Oper:Große Kunst im Messezentrum

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Das Böse lauert hinter der Tür: Sally du Randt als Floria Tosca, Werner van Mechelen als Scarpia. (Foto: A. T. Schaefer/Theater Augsburg)

Nigel Lowery inszeniert Puccinis "Tosca" in der Schwabenhalle, einem der zahlreichen Ausweichquartiere des Theaters Augsburg, solange das Stammhaus renoviert wird

Von Egbert Tholl

Der Mann mit dem Schild ist auch da. Seit einigen Monaten trifft man ihn vor Aufführungen des Theaters Augsburg. Lange stand er vor dem maroden Stammhaus, das inzwischen geschlossen ist und renoviert werden muss, was ein paar Jahre Zeit in Anspruch nehmen wird. Gegen diese Renovierung hat der Mann etwas, er hält sie für rausgeschmissenes Geld, er will nicht, dass die Stadt dafür Schulden macht. Lieber ist ihm offenbar eine Ruine an zentraler Stelle. Gerade ist auf fast schon groteske Art ein Bürgerbegehren gescheitert, das Ähnliches im Sinn hatte wie der Mann vor dem Theater, nun macht er Stimmung für ein zweites Bürgerbegehren, ein Ansinnen, das ein etwas seltsames Demokratieverständnis offenbart - die Chancen für ihn stehen schlecht, die Augsburger wollen ihr Theater behalten.

Nun steht er also vor der Schwabenhalle, die keine Renovierung nötig hat; sie ist eine ziemlich moderne Messehalle, nicht unbedingt dort gelegen, wo man einen Theaterspielort erwarten würde, dafür aber hat sie ein giftgrünes Foyer. Allerdings, das kann man nun nach der Premiere von Puccinis "Tosca" sagen, klingt sie gar nicht schlecht. Manche sagen sogar, sie klinge besser als das Stammhaus, aber das ist wohl eher der Euphorie darüber geschuldet, dass man in den nächsten Jahren überhaupt Oper machen kann in Augsburg, und das auch noch ohne allzu große künstlerische Einbußen.

Tatsächlich könnte man sich Nigel Lowerys Inszenierung auch gut an einem ganz normalen Opernhaus vorstellen. Lowery ist ein herausragender und findiger Bühnenbildner; einst baute er den Dinosaurier für den legendären "Giulio Cesare" an der Bayerischen Staatsoper, inzwischen ist er zudem auch ein versierter Regisseur. Sicherlich kommt der ganzen Unternehmung zu Gute, dass "Tosca" ein schwer kaputt zu machendes Stück ist, aber in einer Messehallensituation diesem auch noch einen höchst spannenden dritten Akt abzugewinnen, das ist schon ein kleines Kunststück.

Lowerys "Tosca" spielt in einer von ihm erfundenen Zeit, die heute sein kann, in der aber auch die älteren Schichten wie Entstehungszeit der Oper oder die Zeit der eigentlichen Handlung - Napoleon - durchscheinen. Scarpias Schergen sind graue Anzugsträger, aber auch Figuren und Gestalten aus Jahrhunderten des Theaters spuken herum. Schließlich ist Tosca ja eine Sängerin, eine Künstlerin, eine Frau der Bühne. Am Ende springt sie von Dach des gerade geschlossenen Augsburger Theaters, das Lowery zauberhaft angedeutet auf seine Bühne gestellt hat, die mal Kirche, mal Salon, mal Seeleninnenraum ist. Darin thematisiert Lowery die Künstlichkeit der Oper an sich, was im dritten Akt, der oft abschmiert, weil eh alle nur auf "E lucevan le stelle" warten, zu einem Traumspiel des Gewesenen und zu Erwartenden wird. Darin eine Tosca, deren Kontur alle anderen an Schärfe übertrifft.

Sally du Randt ist die Tosca und sie findet einen sehr klugen Weg in die Rolle hinein, die ihr stimmlich eigentlich gar nicht perfekt liegt. Sie rührt und fasziniert immer mehr im Laufe des Abends, ihr "Vissi d'arte" ist reine, traurige Poesie. Von solcher Wirkmächtigkeit ist Ji-Woon Kim als Cavaradossi weit entfernt; er wirkt grundsympathisch, jungenhaft, aber jede Äußerung seiner baritonal grundierten Stimme hat man im Moment ihres Geschehens bereits vergessen. Werner van Mechelens Scarpia ist ein sinnenfroher Lustmensch mit beachtlicher stimmlicher Güte, und allesamt werden sie umgeben von dem sehr präsenten, aber wohl zusammenklingenden Orchester unter Domonkos Heja.

Tosca , von Giacomo Puccini, Inszenierung: Nigel Lowery, weitere Aufführungen von Mittwoch, 7. Dezember, an, Schwabenhalle Augsburg, Am Messezentrum 5

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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