Hip-Hop:Das Recht auf Raum

Lesezeit: 3 min

Neue Frauenbilder braucht der Hip-Hop. Ebow stellt ihr zweites Album im Volkstheater vor

Von Martin Pfnür

Wenn Ebru Düzgün aka Ebow auf die beiden "klassischen" Interview-Fragen zu sprechen kommt, die ihr immer und immer wieder begegnen, vermeint man ebenso ein gewisses Amüsement herauszuhören wie einen leisen Anflug von Ärger. "Zuerst fällt meist die Frage, wie man als junge Frau mit türkischen Wurzeln zum Rap findet", sagt Düzgün: "Und dann kommt auch schon die Frage, wie das denn so ist als Frau in einer Männer-Domäne wie dem Hip-Hop."

Zwei Fragen sind das, die einerseits nicht eben wenig erzählen über typische Missverständnisse und Klischeevorstellungen im Hinblick auf die türkische Kultur im Allgemeinen und den Hip-Hop im Speziellen - deren Subtext einen andererseits tief in einige der Themen hineinführt, die Ebow in ihren Tracks umtreiben. Steht die gebürtige Münchnerin doch spätestens seit ihrem im Spätherbst letzten Jahres erschienenen Album "Komplexität" (Problembär Records) für einen ebenso klugen wie dringend notwendigen Feminismus, für eine Form der Selbstbehauptung und Rollenbrechung, wie man sie bei den wenigen weiblichen Protagonistinnen der Hip-Hop-Szene leider nur allzu selten antrifft.

"Ich finde es ganz schlimm, dass es im Hip-Hop eigentlich nur zwei Arten von Frauen gibt", sagt Düzgün, die vor allem queere und sozialkritische Perspektiven jenseits des Gangster-Raps in ihrem Genre vermisst. "Zum einen die Frau, die sich komplett übersexualisiert darstellt. Zum anderen die Frau, die sozusagen alles ablegt, was als weiblich angesehen wird, und versucht, so männlich wie möglich zu wirken." Es sind diese beiden Pole der Inszenierung, die die Tochter türkischer Einwanderer zu umgehen versteht, seit sie begann, sich mit spontanen "Guerilla-Gigs" in Waschsalons und Lebensmittelmärkten im Münchner Bahnhofsviertel einen Namen zu machen. "Ich fand es immer schon spannender, inmitten des Publikums zu performen anstatt von einer Bühne herunter zu rappen", sagt sie. "Diese Nähe hat für mich etwas viel Ehrlicheres und Direkteres." Ehrlichkeit und Direktheit, das sind denn auch die beiden Stichworte, die sich als roter Faden durch ihre - ebenso vom Oldschool-Hip-Hop und vom R'n'B der Neunziger wie von zeitgenössischer Elektronik und orientalischen Sample-Anleihen geprägten - Stücke ziehen. "Ich will in meiner Musik einfach die Frau sein, die ich bin", sagt sie. "Und ich will auch das Recht haben, mir diesen Raum zu nehmen."

In München, wo sie mit ihrer Band und ihrem Stammproduzenten Nik Le Clap alsbald zum subkulturellen Ausnahme-Phänomen reifte und 2013 via Disko B ihr selbstbetiteltes Debüt-Album veröffentlichte, sah sie diesen Raum allerdings irgendwann nicht mehr gegeben. "Ich wollte unbedingt nach Wien, da ich die Musikszene dort sehr schätze. Es gibt hier viel mehr Rapperinnen, es gibt DJ-Kollektive und Veranstaltungen, die die nächtliche Szene verändern, indem sie neue Räume für feministische Messages schaffen. All das fehlt mir in München sehr."

Geht man von ihrem Album "Komplexität" aus, an dem die Wahlwienerin über Jahre parallel zu ihrem Architektur-Studium arbeitete und dafür eine Reihe an Hip-Hop-Produzenten gewann, war das ein überaus fruchtbarer Umzug. Hat man es hier doch mit einem Werk zu tun, das deutlich feiner ausproduziert daherkommt als das Debüt, vor allem aber seinem Arbeitstitel gleich auf mehreren Ebenen gerecht wird. Gender-Fragen, (Flüchtlings-)Politik und Kapitalismuskritik werden hier ebenso verhandelt wie die Abgründe und Verstrickungen von Liebesdingen oder die grassierende Schwierigkeit, im Zuge digitaler Überreizungen den Fokus zu bewahren.

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Da ist eine scharfe Polemik wie "Asyl", in dem sie davon rappt, wie sich das anfühlt, wenn sich der Status und der Wert eines Menschen an seinen Papieren bemisst. Da ist der vortreffliche Soul eines R'n'B-Stücks wie "Das Wetter", in dem sie, ganz Schmerz geworden, einem Verflossenen und dessen Ablenkungsstrategien hinterher sinniert. Und da ist eine harsch elektronische, vor allem aber grandios feministische Selbstbewusstseins-Demonstration wie "Punani Power", in dem sie das machistisch-rassistische Grollen in den Kommentar-Spalten ihrer Videos bereits zu antizipieren scheint und mit Zeilen kontert, deren Präzision und Direktheit auch den stumpfsinnigsten Klischee-Denker in die Schranken weisen dürften: "Ich trag ein Kopftuch / wenn ich will trag ich zehn übereinander / Wenn ich will lauf ich im Mini rum / zeig jedem den Tanga / Wenn ich will werd ich Punker / rasier mir meine Haare ab / Fuck it, ich schäm mich nicht / weil ich Haare an den Armen hab." Keine Frage, so klingt Freiheit. Davon gerne mehr.

Ebow ; Donnerstag, 18. Januar, 20 Uhr, Volkstheater (Foyer), Brienner Straße 50

© SZ vom 17.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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