Proteste gegen Berlusconi:Wir wollen unsere Würde wiederhaben

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Dichter und Denker, Schüler und Studenten, Arbeiter und Angestellte: In Italien formiert sich der Protest gegen die Regierung. Sie alle eint ein gemeinsames Ziel: Berlusconi soll gehen.

Henning Klüver

Intellektuelle in Mailand, Arbeiter und Angestellte in Rom, Schüler und Studenten in anderen Städten: Viele Italiener fordern ein schnelles Ende der Regierung Berlusconi, die sich gerade mit Verve einem geplanten Maulkorbgesetz widmet, um der freien Presse zu Leibe zu rücken.

Protest in Rom gegen ein neues Gesetz der Regierung Berlusconi, das die Pressefreiheit einschränken würde. (Foto: Reuters)

Es würde unter anderem mit einem Verbot von wörtlichen Zitaten aus Gerichtsakten eine kritische Berichterstattung über Justizverfahren bei hoher Strafandrohung so gut wie unmöglich machen. Ein geplantes Recht auf Gegendarstellungen jedweder Tatsachenbehauptungen in Blogs und Internetauftritten, das etwa auch Wikipedia betreffen würde, führte zu einem wahren Proteststurm im Netz. Wikipedia verdunkelte in der vergangenen Woche für drei Tage seinen Internetauftritt in Italien ganz und erscheint jetzt bis zur endgültigen Klärung der Fragen Mitte dieser Woche mit einer Protestnote.

"Lasst uns Italien wieder zusammenflicken" - diese Losung hat der ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichts Gustavo Zagrebelsky ausgegeben, der zusammen mit der Journalistin Sandra Bonsanti als Sprecher der Vereinigung Libertà e Giustizia (LeG) auftritt. Die Vereinigung wurde vor sieben Jahren von Intellektuellen wie dem Physiker Giovanni Bachelet, dem Germanisten Claudio Magris, der Architektin Gae Aulenti oder dem Schriftsteller Umberto Eco gegründet.

Am Samstag rief die LeG zu einer Demonstration am Arco della Pace in Mailand auf. Es ginge darum, so Zagrebelsky, "Italien wieder Würde zu geben". Bei der Veranstaltung mit mehr als 20 000 Menschen traten unter anderem der Philosoph Salvatore Veca, der Historiker Paul Ginsborg und die Journalistin Bice Biagi auf. Der Literaturnobelpreisträger Dario Fo unterhielt die Menge mit einem Anti-Berlusconi-Sketch. Umberto Eco, der auf einer Lesereise in Schweden unterwegs ist, schickte eine Botschaft: "Das wahre Italien sind wir." Roberto Saviano meldete sich über Video zu Wort und prangerte den Zwang zur Schwarzarbeit in Süditalien an, von der auch die Modeindustrie in Mailand profitiere. Wie andere unterstrich er, es gebe ein Italien, "das die Lügen und Fehler nicht mehr aushält, die uns in diese Krise getrieben haben".

Etwa zur gleichen Zeit gingen in Rom Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes auf die Straße. Susanna Camusso, die Vorsitzende der CGIL, der größten Gewerkschaft des Landes, erklärte, man könne sich als Italiener nur noch schämen, wie man im Ausland angesehen werde. Deshalb müsse Berlusconi eher heute als morgen "abhauen". "Save schools, not banks" hatten Schüler und Studenten bei Aktionen am Freitag in 90 italienischen Städten zwischen Como und Palermo gefordert. In Rom wurden Eisenbahngleise besetzt, in Mailand richtete sich der Protest auch gegen Bankhäuser und Sitze der internationalen Ratingagenturen. Das Land reagiert außerparlamentarisch, aber nicht unpolitisch. Hoffnung keimt auf.

© SZ vom 10.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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