Im Kino: Die Heiligtümer des Todes, Teil 2:In allen Lüften hallt es wie Geschrei

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Alles hat ein Ende, nur der Zauberstab hat zwei: Tränenumflossen blicken die Fans zurück auf 14 gemeinsame Jahre. Harry Potters letzter Kinoauftritt vereint alle zuvor gestreuten Puzzleteile, markiert das Ende einer Ära.

Doris Kuhn

Es beginnt im Licht, im weißen Zimmer eines weißen Hauses, in dem ein weißbärtiger Mann die große Dunkelheit vorhersagt. Die Kräfte des Guten sammeln sich zur Entscheidungsschlacht. Das Ende einer Ära ist nah.

Stellt sich ein letztes Mal seinem Feind Lord Voldemort: Daniel Radcliffe (im Bild) begeistert seit 2001 in der Rolle des Zauberlehrlings Harry Potter. (Foto: dapd)

So viel Ernst muss sein, wenn Teenager nun tränenumflort zurückblicken auf vierzehn Jahre Lebenszeit mit Harry Potter, der gemeinsam mit ihnen erwachsen wurde. Er hat ihnen eine Welt geschenkt. Obwohl sich auch dort alles um Unterricht, um Lehrer, um die Cliquen der coolen wie der doofen Mitschüler drehte, war man in dieser Welt doch sicher. Und so viel Magie war darin, dass sich jedes Kind bis heute wünscht, auch einmal einen Brief aus der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei zu bekommen, in dem es zum Internatsaufenthalt einbestellt wird.

Seit 2001 wuchs der kleine Harry Potter in acht Filmen heran, dargestellt von dem bis dahin wenig bekannten Daniel Radcliffe. Heute kann man sich das kaum mehr vorstellen, dass der Zauberlehrling vor diesem Casting noch gar kein wirkliches Gesicht besaß. Inzwischen ist Radcliffe einundzwanzig, und im Finale um die "Heiligtümer des Todes" gibt er den ernsten, entschlossenen Krieger mit Bartschatten. Die erste Generation seiner Zuschauer rasiert sich ebenfalls. Diese Veränderung in Realzeit schafft Authentizität, auch wenn Harry und seine Freunde hier ihre Zauberstäbe in Schlachten schwingen, die mit Schule nun wirklich nichts mehr zu tun haben - weil ihre Schule nun vor allem als Feldlazarett fungiert.

Das Phänomen begann auf dem Buchmarkt, der erste Band erschien 1997. Junge Helden wurden in eine magische Gemeinschaft eingeführt, in der sie bestehen mussten, ohne Hilfe von außen. Der klassisch unscheinbare Harry Potter fand da zum ersten Mal Freunde, Ron und Hermine. Dieses Trio unterwarf sich dann diversen Mutproben in und neben dem Zauberunterricht. Man traf bereits hier auf Harrys ständigen Gegenspieler Lord Voldemort, der interessanterweise früher auch Schüler in Hogwarts war, und ein begabter dazu.

Vom potterschen Warte-Ritual

Junge Leser lassen sich meist nur kurz von Büchern elektrisieren, aber im Gegensatz zur "Twilight"-Saga etwa, die auch Besessenheit unter Teenagern auslöste, blieb "Harry Potter" aktuell. Die Romane waren dick, aber sie waren auch dicht - und im Gegensatz zu "Twilight" konzentrierten sie sich auf ganz andere Ziele als nur die sexuelle Initiation ihrer Protagonisten. Kinder, die sonst nichts lasen, lasen doch "Harry Potter" - und Erwachsene auch. Das Warten auf jedes der sieben Bücher war ein eigenes Ritual, mehr noch als das Warten auf die Filme.

In diesem letzten Film über Harry Potter finden sich nun erwartungsgemäß allerhand Puzzleteile aus früheren Filmen zusammen, die bis dahin unbemerkt am Rand des Geschehens dümpelten, immer in Erwartung des Moments, in dem ihre Bedeutung entschlüsselt wird. Da es sich um das Ende der Geschichte handelt, werden sämtliche Geheimnisse nun aufgedeckt - nichts bleibt mehr zurück im mysteriösen Raunen. Vielleicht ist das für Fans eine Erleichterung. Ganz sicher ist es ein Vorteil für den gelegentlichen Potter-Betrachter: Er sieht - und versteht - wie alles endet, und ist deshalb nicht unbedingt angewiesen auf die Kenntnis aller vorhergehenden Filme.

Harry-Potter-Darsteller
:Aus die Maus

Die drei Hauptdarsteller waren noch Kinder, als sie vor elf Jahren gecastet wurden. Heute sind Emma Watson, Daniel Radcliffe und Rupert Grint weltbekannt, schwerreich - allerdings sehr mit ihren Rollen verwachsen.

Vorher-nachher-Bilder.

Regie bei Teil zwei der "Heiligtümer des Todes" führte David Yates, wie schon bei den letzten vier "Potter"-Filmen. Die Wandlung zum Actionfilm ist hier komplett vollzogen, in hohem Tempo wechseln tobende Drachen mit Zaubererkompanien im Stechschritt, alte Damen kämpfen Seite an Seite mit gewaltigen, zum Leben erweckten Steinsoldaten. Die Potter-Welt ist tief ins Zwielicht des Krieges gesunken, und dafür nimmt Yates Anleihen von "Herr der Ringe" bis zu Leni Riefenstahl. Am schönsten ist dabei sein Rückgriff auf die Trash-Geheimnisse des Hongkong-Kinos, denn in der letzten Begegnung Harrys mit dem unsäglich Bösen kann man gut den irren "Battle Wizard" wiedererkennen, einen Film, der 1977 das Duell zwischen Zauberern mittels bunter Lichtstrahlen erfand.

Vierzehn Jahre, sieben Romane, Harry Potters Lebensentwurf zwischen 1991 und 2017 - hat Joanne K. Rowling dieses Langzeitprojekt in all seiner Komplexität wirklich so geplant? Es kursiert die Legende, sie habe die Geschichte auf Papierservietten im Kaffeehaus entworfen. Ob da all die Details schon darauf gepasst haben, die irgendwann angerissen werden, zwischendurch wieder auftauchen und am Ende tatsächlich einen Sinn im Gesamtbild ergeben? Spekulierte sie beim Zahlen ihres Kaffees schon mit der Dollar-Milliarde, die sie inzwischen wohl verdient hat? Hatte sie eine Vision vom Potter-Themenpark in Orlando, Florida, weswegen jetzt Briten in die Hitze des amerikanischen Südens reisen, um ihrem Zauberlehrling für 90 Dollar pro Tag nahezukommen, näher als daheim? Wahrscheinlich all das.

Trotz der Kämpfe, trotz der Abwesenheit von Schule, vielleicht auch gerade, weil Harry auf seinen Abschluss pfeift und sich stattdessen um die Rettung der Welt kümmert, erkennt man in diesem Finale noch einmal gut, was den Sog der Potter-Saga ausmacht: Verführerisch ist weniger die Kaderschmiede zukünftiger magischer Alleskönner, auch wenn der Gedanke an Macht Kinder genauso lockt wie Erwachsene. Aber es geht doch mehr um die Erfindung von geheimen Räumen, in die jeder sich zurückziehen kann. Verließe, Geheimgänge, das Innere von Tränen: Potters Universum ist eine Rumpelkammer der Kinderwünsche, die auch in diesem Film Gestalt annehmen, eine inspirierende, üppige, oft sofort einleuchtende Gestalt. Harry Potter sieht Dinge und kommt an Orte, die man selbst in der eigenen Phantasie selten findet.

Deshalb sind alle Harry gefolgt, und sie haben sich gern in seine Verstrickungen hineinziehen lassen. Damit ist es nach diesem letzten Film nun vorbei. Harry Potter hat seine Schule beendet, die Zuschauer, die mit ihm groß wurden, haben das auch und müssen trotzdem weinen. Neue Generationen werden die Sage entdecken, ein entscheidendes Vergnügen aber wird ihnen vorenthalten bleiben: das Warten auf den nächsten Band der Geschichte und darauf, wie der Fortgang der Erzählung auch das eigene Leben verändern würde. Für die kommenden Teenager ist es in Zukunft wieder umgekehrt: Sie müssen sich selbst verändern - die Bücher bleiben gleich.

HARRY POTTER AND THE DEATHLY HALLOWS: PART 2, UK 2011 - Regie: David Yates. Buch: Steve Kloves. Kamera: Eduardo Serra. Mit Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Ralph Fiennes. Warner Bros, 130 Minuten.

© SZ vom 14.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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