Im TV: Kaiserin Sisi:Frau Kaiserin, mein Stumpf juckt

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Mutter, Geliebte, Ikone: Das ZDF legt sich den "Sisi"-Stoff als Emanzipationsgeschichte zurecht. Und es steckt viel romantischer Blödsinn drin.

Senta Krasser

Wie beliebt Romy Schneiders Kaiserinnenküsse auch nach mehr als 50 Jahren noch sind, wurde schon im vorigen Advent deutlich. Da ließ RTL in einem Event-Dreiteiler Veronica Ferres als Supermutti auf Mafiosi ballern und musste doch einmal den Tagessieg beim jungen Publikum an Sat 1 abgeben. Dort finden alle Jahre wieder die Sissi-Festspiele statt, auch in diesem Jahr. Beim ZDF hat man das nun bemerkt - und flugs eine eigene Neufassung der Sissi, die für Ende Dezember eingeplant war, auf diesen Donnerstag und Sonntag vorgezogen.

Christina Capotondi als Sisi und David Rott als Kaiser Franz Joseph. (Foto: Foto: ZDF)

"Sisi" also zuerst im Zweiten und mit nur einem Binnen-S im Titel. Diese Schreibweise ist die historisch richtige. Ansonsten hält es Xaver Schwarzenberger, der beim ZDF-Zweiteiler Regie und Kamera führte, ähnlich ungenau mit der wahren Geschichte wie einst Ernst Marischka in seiner Kino-Trilogie. Auch in Schwarzenbergers Zweiteiler steckt viel romantischer Blödsinn, er ist bloß moderner gefilmt. So hätte es Marischka in den Fünfzigern wohl kaum gewagt, Romy Schneider und Karlheinz Böhm in der Hochzeitsnacht im Schlosspark sich herumwälzen zu lassen. Und von rebellischen Emanzen wollte man in der Nachkriegszeit erst recht nichts wissen.

Hilfsbereit wie Prinzessin Diana

50 Jahre später legt sich Schwarzenberger den "Sisi"-Stoff als Emanzipationsgeschichte zurecht. "Sisi", mit viel Temperament gespielt von der Römerin Cristiana Capotondi, ist 15 Jahre alt, langmähnig und ein bisschen schmaler als Romys Sissi. Sie liebt die Freiheit zu Pferd, die Liebe zum Mann kennt sie noch nicht. Als Sisi dann dem österreichischen Kaiser Franz Joseph vorgestellt wird, ändert sich das im Eiltempo: Beide können die Augen nicht voneinander lassen. Schon am nächsten Morgen hält er um ihre Hand an, und kurz darauf wird geheiratet, mit viel Spitze und Strass, wie es sich für einen elf Millionen Euro teuren "historischen Liebesfilm" ( ZDF) gehört.

Das Märchen setzt sich fort, als Mischung aus Mutterglück, außerehelicher Romanze (mit dem von Fritz Karl gespielten zotteligen Grafen Andrassy), Franz Josephs Krieg gegen Piemont und Sisis stillem Kampf für Ungarns Freiheit. Doch in der Hauptsache geht es um die Rebellion eines Wittelsbacher Wildfangs gegen das habsburgische Hofzeremoniell samt Schwiegermutter Sophie, die von Martina Gedeck erwartbar stark gespielt wird.

Der Film endet mit Sisis Triumph, sie wird Königin von Ungarn. Schwarzenberger spannt also den Bogen nur bis in Sisis Dreißiger. Danach verlief die echte Kaiserin-Story nicht mehr ganz so schön: Niederlagen und Neurosen, Isolation und Depression. Diese Lebensphase zu zeigen, hätte das einst von Marischka modellierte Kunstgeschöpf zertrümmert, was Schwarzenberger nicht wollte. Was er auch nicht musste.

Aber musste es der Regisseur mit der Ikonisierung derart übertreiben? "Sisi" wird von ihm als Muttertier völlig überzeichnet. Dramaturgisch unerklärlich zieht es sich im zweiten Teil hin, bis "Sisi" endlich durchsetzt, dass ihr Sohn Rudolf von der Militärakademie genommen wird, wo er Misshandlungen erfährt. Fragwürdig auch die Szene, als nach der Schlacht von Solferino Soldaten von der Kaiserin höchstselbst verarztet werden. Viel fehlt nicht, um zwischen blutigen Stümpfen und Geschrei in "Sisi" einen Seelenzwilling der englischen Prinzessin Diana zu erkennen, von der es genug Aufnahmen mit Minenopfern gab.

Man merkt dem koproduzierten Werk an, dass viele Seiten an ihm gezerrt haben. Drei Sender - ZDF, ORF und Rai - waren beteiligt. Die Österreicher, heißt es vom Filmteam, wollten historisch genau sein, die Italiener mehr Gefühl, und die Deutschen setzten, neben David Rott als hochdeutsch sprechendem Kaiser, Christiane Sadlo (Inga Lindström) im Autorenteam durch. Und so stehen im Drehbuch nun Sätze wie "Danke, dass du mich gelehrt hast, dich zu lieben". Ganz wie früher.

Sisi, ZDF, 17. u. 20. Dezember, jeweils 20.15 Uhr. - Sissi, Sat 1, 23./25./26. Dezember, jeweils 20.15 Uhr.

© SZ vom 17.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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