Open-Air-Konzert in Berlin: Foo Fighters:Nacht und Narben

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Keine Band der Welt verleiht der Pest der Gefühle gegenwärtig einen so charmanten, so ironischen Ausdruck wie die "Foo Fighters". Lauter und härter, dabei leicht und fröhlich war selten ein Abend in Berlin. Und dann war da noch ein ganz besonderer Ehrengast.

Bernd Graff

Man muss jetzt doch einmal über Schmerzen sprechen. Über jene schlimme Pein der Liebe und des Lebens, die Herz, Seele und Verstand gleichzeitig erfasst. Schwarz ist sie, diese Pein, und ätzend. Es ist die Pest der Gefühle. Irgendwann aber, man lasse sich das ein Trost sein, hört das auch wieder auf. Und das, was drängende Not war, formt sich zur Erinnerung an ein giftiges, elendes, aber nun eben überwundenes Leid. Die Foo Fighters (FF), eine der erfolgreichsten Rockbands unserer Tage, sind die musikalischen Krachboten für diese Erfahrung von Überwindung.

Spielt immer und überall die größte und blaueste Gibson im ganzen Land: Dave Grohl, Gründer der US-Rockband Foo Fighters. (Foto: dapd)

Rockmusik, die harte, laute und raue, war seit je eine der bevorzugten Artikulationsformen für das trotzig behauptete Davongekommensein. Es ist Musik über den schwarzen Löchern. Und Rockkonzerte sind daher oft wie Truppenbetreuung für Kriegsversehrte. Was für die FF nicht ganz stimmt: Ihre Konzerte, das konnte am Samstagabend in der Berliner Wuhlheide erlebt werden, sind heitere Hochämter für ehemalige Schmerzpatienten.

Gepeitscht von einer Hardcore-Musik, die sich aus allem speist, was in der Pop- und Rockgeschichte härter gemacht hat: Ein bisschen Woodstock, ein bisschen Country, ein bisschen Blues und sogar ein bisschen Ballade. Led Zeppelin trifft Motörhead, trifft Nirvana, trifft Bob Dylan und Neil Young.

Keine Band der Welt verleiht beidem, der Nacht und den Narben, gegenwärtig einen so charmanten Ausdruck wie die Foo Fighters um Sänger Dave Grohl und seinen Schlagzeuger Taylor Hawkins. Keine Band der Welt geht dabei so heiter, ja ironisch zu Werke wie die FF. Und kaum eine so laut.

Das schlimme F.ck-Wort, das in derlei Kreisen gerne als Superlativ-Ausweis vor beliebige Adjektive gestellt wird, gilt als das Amen in der Gemeinde. Und Grandezza wird hier in Dezibel gemessen. Vielleicht sind die FF, unbenommen der Tatsache, dass sie das Handwerk der Wucht tatsächlich beherrschen, ja deshalb so unfassbar erfolgreich.

Mit Leichtigkeit füllten sie im Juni 2008 das Wembley Stadion. Alle ihre sechs vor 2011 veröffentlichten Alben waren für Grammys nominiert, drei haben sie als beste Rockband gewonnen. "Post-Grunge" und "Alternativrock" wird ihr Stil genannt. Aber das ist natürlich Kokolores.

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Bezeichnen wir den Sound der Foo Fighters als geradlinigen Klar-Rock von Könnern mit dem erklärten Ziel, die gute Laune nicht zu verlieren. Fröhlich pulsierend ist der Rock: eine Umschreibung, auf die man nicht zuletzt kommt, weil Grohl, mittlerweile auch schon 42 und gesegnet mit einer einschlägigen Rockervergangenheit, der klug-charmanteste, frecheste, auch selbstverliebteste und coolste Bolzplatz-Gitarrist seit dem Pleistozän ist. Jedenfalls in seinem Metier.

Eigentlich ist er Drummer, verdingte sich bei Nirvana, Scream, Them Crooked Vultures und Queens of the Stone Age. Jetzt ist er Gitarrist und Leadsänger seiner im Stamm fünfköpfigen Fighters-Schöpfung, für die er sich ausbedungen haben muss, immer die größte und blaueste Gibson im ganzen Land spielen zu dürfen.

Die Berliner Wuhlheide ist ein kalter Ort, ungefähr dort gelegen, wo der Kosmos beim Big Bang ein Päuschen gemacht hat. Ein Nicht-Ort, zumal im knallenden Gewitterregen, der sich kurzzeitig über dem Amphitheater-Rund ergießt. Man ist gern pünktlich dort in Berlin. Schlag 20.00 Uhr beginnt die Vorgruppe "Band of Horses" mit der Auslieferung einer Tranche jenes rasenden Vergnügens, das die FF später tutto completto servieren werden. Die Band of Horses sind ein Versprechen. Sie touren gerade selber. Sollte man mal reinschauen!

Open-Air-Konzerte, das kann ja mal gesagt werden, wo wir gerade so nett über Schmerzen plauschen, sind in etwa so sinnvoll, wie es die Erfindung der Stechmücke war. Man braucht sie beide nicht. Es gibt Menschen, die sie sogar lästig finden, manchmal spielt das Wetter nicht mit und wer musikalisch genießen will, wird eine Saal-Akustik vorziehen. Aber darum geht es hier nicht. Während sich keine guten Gründe für Stechmücken finden lassen, gibt es einige für Hard-Rock unter freiem Himmel. Erstens sind die Bands so laut, dass von Soundverlust selbst während der Apokalypse nicht ausgegangen werden muss. Zweitens kommen viel mehr Menschen, und drittens ist hemmungslos Party.

Grohl, der ebenso pünktlich um 21.00 Uhr seine Lieben auf die Bühne bittet, macht überhaupt keine Anstalten, es langsam angehen zu lassen. Der tadellos tätowierte Dave bewegt sich so davig, dass man in der letzten Reihe mitbekommt, dass dieses Bühnengeschoss nur Dave Grohl sein kann. Mit zwei rhythmischen Songs aus der im April erschienen siebten Einspielung Wasting Light: Bridge Burning und Rope, derwischt er sich sofort in die Gehörgänge.

Grohl - woher er die Kraft nimmt, weiß kein Mensch - ist Bühnenjogger: Seine Konzerte sind ehrlich erarbeitete Ganzkörper-Marathons. Er irrlichtert, schüttelt die Mähne, hoppelt, springt, brüllt und spielt auf der Gibson. Dazu singt er etwa - Stichwort Schmerz!-: "These are my famous last words! / My number's up, bridges burned. / Gathering the ashes / Everything blown away." Beim dritten Lied, The Pretender, singen schon alle mit. Und "alle" sind an diesem Abend mehr als 17 000 Menschen jeden Alters und Geschlechts in der ausverkauften Arena. Schwarz tragen sie fast alle.

Er wolle sich, sagt Grohl nach dem fünften von über 25 Songs, die in den zwei peinlich genau eingehaltenen Konzertstunden dargeboten werden, nicht mit Reden aufhalten. Seine Band - Bass, Gitarren, Piano, Drums - und ihre Musik seien besser denn je. Und das zu beweisen, sei man ja schließlich gekommen. Dann folgt der inzwischen typische, melodische FF-Krach mit wenig Muße zu Verschnaufen.

Fast also wäre es eines der überdurchschnittlich guten, aber eben erwartbar guten Konzerte geblieben, wenn Grohl nicht zu Song 21 einen Ehrengast auf die Bühne gebeten hätte. Er veranlasst die da schon Open-Air-Wahnsinnigen zu frenetischem Jubel. Er habe sich, so Grohl, gedacht: Der singt jetzt mal mit! Auftritt also: Lemmy Kilmister, Gründer, Kopf und Sänger von Motörhead, seines Zeichens Papst des geordnet hämmernden Geräuschvollen.

Lemmy kommt, führt die da bereits delirierende Masse mit dem Song, Shake your blood, in das Stadium konvulsivischer Zuckungen und geht wieder. Tach auch, Lemmy! Grohl und die Fighters sind, obwohl sie soviel Schaum schlagen, keine Schaumschläger. Die zugegebenermaßen wenigen unplugged vorgetragenen Passagen, etwa in Times like These, belegen, dass FF mehr als nur Krach können.

Doch es ist die Haltung, die ironische Geste, die das Audioformat Foo Fighters erst richtig rund macht: Sie bedienen jedes Klischee und zwinkern dabei mit einem Auge. Vielleicht muss man darum Thomas Manns "Tonio Kröger" zitieren, um das Faszinosum Foo Fighters beschreiben zu können: "Sehnsucht ist darin und ein klein wenig Verachtung und eine ganze keusche Seligkeit."

© SZ vom 20.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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