Klassik:Das klingende Land

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Am Freitag beginnt das Richard-Strauss-Festival in Garmisch-Partenkirchen. Es ist die erste Ausgabe, die Alexander Liebreich als Künstlerischer Leiter verantwortet.

Von Egbert Tholl

Ja, das Festival ist in Garmisch-Partenkirchen, aber Alexander Liebreich wohnt in Schwabing, dort trifft man ihn, um sich über das Bevorstehende zu unterhalten. Aber noch bevor sich das Gespräch in die Berge hineinbewegt, müssen noch ein paar andere Sachen beredet werden. Schließlich war Liebreich von 2006 bis 2016 Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Münchener Kammerorchesters, dirigierte daneben regelmäßig das Nationale Symphonieorchesters des Polnischen Rundfunks mit Sitz in Katowice, dessen Chef er 2012 wurde.

Im Herbst dieses Jahres wird er Chefdirigent beim Rundfunksinfonie-Orchester Prag, aber davor liegt halt noch Garmisch. Aber da in Katowice (Kattowitz) und im nicht weit davon entfernten Wroclaw (Breslau) sich zwei der interessantesten Konzertsaalneubauten der letzten Jahre befinden, muss man erst über Säle reden, bevor man zur Eissporthalle in Garmisch kommt. Nur ganz kurz: "Das, was einen Saal ausmacht, ist der Inhalt, sind Festivals, die Musiker, die zu Gast sind, Education. Das, was stattfindet, macht einen Saal berühmt."

Der Saal in Katowice - "dort wurde zum Glück auf der Grundform einer Schachtel beharrt", sagt Liebreich - wurde schnell berühmt, aber er wäre dies nie geworden, wenn dort nur Konzerte des Rundfunkorchesters stattfänden. Das internationale Festival dort wird Liebreich noch weiter leiten, auch wenn er im nächsten Jahr den Posten beim Orchester abgibt. Und in Brno (Brünn) bauen sie auch gerade einen neuen Saal; da wurde die Baugrube schon ausgehoben, bevor der Architekturwettbewerb überhaupt entschieden war. Im Osten Europas hat man einen anderen Druck mit Hochkulturbauten als bei uns.

Aber was soll das nun alles im Vorfeld des ehrwürdigen Richard-Strauss-Festivals? Weil Richard Strauss weder wegen der Eissporthalle noch wegen des Kongresszentrums nach Garmisch-Partenkirchen zog, um dort zu komponieren, sondern wegen der Gegend. Gut, die genannten Orte gab es damals dort so noch nicht, aber die Berge. Die Sporthalle selbst findet Liebreich einen "überakustischen Unort", aber da zum Festival auch große Symphoniekonzerte gehören, musste er lernen, damit umzugehen.

Zur Eröffnung des Festivals an diesem Freitag, 22. Juni, spielen dort unter seiner Leitung die Akademie für Alte Musik Berlin und der Chor des Bayerischen Rundfunks Purcells "Dido und Aeneas" und Strauss' "Metamorphosen", Letztere auf Darmsaiten, denn 1945, als Strauss seine eskapistische Trauer um die zerstörten Konzertsäle Deutschlands in dieses Werk ergoss, waren keine Stahlsaiten verfügbar, weil man den Stahl zuvor für andere Zwecke gebraucht hatte.

Auf dem Plakat zum diesjährigen Festival sieht man in grobem Schwarzweiß einen Baum, der sich knorrig die Reste einer alten Hütte erobert hat. Im Hof von Kloster Ettal kann man nun zwei Mal das Brno Philharmonic Orchestra hören, mit der "Alpensinfonie" oder dem "Zarathustra", während die Sonne untergeht. Das Orchester spielt auch Auszüge aus Sergej Prokofjews "Romeo und Julia" - das Ballett wurde 1938 in Brünn uraufgeführt. Prokofjew lebte selbst knapp zwei Jahre in Ettal, das war Anfang der Zwanzigerjahre, so viel zur Natur als Inspiration.

Insgesamt klebt das Festival nicht in Garmisch fest, wobei dennoch die größten Konzerte, auch jenes der Orchesterakademien aus drei Ländern - Deutschland, Tschechien, Polen - dort stattfinden, auch die Meisterkurse von Olaf Bär und der Liederabend von Okka von der Damerau. Ebenfalls in Garmisch-Partenkirchen, in der - allerdings sehr schönen - Werdenfels-Aula, spielt auch Franui, jene inzwischen auf Festivals gut vertretene Wunderblascombo aus Osttirol.

Die wollten eigentlich ein Strauss-Programm machen, müssen damit aber noch zwei Jahre warten, denn dann ist Richard Strauss seit 70 Jahren tot und der freie Zugriff auf sein Werk wird viel leichter, besonders dann, wenn man es in die eigene Welt künstlerischen Tuns hineinadaptieren will. Über Verwandlung kann man auch in der Spielbank nachdenken, in einer 3 D-Ausstellung zu Kafkas Erzählung "Die Verwandlung".

Aber: Das Festival geht nach Schloss Elmau, für die Kammerkonzerte dort können auch Auswärtige Karten kaufen, was sonst dort nicht mehr möglich ist. Und es geht auf Wanderschaft: Auf den Wank (da fährt auch eine Seilbahn hin), durch die Partnachklamm (falls möglich), zur Ettaler Mühle. Dann wird man begreifen, weshalb Richard Strauss die Musik komponieren musste, die er schrieb.

Richard-Strauss-Festival , Fr., 22. Juni, bis So., 1. Juli, diverse Spielorte in und um Garmisch-Partenkirchen, Infos unter www.richard-strauss-festival.de

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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