"Unter deutschen Betten" im Kino:Fake auf der nächsten Stufe

Lesezeit: 3 min

Keine Angst vor Wollmäusen: Veronica Ferres übt sich als Putzfrau in komödiantischer Nahbarkeit. (Foto: dpa)

Veronica Ferres macht sich in "Unter deutschen Betten" klein und putzt Klos, weil sie unbedingt gemocht werden will. Auch wenn vieles im Film künstlich ist - diese Bedürftigkeit wirkt real.

Von Philipp Bovermann

Der Blondinenwitz ist tot, aber Veronica Ferres lebt. Sie singt jetzt Schlager. "Wenn ich deine Stimme hör", trällerte sie bei Florian Silbereisens "Dirndl! Fertig! Los!" Also nicht etwa im Kino, sondern im wirklichen Leben, bei der Oktoberfestshow der ARD. Ihre Handflächen schob sie dabei wie ein Schlagerprofi von links nach rechts durch die Kamera und dann zum Himmel, wo "tausend Sterne" über ihr standen.

Das Schlagerbusiness und "die Ferres", mit ihrem halb royalen, halb stammtischbruderhaften Artikel vor dem Nachnamen - das passt. Und zwar nicht obwohl, sondern gerade weil man sich nicht sicher sein kann, ob es sich bei ihrem Dirndl-Fertig-Humtata-Auftritt vielleicht um eine geschickte PR-Maßnahme für ihren neuen Film "Unter deutschen Betten" handelt. Dort spielt Ferres, 52 Jahre alt, eine alternde Schlagersängerin namens Linda.

Der zentrale Konflikt der Handlung besteht darin, dass Linda alt ist. Deshalb schmeißt ihr Macker von einem Produzenten sie aus dem gemeinsamen Bett und der gesamten Wohnung, um mit einer jüngeren, brünetteren und noch simpler gestrickten Version von ihr in den Urlaub zu fliegen. Linda aber will weiter Schampus gurgeln, Gurkenmasken tragen und Bedienstete anfauchen, nur dafür müsste sie in die Wohnung. Dort steht auch das Tonstudio, in dem sie ihren Comeback-Hit aufnehmen will, während der Hausherr weg ist. Also tut sie sich mit ihrer polnischen Putzfrau zusammen, die den Schlüssel hat, und schrubbt im Gegenzug, natürlich herzerwärmend schusselig, Klos.

Produziert hat Ferres den Film selbst, mit ihrer Firma "Construction Film", die es, wenn man ganz böse sein will, eigentlich nur als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Veronica Ferres gibt. So kann man es nämlich auch machen als alterndes Superweib, anstatt Klos zu putzen. Bei "Salt and Fire" etwa, dem letzten, eher peinlich geratenen Werner-Herzog-Film, war die "Construction Film" einer der Hauptproduzenten. Und dreimal darf man raten, wer dann in diesem Salzwüstenabenteuer in Bolivien überraschenderweise die Hauptrolle spielen durfte ...

Die ewige Sauberfrau des Fernsehens nun als Putzfrau der Herzen - das passt

Bei "Unter deutschen Betten" hat Ferres nun nicht nur produziert, sondern sich die Rolle der Einfachheit halber gleich hauteng auf den Leib schreiben lassen. Das Ergebnis ist wenig überraschend - ein Kondensat ihrer bisherigen Karriere. Oft spielte sie die mütterlich lächelnde Kämpferin für das Gute, mit der man alles politisch Korrekte besetzt. Nun sehen wir die ewige Sauberfrau als Putzfrau der Herzen. Denn natürlich ist Linda, die Diva, im Grunde eben doch das anständige, unsichere Mädchen von nebenan. Aber bevor sie das zeigen kann, muss ihr beim Schrubben erst mal die Gucci-Sonnenbrille ins Klo fallen.

Die Ferres macht sich in dem Film über sich selbst lustig. Sie macht sich klein und blond, weil sie halt gemocht werden will, und dieser Wunsch ist so verzweifelt, so durchsichtig, dass es irgendwie tatsächlich klappt. Auch Menschen wie Veronica Ferres brauchen liebende Ermutigung, und als Linda darf sie das zeigen. Vor dem großen Comeback zum Schluss steht sie zitternd auf der Bühne. Sie wartet auf das aufmunternde Nicken der Putzfrau, die längst zur Freundin geworden ist - und in dieser Bedürftigkeit blitzt etwas Reales auf.

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Ansonsten ist der Film ein Lehrstück für alles, was an deutschen Komödien blöd ist: schriller Hupsala-Humor, der keinem wehtut, großzügige Ignoranz gegenüber der Außenwelt. Lindas Putzfrau zum Beispiel wohnt, wie Leute eben wohnen, die sich alles vom Mund absparen müssen: in einer WG mit Dachterrasse und atemberaubenden München-Blick, in der selbst der abgeblätterte Putz sorgsam gestylt wirkt. Die Unterschicht hat's lustig und unkompliziert - man rasiert sich die Beine mit Haarspray und Feuerzeug. Wie durch und durch abgehoben dieser Film das "wahre Leben" sucht, hat etwas Rührendes.

Am Ende will man Veronica Ferres spontan in den Arm nehmen, wenn ihre Linda zum Finale das Playback ausschaltet, für einen "echten" Song über Freundschaft. Die Aufnahme, die wir dann hören, klingt allerdings immer noch vollkommen künstlich. Der Fake wird einfach auf die nächste Stufe angehoben. Auf dieser seltsamen Stufe ist Veronica Ferres jetzt angekommen.

Unter deutschen Betten , D 2017 - Regie: Jan Fehse. Buch: Lucy Astner u. a. Kamera: Philipp Kirsamer. Mit Veronica Ferres, Heiner Lauterbach, Magdalena Boczarska. Verleih: Fox, 100 Minuten.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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