Kraftwerk vs. Moses Pelham vor Gericht:Bundesverfassungsgericht verhandelt über Hip-Hop

Pehlham Kraftwerk

Gegner vor Gericht: Hip-Hop-Produzent Moses Pehlham (links) und Ralf Hütter, Mitbegründer von Kraftwerk.

(Foto: Uli Deck,dpa)
  • Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer seiner seltenen mündlichen Verhandlungen mit dem Urheberrecht in der Musik beschäftigt.
  • Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen Kraftwerk-Mitglied Ralf Hütter und Hip-Hop-Produzent Moses Pelham um eine Zwei-Sekunden-Tonsequenz.
  • Zwei Fragen sind nun zentral:
  • Wie hinderlich ist ein restriktives Urheberrecht für den kreativen Prozess?
  • Welche wirtschaftlichen Konsequenzen hätte eine Lockerung für die Produzenten der Originale?

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Nichts hätte den nun schon viele Jahre währenden Konflikt zwischen engherzigem Urheberrecht und kreativer Selbstbedienung, wie sie namentlich Hip-Hop-Musiker pflegen, besser auf den Punkt bringen können als dieses Treffen der Generationen.

Zuerst trat an diesem Mittwoch Ralf Hütter vor die Richter des Bundesverfassungsgerichts, Jahrgang 1946, Gründungsmitglied der legendären Band Kraftwerk. Er schilderte, wie schwierig in den Siebzigern die Produktion des Titels "Metall auf Metall" war. Man arbeitete mit Tonbändern und steckte das ganze Geld in neuartige Sequenzer, um am Ende diesen metallischen, tranceartigen Beat herzustellen.

Dann trat Moses Pelham ans Mikrofon, Jahrgang 1971 und Produzent von Sabrina Setlurs Song "Nur mir", dem er als Loop eine Zwei-Sekunden-Sequenz aus dem Kraftwerk-Stück unterlegt hat. Pelham sagte: "Ich hielt das für mein Recht."

Moses Pelham sagt: "Hiphop ist dann nicht mehr möglich."

Pelham hatte sich durch den Soundklau ("Es ging uns um die Kälte, die in dem Loop war") im Jahr 2012 auf Klage von Kraftwerk eine Verurteilung durch den Bundesgerichtshof eingehandelt.

Und seither steht dieses Urteil seltsam quer in einer Musikkultur, die - dank digitaler Technik - wie keine Kunstgattung zuvor auf vorhandene Originale zugreifen und diese als Grundsubstanz für neue Stücke nutzt.

Der Geist dieser Kultur, die das auf Tonträger gebannte musikalische Gedächtnis als Steinbruch für das Sampling neuer Stücke nutzt, steht im diametralen Gegensatz zu einem Urheberrecht, dessen zentraler Begriff der Schutz des geistigen Eigentums ist. Oder, wie Pelham es ausdrückte: "Hip-Hop ist dann nicht mehr möglich."

Dass das Bundesverfassungsgericht diesem Thema eine seiner seltenen mündlichen Verhandlungen gewidmet hat, diesen Umstand wird man als Indiz dafür sehen dürfen, dass die Richter Reformbedarf sehen - im Namen der Kunstfreiheit.

Die Frage sei schon, ob bereits die Nutzung einer kleinen Tonsequenz zum Verbot solcher Songs führen darf, inklusive Schadensersatzforderungen, sagte Vizepräsident Ferdinand Kirchhof.

Zwar öffnet das geltende Urheberrecht den Kreativen eine Hintertür - aber eben nur einen Spalt breit: Erlaubt ist die "freie Benutzung" einer Tonsequenz dann, wenn sie nicht in "gleichwertiger" Art und Weise nachgespielt werden kann.

Allerdings führt dies, wenn man die Leistung des Original-Produzenten in den Blick nimmt, zu einem geradezu widersinnigen Ergebnis: Schutzlos bleiben ausgerechnet die besonders komplizierten Sounds , die den größten Aufwand bedeuten. Das Leistungsschutzrecht bewahrt nur die einfacheren, also nachspielbaren Teile vor der Fremdentnahme.

Es geht nicht um Eigentum und Diebstahl

Die Richter, das wurde in der Anhörung deutlich, werden den Konflikt nicht so sehr unter dem Aspekt von Eigentum und Diebstahl betrachten - der hier ohnehin nicht so recht passt, weil ein "geklauter" Basslauf im Original ja vorhanden bleibt.

Der Fall läuft eher auf eine Abwägung der Interessen hinaus: Wie hinderlich ist ein restriktives Urheberrecht für den kreativen Prozess? Und welche wirtschaftlichen Konsequenzen hätte eine Lockerung für die Produzenten der geplünderten Originale?

Aus Sicht von Florian Sitzmann, Professor an der Popakademie Mannheim, hat die Gefahr von Lizenzklagen in der Szene zu einem "Klima der Angst" geführt. Wobei auch er konzediert, dass es nicht immer um die künstlerische Auseinandersetzung geht. Sampeln sei manchmal nur der einfache Weg, an gute Beats zu kommen.

Ein Urteil wird erst in einigen Wochen ergehen - und selbst das wird wohl nicht das letzte Wort in der Sache sein. Womöglich wird sich noch der Europäische Gerichtshof mit dem Fall befassen.

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