Türkische Chronik (XVI):Erdoğan und Trump - Die Zeichen stehen auf hässliche Realpolitik

Türkische Chronik (XVI): Trump und Erdoğan, zwei Politker deren öffentliche Auftritte stets von großer Extraversion geprägt sind.

Trump und Erdoğan, zwei Politker deren öffentliche Auftritte stets von großer Extraversion geprägt sind.

(Foto: Robyn Beck; Yasin Bulbul)

Die beiden Männer respektieren sich gegenseitig für ihre erbarmungslose Stärke. Doch wie sie als Führungsfiguren miteinander umgehen werden, ist gefährlich offen.

Gastbeitrag von Yavuz Baydar

Als Mehmet Ali Yalçındağ im vergangenen Monat seinen Posten als Präsident der Doğan Media Group verlor, weil sein Boss und Schwiegervater Aydın Doğan ihn eigenhändig absetzte, waren sich die Beobachter einig, dass er von nun an nur noch in einem hinteren Winkel der Firma tätig sein würde. Diskreditiert, wie er war, schien Yalçındağ als Geschäftsmann erledigt.

Der Grund: Eine Gruppe namens Redhack hatte seine E-Mail-Passwörter entschlüsselt und seinen Schriftverkehr mit Berat Albayrak, dem türkischen Energieminister und Schwiegersohn von Präsident Erdoğan, enthüllt. Daraus war hervorgegangen, dass Yalçındağ sich nicht nur dafür eingesetzt hatte, die Nachrichten und Kommentare der Doğan-Medien in den von Erdoğan gezogenen Grenzen zu halten, sondern auch Firmengeheimnisse und Tratsch mit Albayrak ausgetauscht hatte.

Zur Person

Yavuz Baydar ist kein Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, sondern ein türkischer Gastautor. Er wurde 1956 geboren und ist Journalist, Blogger und Mitgründer von P 24, einer unabhängigen Medienplattform in Istanbul. Für seine Arbeit wurde er 2014 mit dem European Press Prize ausgezeichnet. Er hält sich derzeit außerhalb der Türkei auf. Für die SZ schreibt regelmäßig Gastbeiträge. Deutsch von Jonathan Horstmann.

Aydın Doğan, der durch die Enthüllung bloßgestellte und unter Druck geratene Chef der Mediengruppe, hat seit vielen Jahren ein holpriges Verhältnis zu Erdoğan. Man musste daher annehmen, dass es ihm einigermaßen ernst damit war, Yalçındağ loszuwerden, obwohl der behauptete, die aufgeflogene Kommunikation sei "manipuliert" worden.

Aber Yalçındağ verschwand nicht in irgendeinem hinteren Winkel. In der kurzen Zeit, die seit seiner Degradierung vergangen ist, hat er es geschafft, zu einer zentralen Figur der ganz großen Machtpolitik zu werden. Eine Stimme auf der anderen Seite des Atlantiks hat das Blatt für ihn gewendet: Donald Trump. Er bezeichnet Yalçındağ nicht nur als guten Geschäftspartner, sondern auch als "Buddy". Die Familien der beiden Männer kennen sich seit längerer Zeit und vertrauen einander.

Seinerzeit zustande gekommen war ihre Verbindung über die Trump Towers, einem majestätischen Doppelgebäude im Herzen Istanbuls. Die Türme gehören der Doğan-Gruppe, die für den Markennamen Trump eine Lizenzgebühr entrichtet. Trotz der bestehenden Spannungen mit Aydın Doğan hatte Erdoğan die Trump Towers im April 2012 eröffnet, damals noch als türkischer Ministerpräsident.

Erdoğan wollte die Türme kurzzeitig umbenennen

Die Stimmung trübte sich kurzzeitig, als Trump in seinen Wahlkampfreden Muslime angriff und ein Einreiseverbot in die USA für sie forderte. Erdoğan, zornig über diese Bemerkungen, reagierte darauf mit der Forderung, die Türme in Istanbul umzubenennen. Seine Idee wurde von den AKP-freundlichen Medien enthusiastisch aufgenommen und sorgte bei der Doğan-Familie für Verunsicherung. Doch schon wenig später verpuffte der Ärger - dank Trumps Lob für Erdoğan nach dem Putschversuch in der Türkei.

Yalçındağ, so wurde mir berichtet, erhielt von Trump eine Einladung nach New York, um der Stimmenauszählung in der Wahlnacht beizuwohnen. Erst soll er gezögert haben. Dann fuhr er hin und führte für sich selbst die Wende herbei. Kaum hatte sich Trumps Sieg abgezeichnet, wollte Erdoğan unbedingt zu den ersten Gratulanten gehören. Die türkischen Behörden konnten Trump allerdings nicht erreichen. Am Ende stellte Yalçındağ den Kontakt her.

Keiner kann vorhersagen, ob sich die angeknacksten Verbindungen zwischen den USA und der Türkei kitten lassen

Dass das mächtigste türkische Medienunternehmen, einflussreich in der Bau- und Immobilienwelt, sich auf derart seltsame Weise in die Weltpolitik einbringt, macht alles noch komplizierter. Keiner kann zur Zeit sicher vorhersagen, ob die angeknacksten Verbindungen zwischen den USA und der Türkei sich kitten lassen. In jedem Fall stehen die Trump Towers von Istanbul für die hierbei nicht unerhebliche Rolle der Doğan-Gruppe.

Vielleicht wird Erdoğan, der in angespannten Situationen immer pragmatisch auftritt, den Konzernchef Aydın Doğan und auch Yalçındağ bitten, sich für einen "persönlichen Dialog" mit dem neuen amerikanischen Präsidenten einzusetzen. Doğan könnte einen solchen Auftrag akzeptieren oder gerade ablehnen, er muss die Risiken abwägen. Ginge in der Kommunikation der beiden höchst temperamentvollen und gegensätzlichen Staatsoberhäupter irgendetwas daneben, würde es zu Erdoğan passen, die Mediengruppe dafür verantwortlich zu machen, mit allen Konsequenzen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass genau das passieren wird.

Noch wissen wir allerdings nicht, wie Trump mit dem russischen Präsidenten Putin umgehen wird, wie er sich dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad nähern wird. Sein Team hat sich zur AKP-Regierung unterschiedlich geäußert, ein großes Rätselraten. Erdoğan - in seinem offenen Konflikt mit der EU, seiner internationalen Isolation und seinem heiklen "Tänzchen" mit Putin - hofft bei Trump auf den Leitsatz nothing but business, eine stark vereinfachte Außenpolitik gewissermaßen. Außerdem verspricht er sich von der Zusammenarbeit mit ihm das Gefühl, global noch glaubwürdig zu sein.

Trump wird vermutlich ein Ende des Dschihadismus erwarten

Erdoğan verfolgt also ein doppeltes Ziel: politisches Überleben und Legitimität. Er weiß, dass der am Federal District Court in New York anlaufende Fall des iranisch-türkischen Goldhändlers Reza Zarrab ihm gefährlich werden kann. Denn Zarrab ist angeklagt, im großen Stil Geldwäsche betrieben zu haben, bei der angeblich auch Erdoğans engster Minister- und Verwandtenkreis mitmacht. Und Kopfschmerzen bereitet dem Präsidenten wohl auch die Weigerung der USA, Fethullah Gülen auszuliefern, den in Pennsylvania lebenden Geistlichen, den Erdoğan als Strippenzieher des Putschversuchs im Juli ansieht.

Trump wird umgekehrt, wenn überhaupt, ein Ende des Dschihadismus erwarten, ein Ende der Bestrebungen, mit Gewalt eine sunnitische Vorherrschaft in Syrien und im Irak zu errichten. Darin schließlich sieht er die Quelle des Bösen, das die USA bedroht.

Wie diese beiden populistisch-nationalistischen Führungsfiguren miteinander umgehen werden, ist eine offene Frage. Da sie beide robust sind und sich gegenseitig für ihre erbarmungslose Stärke respektieren, wird der Dialogprozess möglicherweise ganz anders ablaufen, als man zu Zeiten der Prä-Trump-Diplomatie hätte absehen können. Vielleicht kommt am Ende wirklich nur business dabei heraus, das sich nicht um demokratische Werte und humanitäre Dimensionen schert. Beiden Männern dürfte ein "Win-win" jedenfalls weitaus mehr bedeuten als die Umsetzung ihrer persönlichen Interessen.

Die Zeichen stehen auf hässliche Realpolitik. Sie wird das Risiko weiterer regionaler Unruhen erhöhen und sich damit unter Umständen auf Europa auswirken. Warten wir ab, welche Rolle das türkische Medienimperium in diesem Szenario noch spielen wird.

Der Autor, geboren 1956, ist Journalist, Blogger und Mitgründer der Medienplattform P24. Er hält sich derzeit außerhalb der Türkei auf. Deutsch von Jonathan Horstmann.

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