor einer K.-u.-k.-Steinmetzmanufaktur kann man bei Kerzenlicht gut speisen. Und zum Grab von Arthur Schnitzler sind es kaum hundert Schritte. So endete ein Besuch bei den Toten. Ein Höhepunkt des Wiener Frühlings. Denn in Österreichs Metropole hebt die Welt an zu singen, spricht man nur das Zauberwort: "Endstation". Bequem zu erreichen mit der Linie 71.

© SZ vom 19.5.2011/rus
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