Konzert:Transformierte Aggression

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Staatsakt im Stadttheater: Der Berliner Plattenverlag feiert sich selbst mit einem Festival in den Kammerspielen. Auch seine Münchner Vorzeige-Band "Friends of Gas" geht auf die Bühne

Von Michael Zirnstein

Noch bevor die Friends of Gas zu Hause in München so richtig wahrgenommen wurden, hat man sie in Berlin und in den Pop-Redaktionen des Landes schon gefeiert. "Viele haben gar nicht geglaubt, dass ausgerechnet das eine Münchner Band ist. Es war jedenfalls unmöglich, sie zu übersehen", erinnert sich Maurice Summen. Er fackelte schon damals nicht lange, das ziemlich roh im Bürgerpark Oberföhring zusammengeklopfte Debütalbum "Fatal schwach" auf seinem Label Staatsakt herauszubringen. Nicht nur, dass die Empfehlungen von allerersten Fürsprechern kamen, von Micha Acher - einem der als Notwist-Gründer wenigen anerkannten Szene-Gurus aus München - ebenso wie von den Produzenten Olaf Opal, Tobias Levin und Max Rieger von Die Nerven, der die Platte aufgenommen hatte.

Abgesehen von den Referenzen überzeugte den Musikverleger und Sänger der Gruppe Die Türen vor allem der Sound der Kollegen: Was der LoFi-Klang auf der Platte schon andeutet, plättete ihn dann vollends bei einem Konzert in Berlin: Die "stoische, kühle Postpunk-Ästhetik", die "Noise-Wand mit hohem Energie-Level", die "transformierte Aggression" in Nina Walsers "unfassbarer Stimme" aber auch die "krautrockigen Elemente", das so Summen, habe er "so zusammen noch nie gehört". Kurz: "Eine sehr, sehr besondere Band." Von keiner Gruppe hat der Berliner zuletzt so viele Konzerte besucht wie von den Münchnern. "Wirklich freiwillig!", sagt er, "und ich habe immer Leute mitgenommen, ganz der stolze Label-Papa."

Jetzt bietet sich Maurice Summen erstmals die Gelegenheit, mit seinen Lieblingen die Bühne zu teilen: beim Staatsakt-Labelabend in den Münchner Kammerspielen. Da hat der Pop-Beauftragte des Stadttheaters, Christoph Gurk, nicht nur die Lokalhelden Friends of Gas, die für ihn "momentan brillanteste und gefährlichste Rockband Deutschlands" einbestellt, sondern auch den melancholischen Dandy Andreas Dorau, den kühlen Wave-Kopf Levin Stadler alias Levin Goes Lightly und Maurice & Die Familie Summen, das nach Die Türen und Der Mann neue Projekt des Kollektiv-Kopfes. "Mit einem festlichen Abend feiert Staatsakt sein Bestehen", steht im Programm, als sei die Existenz eines Verlages für "unabhängige Qualitätsmusik" schon allein ein Grund zum Jubeln. Ist es auch, findet Summen, der Staatsakt vor 15 Jahren zusammen mit Gunther Osburg zur Hochzeit des mittelständischen Label-Sterbens gegründet hat, um die Musik der eigenen Band Die Türen zu veröffentlichen (obwohl es dafür durchaus Anfragen anderer Labels gegeben habe). "Ohne Business-Plan" legten sie damals los, finanziell war eh bloß "die schwarze Null" das Ziel, und so ein Labelbetrieb sei ja auch "kein Hexenwerk oder Raketenphysik". Es ging ihnen darum, zu beweisen, dass man "nicht nur ein Haufen kauziger Künstler ist", sondern eine "kulturelle Plattform" aufzubauen vermochte, um "Sachen zu ermöglichen" aus dem Freundeskreis oder von Leuten, "mit denen man nach dem Konzert am Tresen hing".

Als Summen, Sohn eines Münsterländer Soul-DJs, die Plattenfirma von 2009 an alleine übernahm, hatte er auch ein bisschen Glück: Er lernte Tobias Jundt von Bonaparte kennen. Zuerst begeisterten die beiden sich füreinander, dann zogen sie "gemeinsam in die Schlacht" und eroberten das Land für ihre Herzensprojekte im Sturm - was eine "Professionalisierung" der Staatsaktenschieberei bedingte: "Ein Leben zwischen komatöser Buchhaltung und komatösen Partynächten, zwischen Kulturarbeit und Hypegeschäft".

Nun soll es in den Kammerspielen um die bloße Freude am Spielen gehen. Theater sei zwar "generell schwierig", sagt er. Er sammelte bereits im Fußballmusical "Der Spielmacher" Erfahrung mit diesem "kostenintensiven Apparat", der schon seit Ewigkeiten am eigenen aufklärerischen Anspruch scheitere. Aber der NDW-Entertainer Andreas "Fred vom Jupiter" Dorau als Absolvent der Münchner Filmhochschule versteht sich ebenso aufs Dramatische wie der "Holden Caulfield unter den Retropoppern" Levin Stadler, und die Familie Summen sowieso. Dieses Funk-fröhliche, Ironie-begabte "neunköpfige Live-Monster" mit Maurice-Freunden aus den Bands Seeed, Kante, Frittenbude, Bonaparte und freilich Die Türen will mit den Songs des Albums "Bmerica" als "vorläufigem Endergebnis eines langen demokratischen und kollektiven Prozesses" Awareness und Party vereinen. Das sollte nun auch in München wahrgenommen werden.

Staatsakt-Labelabend , Fr., 20. Okt., 20 Uhr, Kammerspiele, Maximilianstraße 26

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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