"Hell" im Kino:Eine Apokalypse, die Hoffnung macht

Lesezeit: 3 min

In "Hell" entwirft Regisseur Tim Fehlbaum eine Welt nach der Apokalypse: in grellem Licht, sengender Hitze und voller brutaler Gefahren. Ein filmisch und schauspielerisch hochklassiger Streifen - nicht nur für Horrorfans. "Hell" beweist, welches ungenutzte Potential im deutschen Film schlummert. Ein Besuch am Set.

Roland Huschke

Ein Bild der Verwüstung, so weit das Auge reicht. Schwarze, wie im Todeskampf verkrümmte Baumstämme, das Tal ist voll davon und auch die Bergrücken gegenüber. Sie ragen in die Luft wie die stachligen Borsten eines Riesentiers, das mit schweren Verbrennungen in sich zusammengesackt ist. Über den Felsen flimmert die Luft.

Kinofilm "Hell": deutscher Horrorschocker in postapokalyptischer Landschaft. (Foto: Paramount Pictures Germany)

Es ist Frühsommer auf Korsika. Letztes Jahr hat hier, auf 1200 Metern über dem Meeresspiegel, ein Waldbrand gewütet. Tim Fehlbaum, 28 Jahre alt, hat lang nach diesem Ort gesucht, an dem seine düstere Vision nun sinnlich erfahrbar wird: ein Europa nach der Klimakatastrophe, nach dem Ende von Viehzucht und Landwirtschaft, eine ausgemergelte Wolfswelt, zu heiß und verstrahlt für die letzten menschlichen Überlebenden. Auch Fehlbaums Gesicht unter den schulterlangen rötlichen Haaren ist krebsrot verbrannt.

"Hell" heißt der Film. Erstens wegen der gleißenden, alles verkohlenden Sonne, die hier durch die Bilder brennen soll - und was in der Praxis bedeutet, dass viele Szenen des Films in der Nacht spielen müssen. Zweitens aber auch, weil es für den Weltmarkt so schön nach "Hölle" klingt. Im hiesigen Kino soll das eine Besonderheit werden: ein deutsches Kinodebüt, das sich an internationalen Genreregeln orientiert, das mitmischen will in der weltweiten Beschwörung der Apokalypse.

Als Erstes fällt auf, dass alle hier jung sind, nicht nur der Regisseur: Der Fahrer, der den Reporter auf langen Serpentinenstrecken zum entlegenen Drehort bringt; die Techniker, die gerade per Windmaschine kiloweise No-Future-Asche auf die Straße blasen; und auch die Gestalten, die nun aus einem schrottreifen, eigens eingeschifften Kombi klettern, geschützt durch Masken und dicke Schweißerbrillen. Erst bei näherem Hinsehen erkennt man die Schauspieler Lars Eidinger, Stipe Erceg und Hannah Herzsprung. Die gute Stimmung steht im Kontrast zu den Endzeitbildern.

Vorbilder John Ford und Christopher Nolan

Sehr konzentriert und in schneller Folge richtet Tim Fehlbaum seine Totalen ein, die das Brandgebiet wie ein Landschaftsgemälde von Hieronymus Bosch präsentierten sollen. Dann steigt er mit seiner Hauptdarstellerin Hannah Herzsprung in den Wagen, um aus dem Inneren zu filmen, wie sie durch kleine Sichtlöcher nach draußen späht - die Fenster sind gegen die Strahlung mit Pappe und Zeitungspapier verklebt. Dort draußen, so viel darf verraten werden, lauern ein paar sehr hungrige und gar nicht freundliche Angreifer.

Keine Ahnung, ich denke einfach in Bildern", sagt Fehlbaum unsicher, wenn man ihn nach Inspirationen fragt. Um später dann doch kenntnisreich über John Ford zu reden, dessen "The Searchers" er studiert hat, weil auch "Hell" im Day-for-Night-Verfahren gedreht wird. Oder über Christopher Nolan, dessen Anspruch er bewundert, mit so wenig künstlichen Kulissen oder digitalen Retuschen wie nur möglich zu arbeiten.

Produziert wird "Hell" von Thomas Wöbke und Gabriele Walther, und besonders der Name Wöbke lässt aufhorchen. Bis vor zwei Jahren war er in München noch Teil des Dreigestirns Claussen, Wöbke & Putz, das sich mit Filmen wie "Nach fünf im Urwald", "Jenseits der Stille", "23" und "Anatomie" etabliert hatte. "Krabat", das letzte gemeinsame Großprojekt, war dann von Problemen überschattet - und zeigte im Jahr 2009 das Ende der Gemeinsamkeiten. "Persönlich hat es zwischen uns immer funktioniert", sagt Wöbke. "Aber irgendwann war die Firma mit ihren vielen Projekten in vielen Stadien einfach zu groß geworden für das, was ich eigentlich machen wollte. Irgendwann sitzt man dann nur noch in Meetings. Ich wollte Geschichten erzählen."

Postapokalyptischer Schocker

Die Begegnung mit dem jungen Tim Fehlbaum war es, die in Wöbke den Entschluss reifen ließ, noch einmal ganz neu zu beginnen. Er feilte mit Fehlbaum und dessen Co-Autor Oliver Kahl selbst am Treatment und später am Drehbuch - und verschweigt nicht, wie viel Zeit und Energie nötig waren, um einen derart ambitionierten Debütfilm auf den Weg zu bringen. Trotz vieler Drehbuchrunden und Finanzierungshürden wirkt Wöbke nun selbst geradezu verjüngt.

Einig waren sich Produzent und Regisseur vor allem darin, dass sie ganz unbescheiden einfach beides wollten: einen Genreschocker voller Kannibalismus in postapokalyptischer Landschaft, dessen härtere Sequenzen jeden eingefleischten Horrorfan begeistern können - und trotzdem, oder gerade deshalb, auch einen echten Schauspielerfilm.

Wenn Fehlbaum seinen Akteuren leise, fast scheue Anweisungen gibt, spürt man dieses Ziel besonders - da will einer mehr als ein paar erschreckende Szenen aus einer schwer dystopischen Zukunft. Eine Rolle wie ihre, sagt Hannah Herzsprung dann auch, gäbe es sonst "im deutschen Kino weit und breit nicht " - und schwärmt von der Vielschichtigkeit ihrer Figur, die sie vor Fehlbaums Kamera zeigen könne. Der steht daneben, sein Sonnenbrand wird in diesem Moment noch einen Purpurton röter.

Mitten in dieser korsischen Albtraumlandschaft arbeiten sie alle an einem Traum - dem Traum, die festgefügten und oft starren Kategorien des deutschen Kinos einmal kräftig durcheinanderzuwirbeln. Wenn die ersten begeisterten Reaktionen und der Förderpreis Deutscher Film vom Münchner Filmfest nicht trügen, und wenn die Mundpropaganda stimmt, die den Previews des Films auf dem Fantasy-Filmfest vorausgeht - dann könnte auch das Publikum bereit sein, sehr bald dabei mitzuträumen.

© SZ vom 20.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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