Unesco-Weltkulturerbe:Auto schlägt Kultur

Eine Schnellstraßenbrücke mitten durchs Herz des Weltkulturerbes - unvorstellbar? Nicht für die Unesco, die nun den Bau der Mittelrheintal-Brücke bewilligte.

Gottfried Knapp

Rheinland-Pfalz jubelt: "Die Unesco hat grünes Licht gegeben, der Weg für den Bau einer Mittelrheinbrücke ist frei." Als Kenner der Situation darf man die politische Triumphformel um ein paar klärende Worte ergänzen: Der Weg für ein monströses Verkehrsbauwerk an einer der empfindlichsten Stellen der kulturgesättigten Tallandschaft zwischen Bingen und Koblenz ist tatsächlich frei.

Brücke im Loreleytal

Der neue Autobahnzubringer soll die Lebensbedingungen im Rheintal verbessern. Dass über diese Querspange ungeheure Verkehrsmassen durchs Tal geschleust werden, die Lärm und Müll hinterlassen, wird verschwiegen. Das Bild zeigt eine Visualisierung des Siegerentwurfs der geplanten Brücke.

(Foto: dpa)

Die Gründe, warum das Welterbekomitee bei seiner 34. Sitzung in Brasilia die geplante Brücke im Weltkulturerbe Mittelrheintal genehmigt hat, also auffällig anders entschieden hat als ein Jahr zuvor im ähnlich gelagerten Fall Waldschlösschenbrücke/Dresdner Elbtal - damals wurde der Stadt Dresden nach Jahren der Warnung der Welterbetitel endgültig aberkannt - waren zum Teil wohl recht banaler Natur und eher den Bereichen Klima und Atmosphäre zuzurechnen.

Von Dresden lernen

Die politisch Verantwortlichen in Sachsen haben auf die blamable Tatsache, dass ihre Kulturmetropole Dresden - gemeinsam mit den gesprengten Buddhastatuen in Afghanistan - jahrelang auf der Roten Liste der gefährdeten Kulturdenkmäler stand, mit offenem Hohn und Trotz reagiert und durch den überfallartigen Beginn der Bauarbeiten im Elbtal die Unesco direkt zum Handeln gezwungen. Die Pfälzer, durch das schlechte Beispiel der Sachsen gewarnt, haben bei ihren Brücken-Planungen von Anfang an Kontakt zu den zuständigen Stellen der Unesco gehalten und alle wichtigen Schritte bei den Gremien angekündigt.

So war das Welterbekomitee in diesem Jahr den deutschen Belangen gegenüber sehr viel milder gestimmt als im Vorjahr. Und da auch die Welterbestadt Regensburg zweier geplanter neuer Brücken wegen den Denkmalbehörden irgendwann Ärger bereiten dürfte, wollte man sich diesmal wohl vor dem Vorwurf schützen, man habe es auf deutsche Brückenbauprojekte abgesehen.

Die Mainzer Politiker profitierten also indirekt von den Fehlern, die in den Jahren zuvor in Dresden gemacht worden sind. Doch ihr Projekt wird durch die Zustimmung der Unesco nicht überzeugender, ihre Brücke passt deswegen nicht plötzlich besser in das Tal; die riesigen Probleme, die sie mit diesem gewaltigen Verkehrsbauwerk in das Weltkulturerbe hineinziehen werden, bleiben bestehen.

Was bleibt, sind Müll und Lärm

Grundsätzlich wäre gegen eine Brücke über den Rhein nichts einzuwenden, wenn sich das Objekt an die Größenordnungen und die Materialien der den Fluss flankierenden, im Kern mittelalterlichen Städtchen und Ortschaften halten würde. Doch schon des regen Schiffsverkehrs wegen, der eine Hochbrücke verlangt, ist an ein solches Brückenbauwerk nicht zu denken.

In Mainz stellt man sich auch nicht eine nette kleine Überquerung des Rheins vor, mit der man die Fähren zwischen St. Goar und St. Goarshausen ersetzen könnte, sondern eine autobahnartig schnelle Querverbindung zwischen den rheinparallelen Autobahnen A3 und A 61. Sie soll von den beidseitigen Hochflächen herunter durch die schluchtartig engen Seitentäler bis auf den engen Talboden hinabgeführt werden, wo sie die beidseits verlaufenden Eisenbahntrassen queren, aber auch umständlich an die querverlaufenden Uferstraßen angeschlossen werden muss, um dann in langen Kurven auf die Höhe über dem Schiffsverkehr hinaufgeschraubt zu werden.

Mit diesem schnellen Autobahnzubringer möchten die Politiker die Lebensbedingungen im Rheintal verbessern und der regionalen Wirtschaft neue Zukunftsperspektiven eröffnen. Doch dass über diese Querspange zwischen den beiden Autobahnen ungeheure Verkehrsmassen durchs Tal geschleust werden, die allenfalls Lärm und Müll hinterlassen, also den Ortschaften nichts Gutes bringen, wird in den Mainzer Lobsprüchen natürlich verschwiegen.

Vor allem aber: Die denkmalgeschützte Landschaft wird an einer ihrer schönsten Stellen durch ein zwangsläufig monumentales Bauwerk beschädigt. Nirgendwo ist die von der Unesco unter Schutz gestellte, das Tal begleitende Zone breiter als bei den beiden am Ufer einander gegenüberliegenden Zwillingsorten St. Goar und St. Goarshausen, die mit ihren eng um die Kirchtürme gedrängten alten Häusergruppen, mit den von den Höhen herabgrüßenden Burgen und den steilen Talhängen einen der Glanzpunkte der Drei-Sterne-Landschaft Rheintal bilden.

Das Elend der neuen Rheinbrücke

Ausgerechnet ein Stück weit unterhalb dieses von Burgen gesäumten Landschaftsensembles soll die Brücke errichtet werden. Da können sich in den Planzeichnungen der Wettbewerbsgewinner die Konturen des Bauwerks noch so ätherisch filigran über den Rhein schwingen; die elegant an Pylonen aufgehängte gekurvte Fahrspur muss an den Enden geerdet und über lange geschwungene Ausleger so mit den Uferstraßen verbunden werden, dass sich beidseitig mächtige Längsbrücken über die Ufer erheben werden, die schon aus großer Entfernung wahrzunehmen sind.

Besonders von den hochgelegenen Burgen aus - fast alle berühmten Ansichten des Tals sind von oben aufgenommen worden - wird das Elend der neuen Rheinbrücke zu betrachten sein. In dem großformatigen zweibändigen Fundamentalwerk über das Rheintal, das 2001 vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Mainzer Ministerium für Wirtschaft und Verkehr, dem heutigen Brücken-Betreiber, herausgegeben worden ist, wird dem Blick von der Burg Rheinfels über St. Goar auf die Partie des Rheins, an der die Brücke gebaut wird, "hohe erlebbare Vielfalt und Harmonie" zugebilligt, was im Rahmen der Untersuchungen höchstes Lob bedeutet. Doch werden schon damals "die starke Verbauung der Siedlungen" und "die Störwirkungen der Verkehrs-Trassen" getadelt, die den "Gesamteindruck einer gewachsenen Kulturlandschaft empfindlich" stören.

Mit diesem selbstkritischen Monumentalwerk dürfte das Land Rheinland-Pfalz seine Bewerbung bei der Unesco wirkungsvoll untermauert haben. Wenn nun aber die Schnellstraßenbrücke tatsächlich ins Herz des Weltkulturerbes gesetzt werden sollte, sollten wenigstens die Denkmalschützer des Landes, die dieses schöne kritische Dokumentationswerk zusammengestellt haben, ein schlechtes Gewissen bekommen - auch wenn das Welterbekomitee die Augen zudrückt.

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