Guttenbergs politisches Kalkül:So glaubt mir doch, auch wenn ich lüge!

Die Demutsrhetorik von Karl-Theodor zu Guttenberg dient nur der kalten Maske der Macht. Der politische Trick dieser Rhetorik ist es, sich stärker zu machen, indem man Schwächen zugibt. Das ist widerlich, meint unser Autor.

Johan Schloemann

Es kann inzwischen überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die Bemühungen von Karl-Theodor zu Guttenberg um ein schnelles Comeback als Ehrenmann sowie diejenigen des Chefredakteurs der Zeit um journalistische Integrität vorerst gescheitert sind. Die Sache mit dem Cross-Marketing wird nicht besser durch die nun im Spiegel wiederholte Erklärung, man habe gemeinsam ein Bestsellerbuch bloß zu dem höheren Zwecke machen müssen, ein Interview für die Zeitung an Land zu ziehen.

Guttenberg bei Sicherheitsforum in Kanada

Alles eine große Inszenierung: Seit Guttenbergs Auftritt beim Sicherheitsforum im kanadischen Halifax scheint jeder Schritt wohl geplant.

(Foto: dapd)

Nun könnte man nach der Besprechung des derart als Nebenprodukt des Vorabdrucks publizierten Gesprächsbuches (siehe SZ vom 5. Dezember) die Causa Guttenberg erst mal wieder zu den Akten legen - oder: "auf mindestens 80 Datenträger", wenn man die Guttenberg'sche Speichermethode verwenden will. Dies entspräche auch dem weisen Rat seines Nachfolgers als Bundesverteidigungsminister, man solle jetzt bitte bloß nicht zu viel über seinen Vorgänger reden. Auf einen zentralen Punkt des Rehabilitierungsversuchs muss aber doch noch hingewiesen werden - als Warnung.

Denn zu den vielen Dingen, die Giovanni di Lorenzo mit seiner Gesprächstechnik als flirtender, geschmeidiger Boulevardconferencier dem Herrn zu Guttenberg so durchflutschen lässt - darunter natürlich nicht zuletzt die erneute Behauptung, das Zusammenschustern der Doktorarbeit mit fremden Texten habe "nichts mit Absicht zu tun" (sic) -, zu diesen vielen Dingen gehört auch ebenjene entscheidende Argumentationslinie, mit der man im Frühjahr versucht hatte, den Minister zu halten. Gemeint ist der gescheiterte Versuch, die Glaubwürdigkeitsansprüche in der Politik und in der akademischen Laufbahn streng auseinanderzuhalten.

So sagt Karl-Theodor zu Guttenberg in dem neuen Buch nun wieder: "Das politische Leben hat mich nicht überfordert, wohl aber die parallele wissenschaftliche Arbeit." Oder: "Meine wissenschaftliche Verfehlung kann und darf man unbedingt sehr kritisch sehen, das ist in Ordnung. Aber es hat an Verhältnismäßigkeit gefehlt, wenn gleichzeitig meine ganze politische Arbeit verteufelt wurde. Das sind Dinge, die man voneinander trennen muss." Und immer wieder trägt er im Zuge seiner Ermüdungstaktik in der Wahrheitsfrage Ähnliches vor.

Wissenschaft, Parlament und Öffentlichkeit belogen

Die Trennungsthese ist aber nicht nur deshalb irrig, weil die zertifizierte wissenschaftliche Qualifikation ja ersichtlich einer glänzenden politischen Karriere dienen sollte, nicht einer wissenschaftlichen - und weil Guttenberg im Zuge der Affäre sowohl die Wissenschaft als auch Parlament und Öffentlichkeit belogen hat. Nein, die Behauptung der Separation der Sphären wird auch dadurch performativ konterkariert, dass in dem neuen Buch ein Politikverständnis formuliert wird, in dem Person und Politik, Privates und Öffentliches auf das Engste miteinander verquickt werden.

Jahreswechsel - Rücktritt Guttenberg

Mit angeblich 80 Disketten und der Guttenberg'schen Speichermethode fing alles an - Fußnoten exklusive. Im Bild: Die Lebenserinnerungen von Karl Theodor zu Guttenberg (1921-1972) trugen den Titel Fußnoten. Sein Enkel mit dem Bindestrich zwischen den Vornamen hatte mit diesem Begriff offenbar ein paar Schwierigkeiten.

(Foto: dpa)

Während Guttenberg also einerseits so tut, als sei der Politiker allein an seiner prozeduralen, technischen Professionalität zu messen, versucht gerade er sich in exzessivem Maße durch tiefe Einblicke in sein nichtpolitisches Leben und seine Gefühle wieder als öffentlicher Akteur zu empfehlen. Deshalb lässt er sich gerne entlocken, dass er einmal den Berliner Club Berghain aufgesucht habe (das hat er Plagiatskollegin Helene Hegemann also voraus): "Harter Techno kann auch Spaß machen."

Deshalb erzählt er bereitwillig von seiner Vorliebe für Bruce Springsteen, vom Vater-Sohn-Verhältnis, von der Religion und vom Lampenfieber, das er beim Mozart-Klavierspiel vor seinen Töchtern empfinde, während ein Auftritt "in einem Bierzelt mit 5000 Menschen" kein Problem sei. Und deshalb berichtet er mit Vergnügen, dass er sich auch außerhalb der politischen Praxis intensiv "mit den evidenten Machtverschiebungen auf der Welt" und "den neuen globalen Herausforderungen" beschäftige.

Der politische Trick dieser Rhetorik - und hier wird es potenziell gefährlich - ist es, sich stärker zu machen, indem man Schwächen zugibt. Es ist der schlechthin Ungreifbare, der hier "Prinzipienfestigkeit" sein Ideal nennt. Der ostentativen, vornehmen Fähigkeit zur Selbstkritik steht der "Grundanspruch meines Lebens" zur Seite, "einen Beitrag für kommende Generationen (zu) leisten". Das heißt: Je mehr seelische Introspektion vorgeführt wird, desto mehr dient es der kalten Maske der Macht. Es ist eine populistisch-cäsaristische Selbstüberhöhung, die sich in Demutsgesten verkleidet. Widerlich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: